Lohbrügge. Der Verein hat einen neuen Vorstand. Auch ein Arzt aus Winterhude ist jetzt dabei. Was auf einen Sterbe- und Trauerbegleiter zukommt.
Sie sei immerhin länger als Angela Merkel im Amt gewesen, meint Dr. Anne-Marie Stüven schmunzelnd. Nach 17 Jahren als Vorstandsvorsitzende des Bergedorfer Hospizvereins wollte die Hausärztin nun aber mal „ein paar Ehrenämter abgeben“, so die 55-Jährige aus Nettelnburg. Dabei hat der 2001 gegründete Verein mehr zu tun denn je: Die Hemmschwelle, angesichts eines nahen Todes um Unterstützung zu bitten, ist etwas geringer geworden, die Menschen werden mutiger. Immerhin 16 Trauer- und 30 Sterbebegleitungen waren im vergangenen Jahr gewünscht.
Natürlich sei es auch durch Corona zu mehr Anfragen gekommen: „Manche Menschen konnten sich gar nicht verabschieden, die haben sich zuletzt an der Tür zur stationären Aufnahme gesehen“, weiß Stüven, die weiterhin im Bergedorfer Palliativ-Team arbeitet.
Trauerbegleitung: Verein will die Ehrenamtlichen des neuen Hospizes ausbilden
Manches hat sich verändert angesichts neuer Aufgaben: Aus einer hauptamtlichen Kraft etwa wurden zwei Koordinatorinnen. Auch der Vorstand hat inzwischen mehr Arbeit und wird von vier auf sechs Mitglieder verstärkt. Den Vorsitz übernimmt nun Maren Schönfeldt. Die ehemalige Lehrerin an der Haupt- und Realschule Curslack/Neuengamme ist seit knapp zehn Jahren als Schriftführerin dabei. Sie hat das Hospiz im Blick, das mit 16 Betten am Gräpelweg entstehen soll: „Wir wollen als Gesellschafter mitmachen und könnten die Ehrenamtlichen ausbilden. Zunächst aber braucht es viele Spenden für die Baukosten“, sagt die 75-Jährige.
Die 60 Mitglieder des ambulanten Hospizdienstes sind alle über 60 Jahre alt, nicht aber die aktuell 39 Sterbebegleiter: Zwischen 28 und 87 Jahre sind sie alt, zuletzt ließen sich mehr Berufstätige ausbilden. Das indes ist eine große Belastung, wenn noch die Kinder versorgt werden müssen, vielleicht die eigenen Eltern pflegebedürftig sind.
Helfer werden manchmal erst nur drei Tage vor dem Tod gerufen
Die wöchentliche Sterbebegleitung kann anstrengend sein, mal werden die Helfer nur drei Tage vor dem Tod gerufen. Im Durchschnitt aber sind es doch vier bis sechs Monate, bis zumeist der Tumor die Oberhand gewinnt oder die neurologische ALS-Krankheit (Amyotrophe Lateralsklerose).
Er würde niemals sagen: „Nutzen Sie die letzten drei Monate.“ Darüber hat sich Dr. Jörn Kremer schon immer aufgeregt: „Ich habe Menschen getroffen, die zwei Jahre statt der angekündigten sechs Monate weitergelebt haben“, meint der Gynäkologe, der seit 17 Jahren eine Praxis in Winterhude betreibt.
Vom Arbeiterkind zum Gynäkologen mit eigener Praxis
Aufgewachsen in Rahlstedt, zog er im Jahr 2000 nach Kirchwerder, lebt jetzt seit 2012 in Bergedorf mit seiner Frau, die als Kinderkrankenschwester bei der Mütterberatung im Bergedorfer Gesundheitsamt arbeitet. Die eigenen beiden Kinder sind aus dem Haus, „jetzt kann ich der Gesellschaft etwas zurückgeben“, sagt der 57-Jährige – und erinnert dankbar: „Als Arbeiterkind habe ich von der Gleichberechtigung in den 1960er-Jahren profitiert. Mein Vater war Zimmermann, meine Mutter arbeitete in der Gastronomie. Trotzdem durfte ich aufs Gymnasium und Dank BAföG mein Medizinstudium machen.“
Nun also ist er neu dabei – und war doch „vorher noch nie in irgendeinem Vorstand“. Aber er könne gut strukturieren „und Sachen auf den Punkt bringen, ohne sie zu zerfasern“. Das Zuhören zudem habe er in seiner monatlichen Männergruppe gelernt: „Da können wir uns fallenlassen und auch mal private Probleme besprechen. Oder darüber, wie sich das Männerbild in der Gesellschaft verändert hat“, sagt der Hypnose-Therapeut.
„Wir erfragen, was die Menschen bauchen, was ihnen noch wesentlich ist“
Bis zum Lebensende wolle er lernen, brauche alle zehn Jahre eine neue Aufgabe. Zuletzt war sie eher mechanisch: Ich habe meinen Fiat Spider von 1967 restauriert.“ Ist es da weit bis zu den meist betagten Menschen, die ebenfalls lieb versorgt werden wollen?
„Wir erfragen, was die Menschen bauchen, was ihnen noch wesentlich ist“, sagen auch Gisela Hahne und Ute Meyer. Ganz neu im Vorstand kamen jetzt die Sterbebegleiterin Notburga Saam und Susanne Lohnzweiger dazu, die die Hotline betreut: Wer unter 040/72 10 66 72 anruft, wird rund um die Uhr einen Ansprechpartner erreichen.
Und natürlich braucht auch der Verein selbst Helfer: Menschen, die zeitlich belastbar sind und an der jährlichen Ausbildung teilnehmen, die gemeinsam mit dem Reinbeker Hospizdienst angeboten wird. Und Menschen mit Geld, denn auch die Miete der Vereinsräume an der Riehlstraße 64 wird durch Spenden finanziert. Übrigens: Jede Trauerbegleitung in Einzelgesprächen ist kostenfrei und unabhängig von der Religion und der Weltanschauung des Betroffenen.