Hamburg. 185 Jahre wird der Männerchor alt. Und will zur Feier ganz neue Wege gehen. Was der renommierte Chorleiter Stephan Sieveking plant.
Es soll ein rauschendes Fest werden, wenn die Bergedorfer Liedertafel von 1838, einer der ältesten Männerchöre im Hamburger Chorverband, ihr 185-jähriges Bestehen feiert – zunächst am 17. September dieses Jahres mit geladenen Gästen im Bergedorfer Spiegelsaal, anschließend aber auch mit einem öffentlichen Konzert.
Und natürlich muss das Dutzend Stimmen bis September noch kräftig üben, schließlich sind gut 100 Lieder in ihrem Repertoire. „Allerdings hat Corona große Spuren hinterlassen, wir sind gerade mal so stimmfähig“, meint Stephan Sieveking, der vor einem Jahr die Chorleitung übernommen hat. Der 49-Jährige hat große Pläne und rührt die Werbetrommel, um einen Projekt-Chor zu gründen.
185 Jahre Bergedorfer Liedertafel: Jetzt wird auf Platt gerappt
„Wir wollen ein bisschen experimentell werden“, kündigt Sieveking das erste Treffen am 22. August am. An fünf Dienstagen will er mit neuen Sängern bis zu acht Stücke einstudieren, jeweils von 19.30 Uhr an im Holstenhof an der Lohbrügger Landstraße 38. Der Workshop, bei dem sowohl Neueinsteiger als auch Sänger aus anderen Chören willkommen sind, bietet ein neues Format: „Wir wollen alte Ufa-Lieder aus den 20ern singen, Hits aus den 80ern und dazu auf Plattdeutsch rappen, zum Beispiel den Refrain vom Tüdelband.“
Eine Beatbox kommt zum Einsatz, dazu verstärkte Bass-Stimmen, aber niemand braucht Notenkenntnisse: „Ich werde vorab alle Stimmen einsingen und audiomäßig so servieren, dass man zum Beispiel im Auto üben und mitsingen kann“, sagt der Chorleiter, der auch verschiedene Stimm-Effekte einbauen will, zum Beispiel für das Lied „Mein Bruder macht im Stummfilm die Geräusche“.
Chorleitert Stephan Sieveking kommt aus der Musical-Szene
Ein wenig wie die Wise Guys oder die Kölner Band Basta könnte es sich anhören, wenn „Unter der roten Laterne von St. Pauli“ erklingt – im Mix mit der traditionellen Liedertafel, die Sieveking liebevoll als „Senioren-Mannschaft“ bezeichnet, während er nun eine „Erste Herren“ gründen will.
Im St. Pauli Theater übrigens saß Sieveking zuletzt am Klavier, wenn die „Dreigroschenoper“ gegeben wurde. Ursprünglich kommt er aber aus der Musical-Szene und hat „mindestens 50 Musicals gemacht, also ,Cats’ und ,Buddy Holly’ und die ersten zehn Jahre beim ,König der Löwen’“, erzählt der Mann, der heute in Eimsbüttel lebt.
Männer gesucht: Projekt-Chor trifft sich fünfmal zum Üben
Aufgewachsen in Altengamme, wirkte er in seiner Jugend an verschiedenen Oratorien der Kantorei Neuengamme mit. Nach dem Abitur am Luisen-Gymnasium begann die Karriere, die als musikalischer Direktor der Neuen Flora und des Theaters des Westens in Berlin gipfelte.
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Inzwischen schätzt Stephan Sieveking die Arbeit mit Chören. „Ich mache Musik, die Geschichten erzählt. Dabei wollte ich mich nie zwischen den verschiedenen musikalischen Stilrichtungen entscheiden müssen. Mein Anspruch ist, in sämtlichen Stilen improvisieren zu können“, so der 49-jährige Raucher, der auf viele neugierige Gesichter hofft, die sich dem Projekt-Chor anschließen: „Aber sie müssen über 18 sein, wir trinken in der Pause immer gern mal ein Bierchen.“