Axel Strunge bewahrt die Riepenburger Mühle in den Vier- und Marschlanden. In den vergangenen zehn Jahren hat der 42-Jährige viel bewegt.

Hamburg. Frischer Wind treibt weiße Wolken über den strahlend blauen Frühlingshimmel. Das ist ein Tag so ganz nach dem Geschmack von Axel Strunge: "Ideales Mühlenwetter. Der Wind kommt aus Nordwest mit Stärke 4." Behände klettert der 42-Jährige in seiner selbst kreierten Müllerkluft aus Jutehemd, dicker Cordweste und Seglermütze die fünf Stiegen zum Kappenboden der Riepenburger Mühle in Kirchwerder hinauf.

Er löst den Klappenknecht - den Sicherheitsriegel - und fettet die Flügelwelle, damit alles wie geschmiert läuft. Dann steigt er die schmalen Holzstiegen zur Galerie hinab, zieht an der langen Eisenkette, die vom Kopf der Mühle hinunterhängt, und löst so die Bremse.

Jetzt greifen die Kräfte der Natur: Schwerfällig polternd, setzt sich das fünf Tonnen schwere Flügelwerk in Bewegung und nimmt mächtig Schwung auf. Das gesamte Gebäude beginnt unter der Wucht der Flügel zu vibrieren.

Strunges Augen glänzen vor Stolz: "Schätzen Sie mal, welche Fläche die haben. So groß wie ein ganzer Tennisplatz." Dass die Flügel trotz wechselnder Winde gleichmäßig rotieren, ist einem faszinierenden Mechanismus zu verdanken: "Mit der wachsenden Fliehkraft öffnen sich die metallenen Lamellen an den Flügeln wie eine Jalousie und geben so dem Druck nach", erläutert Strunge die Steuerung. Innen rotieren hölzerne Zahnräder, Transmissionsriemen übertragen die Kraft auf das Getriebe, das den Mahlstein bewegt.

Kraftmaschinen haben den Bergedorfer Jung schon von klein auf in seinen Bann gezogen. "An Wind- und Wassermühlen führte bei uns kein Weg vorbei. Ich musste einfach immer reingucken." Den Müllern in den Vier- und Marschlanden, die es früher noch gab, hat er ein Loch in den Bauch gefragt. So wuchs in dem Vorarbeiter, der im Hamburger Hafen die Schichten zur Be- und Entladung von Containerschiffen steuert, im Privatleben ein Mühlenexperte heran, der profundes Wissen über Getreide, Mehlqualitäten, technische Daten, das harte Müllerleben und Mühlengeschichte ansammelte.

Als sich 1990 mit Urenkel Karl-Heinz der letzte Müller der Familie Busch zur Ruhe setzte, war die Zeit für Strunge gekommen, seinen Kindheitstraum wahr werden zu lassen. Er gründete mit einigen Fans einen Verein, kaufte die Mühle vom Typ "Holländer Galeriemühle", bei der sich der obere Teil drehen lässt. Hier hatten die Buschs zuletzt noch Futtermittel hergestellt. Strunge rettete die Mühle vor Zwangsversteigerung und Umnutzung.

In den vergangenen zehn Jahren haben Strunge und seine Mitstreiter viel bewegt. Mit Geld der Stiftung Denkmalschutz und der Stadt Hamburg wurde die Mühle restauriert. In jahrelanger Kleinarbeit hat auch der Verein Hand angelegt, Teile alter Mahlwerke in abbruchreifen Mühlen aufgestöbert und hier fachgerecht eingebaut. Doch dabei ist es nicht geblieben: "Herr Müller", wie er von den Besuchern seiner Mühlentage, jeweils dienstags und donnerstags, gern genannt wird, hat den Maschinenpark ausgebaut. Eine Quetsche für Getreideflocken, Röstmaschine und Schneckenpresse zum Herstellen von Öl ergänzen den Gerätepark.

Besonders Interessierte dürfen einen Blick in die Schatzkammer der Mühle werfen. Hier im neuen Norddeutschen Mühlenarchiv lagern kostbare Zeugnisse der einst 400 Mühlen, die sich in Hamburg und Schleswig-Holstein drehten: Hunderte Fotos zeugen vom Schicksal des Handwerks.