Heinz Dieter Bischoff hört mit 87 Jahren beim Bergedorfer Hospizverein auf und erinnert sich an besondere Momente.

Lohbrügge. Dass ein Sterbebegleiter geduldig zuhören und auch Schweigen aushalten kann, ist wenig erstaunlich. Dass er zudem praktisch begabt sein sollte, schon eher. Da musste etwa jede Speise erst mal püriert werden für den Bergedorfer Rollstuhlfahrer, der kein Gebiss mehr hatte, erinnert sich Heinz Dieter Bischoff: „Später bekam er noch neue Zähne, aber die mochte er nicht und hörte einfach mit dem Sprechen auf.“

Praxis war auch gefragt, als er drei Jahre lang einen Blinden begleitete. „Da musste ich schon mal Schränke reparieren, den Blindenhund füttern oder auch vor jedem Einkaufen sein Geld zählen.“ Allerlei Wunderliches und viel Schönes hat der heute 87-Jährige erlebt, der seit 20 Jahren imBergedorfer Hospizverein ist. So durfte er am vorletzten Tag eines Lohbrügger Dachdeckermeisters dessen Hand halten. Schön sei auch das Paar im Moosbergheim gewesen, das trotz seiner Demenz zärtlich miteinander gewesen sei.

Beim Tod der eigenen Mutter dabei

„Richtig zu schaffen aber machte mir die alte Dame im Behrmannstift, die kaum noch Luft bekam. Die tat mir leid. Aber ich durfte ihr immer die Füße massieren“, so Bischoff, der auch seine eigene Mutter ableben sah: „Sie ist auf der Toilette gestorben. Ich wollte eigentlich gerade zum Chor gehen.“

Berührungsängste mit dem Tod hat der freundliche und humorvolle Mann definitiv nicht. Weil er das Leben kennt – und viele Menschen. Aus dem Jungen, der auf der Veddel zur Welt kam, wurde zunächst ein Tischler. Dann besann er sich anders und ließ sich zum Diakon ausbilden. Nach einem ersten Einsatz in Horn folgten Jugendarbeit in Reinbek und fünf Jahre als Suchttherapeut in Hummelsbüttel. „Und dann kam dieses schlechte Jahr“: Heinz Dieter Bischoff holte Haftentlassene im Fuhlsbütteler Gefängnis ab und begleitete sie zu einer Mietwohnung in Eimsbüttel. „Aber das war enttäuschend, denn nach nur einer Nacht waren die meistens wieder abgehauen.“

Bis heute reichlich Ehrenämter

1978 schließlich landete er als Diakon in der Nettelnburger Bugenhagengemeinde, wo er bis zur Rente blieb. Aber was dann? Langweilig hätte ihm eigentlich nicht werden können: Zu seinem Amt als Bergedorfer Vertreter im Landesseniorenbeirat und dem Besuchsdienst der Nettelnburger Geburtstags-Senioren kam noch ein weiteres Ehrenamt: „Bis heute besuche ich zweimal pro Woche die Altenpension Philipps an der Wentorfer Straße, gebe Sing- und Bibelstunden“, erzählt Bischoff.

Inzwischen habe er Bilanz gezogen: „Ich habe insgesamt 20 sterbende Menschen besucht, dazu sechs Trauerbegleitungen gemacht.“ Zu Letzteren zählte etwa der Bergedorfer Polizist, der ihm beim Friedhofsspaziergang zu seiner verstorbenen Frau einiges aus dem Job erzählte: „Der litt unter vielen Traumata, hatte Menschen ohne Kopf gesehen.“

Manchmal hilflos zusehen

Doch längst nicht jeder sei zugänglich gewesen für die tröstenden Hilfsangebote des Hospizdienstes: „Aus dem Nettelnburger Konfirmandenunterricht kannte ich noch einen Jungen, der sehr depressiv war, nachdem sein kranker Zwillingsbruder gestorben war. Wir hatten über das DRK sogar eine Therapie gefunden, die bei ihm zu Hause stattgefunden hätte.“ Doch der junge Mann lehnte ab: „Tja, dann kann man eben einfach nicht helfen“, resümiert Bischoff.

Der 87-jährige Nettelnburger will sich jetzt lieber freudigeren Themen widmen, etwa seinen beiden Kindern und den sieben Enkeln. Daher verabschiedete er sich beim Hospizverein an der Riehlstraße 64 und wünschte den neun frisch ausgebildeten Sterbebegleitern ein glückliches Händchen.

„Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit dem Kreislauf von Geburt, Leben und Sterben. Jetzt möchte ich nicht nur lesen, sondern auch praktische Erfahrungen sammeln“, sagt die Verwaltungsangestellte Daniela Hoops, die nun ihre Arbeit im Hospizverein aufnimmt. Die 42-jährige Bergedorferin, die während ihrer sechsmonatigen Ausbildung schon eine Seniorin im Moosbergheim besuchte, ist sicher: „Ich kann vorlesen und zuhören. Wenn es sein muss, auch singen.“

„Das ist eine Aufgabe“

Und was hat Frank Kochius dazu bewegt, nun Hospizarbeit zu leisten? „Mein Arbeitsleben war menschlich relativ kalt. Jetzt möchte ich Wertschätzung und Toleranz erleben, den Menschen etwas von mir geben und einfach da sein“, sagt der Elektroniker aus Tatenberg. Als „frischer Rentner“ ist der 64-Jährige beim Hospizverein vor allem deshalb willkommen, weil er der einzige Mann im neuen Team ist – und er besonders gut schweigen kann.

Jedenfalls sind sich alle einig, dass es sich hier keineswegs um ein reines Hobby handelt: „Das ist eine Aufgabe“, wissen die neuen Sterbebegleiter, deren Koordinationsteam auch für Supervision sorgt, wenn es mal Probleme gibt.

Der Bergedorfer Hospizdienst ist rund um die Uhr unter Telefon 040/72 10 66 72 erreichbar. Und die derzeit 24 Begleiter freuen sich, wenn Angehörige frühzeitig an sie denken – nicht erst, wenn schon absehbar ein Bestatter gerufen werden muss.