Hamburg. Hygiene-Institut wird zum Gedenkort seiner grausamen Vergangenheit. Ein großer Erfolg, vor allem für die Stadtteilschule Bergedorf.

Das Grauen der Vergangenheit steht an der Marckmannstraße bis heute in der Bibliothek: Mitten in Rothenburgsort, nur wenige Hundert Meter von der S-Bahnstation entfernt, sitzt zwar schon seit Jahrzehnten das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt. Doch es ist dieselbe Adresse, die bis 1982 das einstige zentrale Kinderkrankenhaus der Stadt hatte. Es ist der Schauplatz von mindestens 127 Morden an Säuglingen und Kleinkindern, die wegen ihrer körperlichen oder geistigen Behinderungen von der „Erbgesundheitslehre“ der Nazis als „lebensunwert“ eingestuft und bis 1945 von Ärzten und Krankenschwestern umgebracht wurden.

Die „wissenschaftliche“ Begründung dafür lässt sich hier noch immer finden. Unter Stichworten wie „Bevölkerungswissenschaft“ und „Bevölkerungspolitik“ steht sie in dicken Ordnern im Archiv des Hygiene-Instituts. Schließlich war das unter den Nazis auch für die Theorie der „Rassenhygiene“ zuständig. Doch für die Erinnerung an die Praxis des Grauens, die Sichtbarkeit der schrecklichen Geschichte dieses Ortes, musste sieben Jahre gekämpft werden. Erst am Dienstag, 24. September, wird der „Gedenkort für die Euthanasie-Opfer im ehemaligen Kinderkrankenhaus Rothenburgsort“ um 12 Uhr mit großem Festakt eingeweiht. Großen Anteil daran haben die Schüler der Stadtteilschule Bergedorf um ihren Lehrer Bernd Ruffer.

Nach über sieben Jahren Engagement: Endlich fester Gedenkort für die Euthanasie-Opfer der Nazis

„Dank an alle Beteiligten für das lange Beharren“, schreibt Ruffer jetzt in einer 20-seitigen Dokumentation der Initiative aus Bergedorf, die an seiner Stadtteilschule mittlerweile schon in den Händen der dritten Schülergeneration liegt. Nach unzähligen Unterrichtseinheiten, diversen Exkursionen, Künstler- und Historiker-Vorträgen sowie zwei selbstgeschriebenen Theaterstücken zum Thema Euthanasie ist nun endlich der Durchbruch gelungen: „Der von uns in einer Guerilla-Aktion einst initiierte ‚temporäre Gedenkort‘ vor dem mächtigen Backsteinbau an der Marckmannstraße wird mit einer dauerhaften Skulptur samt Erinnerungstafeln zu einer festen Institution.“

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Tatsächlich ist es der „Initiative Gedenkort Kinderkrankenhaus Rothenburgsort“, zu der neben der Stadtteilschule Bergedorf auch engagierte Experten wie die Historikerin Hildegard Thevs und der Künstler Wolfgang Wiedey gehören, mit ihrer Beharrlichkeit gelungen, ihr Projekt bis in die höchsten Ebenen der Stadt zu tragen. Die feierliche Einweihung am Dienstag wird mit einem Grußwort von Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer eröffnet, es gibt Vorträge unter anderem von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und Hamburgs Ärztekammer-Präsident Dr. Pedram Emami.

Ausblicke zur Zukunft des Gedenkens an die Kindermorde von Rothenburgsort geben Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, und natürlich auch Lehrer Bernd Ruffer. Den eindrucksvollsten Teil der feierlichen Einweihung des Gedenkortes übernehmen aber die Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Bergedorf: Beim gemeinsamen Gang über das Gelände des Hygiene-Instituts zur ehemaligen Kantine des Kinderkrankenhauses rufen sie die Namen aller 127 sicher belegten Namen der Babys und Kleinkinder aus, die an diesem Ort zu Tode kamen.