Hamburg. Zwölf Vögel wurden 2020 und 2021 vom Nabu Hamburg und der Uni Kiel mit Sendern ausgestattet. Nun liegen erste Daten vor.
Die Vier- und Marschlande sind Hamburgs unangefochtene Storchenhochburg: 29 von insgesamt 30 Paaren, die im vergangenen Jahr erfolgreich Nachwuchs auf Hamburger Stadtgebiet ausgebrütet und aufgezogen haben, hatten ihr Nest im Landgebiet. Um mehr über das Verhalten der Frühlingsboten zu erfahren, hat der Naturschutzbund (Nabu) Hamburg gemeinsam mit der Universität Kiel in den vergangenen Jahren insgesamt zwölf Vögel mit Sendern ausgestattet.
Die Nahrungssuche der Vögel steht dabei im Fokus. So soll herausgefunden werden, welche Flächen sie auf der Suche nach Futter am häufigsten aufsuchen. Fragestellungen wie: „Werden Vertragsnaturschutz- und Ausgleichsflächen von Störchen als Nahrungsflächen bevorzugt?“ oder „Fliegen Störche geräumte Gräben oder spät gemähte Wiesen besonders häufig an?“ sollen dabei beantwortet werden, erklärt Nabu-Referent Dr. Christian Gerbich. Daraus ließen sich dann gegebenenfalls Handlungsempfehlungen ableiten: „Wir möchten erfahren, was wir tun können, um die Störche und auch andere Tiergruppen zu unterstützen“, sagt Dr. Christian Gerbich.
Nabu Hamburg: Erste Erkenntnisse zur Nahrungssuche der Störche
Nun liegt die erste wissenschaftliche Auswertung der gesammelten Daten vor: Eine Studentin der Universität Kiel hat in ihrer Masterarbeit Bewegungsdaten aus in den Jahren 2020 und 2021 besenderten Störchen näher betrachtet, um eine sogenannte Nahrungshabitatanalyse anzufertigen. Allerdings steht die wissenschaftliche Auswertung der Daten noch ganz am Anfang.
Denn in den beiden betrachteten Jahren konnten jeweils sechs Vögel erst im Mai oder Juni besendert werden, wodurch wiederum überhaupt erst im zweiten Jahr die Daten von sechs Vögeln aus einer kompletten Brutsaison (etwa Februar bis August) ausgewertet werden konnten. Es sei demnach zwar eine ausreichend große Stichprobe, bei der Gewichtung der Erkenntnisse müsse man aber dennoch vorsichtig sein, gibt Christian Gerbich zu bedenken.
Interessante Erkenntnisse lassen sich aber allemal ableiten: Etwa, dass die Vögel zu Beginn der Brutsaison auf der Suche nach Nahrung auch weitere Strecken in Kauf nehmen und sich auch längere Zeit von ihrem Nest entfernen. Sind die Küken aber erstmal geschlüpft, haben es die Elterntiere offenbar wesentlich eiliger, zu ihren Nestlingen zurückzukehren: Der Flugradius rund ums Nest ist dann deutlich kleiner und auch die Zeit, in denen sie sich auf ihren Flügen vom Nest entfernen, ist kürzer.
Aus Ostziehern können auch noch Westzieher werden
In ihren Flugmustern zeigen die Störche deutliche Unterschiede: Während einige bei der Nahrungssuche bevorzugt in eine Richtung aufbrechen, bildet sich wiederum bei anderen ein fast kreisrunder Radius um das Nest. Auch das könnte intensiver ausgewertet werden, weil sich daraus gegebenenfalls ableiten lässt, auf welchen Flächen die Störche am meisten Nahrung finden, erklärt Christian Gerbich.
In jedem Fall zeigen die Daten der ausgewerteten Stichprobe, dass der Bewegungsradius der Störche größer ist als bisher angenommen: Die hauptsächlich als Nahrungsgebiet genutzte Fläche variiert von Storch zu Storch. Das kleinste Nahrungsgebiet eines der besenderten Störche liegt im Umfeld von 700 Metern um den Horst. Das größte Nahrungseinzugsgebiet beträgt hingegen 2000 Meter um den Neststandort. Dies könnte zumindest ein Hinweis darauf sein, dass der gesetzliche Mindestabstand eines Windrads zu einem Storchenhorst mit 1000 Metern noch zu gering ist, erklärt Christian Gerbich.
Zudem stellte „Mimi“ unter Beweis, dass ein Storch vom Ost- zum Westzieher werden kann. Zuvor habe man angenommen, dass es bei einem Storch in erster Linie genetisch verankert sei, ob er auf dem Weg ins Winterquartier die Ostroute über den Balkan und Türkei nach Afrika wählt, oder ob er nach Westen in Richtung Spanien oder noch weiter über Marokko nach Afrika zieht. Während der Vogel zuvor noch die Ostroute wählte, flog „Mimi“ in dieser Wintersaison über die Straße von Gibraltar und Marokko bis nach Mali. Mittlerweile befindet sich der Storch schon wieder auf Kurs nach Norden: Am 6. Februar wurde Mimi zuletzt östlich von Agadir (Marokko) geortet.
Schon fünf Senderstörche sind tot oder verschollen
Die Masterarbeit soll als Basis und Vorstudie gewertet werden, auf der künftig weitere wissenschaftliche Auswertungen aufbauen sollen, erklärt Christian Gerbich. Mittlerweile musste der Nabu aber bereits den Verlust von fünf Senderstörchen verzeichnen: Ein Storch verfing sich in der Türkei in einem Fischernetz und ertrank, in der Nähe des Nils und im Tschad verlor sich das Signal von zwei weiteren Störchen, und zwei Senderstörche wurden in Frankreich sowie in der Nähe von Delmenhorst vermutlich von Windkraftanlagen getötet.
Ein Verlust von mehr als 40 Prozent in zwei Jahren sei schon ernüchternd, wenn man die Quote hochrechne und bedenke, dass von den Jungvögeln sowieso etwa 50 Prozent das erste Jahr nicht überleben, erklärt Christian Gerbich. Trotzdem soll das Hamburger Besenderungsprojekt unbedingt fortgeführt werden und die Stichprobe auch möglichst wieder auf zwölf Störche wachsen.
Doch allein der Sender kostet 2500 Euro pro Stück. Hinzu kommen die Kosten für die Datenübertragung und die Bereitstellung der Karte im Internet. Neben zugesagten Spenden von Privatpersonen hoffe der Nabu daher auch noch auf die Unterstützung von Stiftungen, um das Projekt zu finanzieren. „Wir hoffen, dass wir im Juni startklar sind, um dann wieder fünf Vögel zu besendern“, sagt Christian Gerbich.
Erster Frühlingsbote war offenbar ein Einzelfall
Ungewöhnlich früh war in diesem Jahr ein Storch auf den Horst auf dem Hof Eggers zurückgekehrt. Bereits Mitte Januar, und damit etwa vier Wochen früher als die ersten Heimkehrer in den vergangenen drei Jahren, war der Vogel auf dem Bio-Hof in Kirchwerder gesichtet worden. Die frühe Rückkehr scheint aber kein Trend, sondern eher ein Ausreißer zu sein. Denn bislang ist es in diesem Jahr bei dem einen Storch in den Vier- und Marschlanden geblieben, berichtet Christian Gerbich.
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Bei den Senderstörchen hat derzeit Alexander den Schnabel vorn: Der Storch ist allerdings auch – wie schon in den Jahren zuvor – der einzige der Gruppe, der in Europa überwintert hat. Fand er Nahrung auch schon mal auf einer Müllkippe in der Nähe von Madrid, hatte er sein Winterquartier in dieser Saison in Saragossa aufgeschlagen. Mittlerweile ist er bereits in Frankreich.
Bei den Ostziehern hat Jan derzeit den kürzesten Weg bis in die Vierlande – auch wenn der immer noch mehr als 3000 Kilometer beträgt: Am 6. Februar wurde Jan zuletzt an der Spitze der Sinai-Halbinsel geortet. Seine Artgenossen fühlen sich derweil offenbar noch ganz wohl in wärmeren Gefilden: Sie wurden zuletzt im Tschad und Sudan geortet.
Der Flug der Störche kann live im Internet verfolgt werden unter https://karten.nabu.de/WhiteStorks-Hamburg///