Hamburg. In Kirchwerder wird Hamburgs Geschichte erlebbar. Im Lockdown fehlen die Besucher. Verein benötigt dringend Geld für Sanierungen.

Axel Strunge, seit der Gründung im Jahr 1999 Vorsitzender des Vereins Riepenburger Mühle, verbringt einen Großteil seiner Freizeit in dem denkmalgeschützten, zweistöckigen Galerie-Holländer von 1828. „Es gibt immer etwas zu tun“, sagt der 52-jährige Bergedorfer. Dabei macht die Pandemie es auch den 14 Mitgliedern des Vereins nicht leichter: Sie können nur mit maximal drei Personen (zwei aus einem Haushalt plus eine weitere) in der Mühle arbeiten, meist ist Strunge allein am Werk.

Es gibt keine Führungen, der Mühlenladen inklusive Verkauf von Backmischungen, Mehl und Ölen ist geschlossen. Dadurch entgeht dem Verein dringend benötigtes Geld. Geschlossen sind auch das benachbarte Café Molina und die Kunsthandwerkerei. Beide sind Mieter des Vereins auf dem Gelände am Kirchwerder Mühlendamm 75.

Hamburgs älteste Windmühle fehlen in Corona-Krise die Besucher

Die Mühle „Boreas“, benannt nach einem griechischen Gott des Windes, ist nicht nur Hamburgs älteste und größte Windmühle, betont Strunge. „Sie stellt auch Hamburgs ältesten noch an selber Stelle existierenden Gewerbebetrieb dar.“ Denn vor dem Galerie-Holländer inmitten der Domäne Riepenburg gab es dort bereits drei Bockmühlen – seit 1318. „Die maroden Mühlen wurden immer gleich erneuert.“

Für ihn bedeute die Arbeit in der Mühle auch Entschleunigung, sagt der 52-Jährige. Sein Geld verdient er als Schiffmeister im Hamburger Hafen, ist dort zuständig für die Abfertigung von Containerschiffen. Strunge ist gelernter Gas- und Wasserinstallateur, Bauklempner und Dachdecker.

Walzenstuhl aus dem Wendland soll nun in Kirchwerder Getreide mahlen

In den vergangenen zwölf Monaten arbeitete der Herr der Mühle vor allem an einem sogenannten doppelten Walzenstuhl. Die 3,5 Tonnen schwere Vorrichtung aus den 1930er-Jahren besteht aus einem Holztrichter im ersten Stockwerk und zwei Stahlwalzen darunter, in denen das Getreide gemahlen wird.

Der Verein kaufte den Walzenstuhl zu einem Freundschaftspreis vom Müller der inzwischen aufgegebenen Dammmühle Calvörde im Wendland. Die Anlage wird mit einem Elektromotor angetrieben, dem Flautenschieber. „Früher nutzte man so etwas bei Windstille, heute ist es die Regel“, sagt Strunge.

Axel Strunge (52), Vorsitzender des Vereins Riepenburger Mühle, vor dem neu eingebauten Walzenstuhl im Innern der Windmühle.
Axel Strunge (52), Vorsitzender des Vereins Riepenburger Mühle, vor dem neu eingebauten Walzenstuhl im Innern der Windmühle. © Thomas Heyen

„Habe jede Schraube handpoliert, alle Elemente neu lackiert“

Vergangenen Sommer wurde der Walzenstuhl aus der Mühle im Wendland ausgebaut und in seine Einzelteile zerlegt. „Ich habe jede Schraube handpoliert, alle Elemente wurden gesandstrahlt, grundiert und neu lackiert.“ Den gusseisernen Korpus – er allein wiegt eine Tonne – setzten die Männer auf einen hölzernen Unterbau und schoben ihn mit einem Hubwagen an den neuen Standort. Um ihn im Erdgeschoss der Mühle montieren zu können, wurde ein Loch in die Holzdecke gemacht und ein Kettenzug befestigt.

Der Original-Walzenstuhl war 1888 in die Mühle gebaut worden. „In den 1950er-Jahren hat man ihn ausgebaut und verkauft oder verschrottet.“

Neben dem Walzenstuhl wurde einen Mischer montiert

Doch noch ist der Walzenstuhl, mit dem in Kirchwerder Getreide gemahlen werden soll, nicht betriebsbereit: „Die Walzenlager müssen von einem Mühlenbauer gewechselt werden. Wir bauen die beiden Elektromotoren ein und lassen sie von einem Elektriker anschließen. Außerdem müssen wir noch die Pneumatik, ein Sauggebläse und den Kleinplansichter installieren.“ Der besteht aus neun übereinandergelegenen Sieben, die das Vollkorn in seine Bestandteile auftrennen – etwa grobe und feine Kleie, Dunst, Mehl und Gries.

Neben dem Walzenstuhl montierten Strunge und Mitarbeiter einer Mühlenbau-Firma einen Mischer, der Getreide aus den verschiedenen Mahlvorgängen zu einem homogenen Mehl vermischt.

Probleme bereitet dem Verein ein hohes Maß an Bürokratie

„Wir wollen hier eine lebendige Mühle haben“, sagt Strunge. „Sie muss laufen, sonst steht sie sich tot. Außerdem gibt es auch weniger Probleme mit Schädlingen im Holz, wenn die Mühle in Betrieb ist.“ Strunge ist froh, inzwischen einen ausgezeichneten Gewerbemüller im Verein zu haben. „Er bringt als Windmüller viel Wissen mit ein.“

Probleme bereiten dem Verein ein hohes Maß an Bürokratie und Pflichttermine: „Wenn die Feuerwehr sich zu einer Brandverhütungsschau anmeldet oder die Wasserwerke den Zähler eichen wollen, muss man sich dafür schnell mal einen Tag Urlaub nehmen.“

Gesucht werden Sponsoren für notwendige Sanierungen

Die hohen Getreidepreise zwingen die Mühlen-Freunde zur Sparsamkeit: „Früher haben wir bei Vorführungen für Besuchergruppen Getreide zu Mehl gemahlen und gelegentlich auf dem Kompost entsorgt – auch, weil ein Verkauf des Mehls rechtlich nicht eindeutig geklärt war.“ Nun herrsche Klarheit, können Besucher das „Vorführ-Mehl“ erwerben. Strunge: „Sonst könnten wir uns solche Vorführungen auch nicht mehr erlauben.“

Der Chef des Mühlenvereins kümmert sich derzeit auch darum, Finanziers für notwendige Sanierungen zu finden: Im Holz der Galerie gibt es – „trotz aller Pflegemaßnahmen“ – Längsrisse und Pilz. Das Mauerwerk muss neu verfugt werden, im Putz der ehemaligen Dampfmühle (heutiges Café) haben sich Risse gebildet.

Die letzte Grundsanierung kostete knapp 1,5 Millionen Euro

Die Rücklagen des Vereins, etwa aus den Mietzahlungen von Café- und Kunsthandwerkerei-Betreibern, würden für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen nicht ausreichen, sagt der 52-Jährige. „Unser Geld benötigen wir, wenn mal eine neue Heizung in den Objekten der Mieter notwendig ist oder für Versicherungen, die allein schon mit mehreren Tausend Euro im Jahr zu Buche schlagen.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Die letzte Grundsanierung erfolgte von 2001 bis 2007 und kostete knapp 1,5 Millionen Euro. Finanziert wurde sie unter anderem vom Denkmalschutzamt, Stiftungen und durch den Verein, dessen Mitglieder auch kräftig mit anpackten. Damals wurden die hölzerne Kappe mit Blecheindeckung, die Galerie, Mauerwerk, Elektrik und Anbauten erneuert.

Im Lockdown fehlen den Ehrenamtlichen die Besucher

Doch auch in den Jahren danach kam nie Langeweile bei Strunge seinen Mitstreitern auf: Sie erneuerten Böden und Treppen, bauten Müllerei-Maschinen ein oder verputzten Wände – zu all dem „Kleinkram“.

Der Verein nahm vor 20 Jahren ein Darlehen auf, um die Mühle noch für 260.000 D-Mark – inklusive Steuern und Gebühren – von der Stieftochter des letzten Müllers zu kaufen. „In etwa zwei Jahren ist alles abbezahlt“, sagt Vereinschef Strunge. Er sei sehr „stolz auf dieses Projekt“.

Was fehlt außer finanzkräftigen Sponsoren? In Corona-Zeiten die interessierten Menschen, die für die Ehrenamtlichen stets auch Anerkennung bedeuten: „Wir würden gern wieder Besuchern zeigen, was wir hier leisten!“

Kontakt: riepenburger-muehle.com