Hamburg. Im Ausschuss für Bildung und Sport können die Rechtspopulisten den Vorsitzenden vorschlagen. Nun kam es zur ersten geheimen Abstimmung.
Die AfD in Bergedorf wird bis auf Weiteres keinen Ausschuss der Bezirksversammlung leiten. Obwohl die Rechtspopulisten, die bei den Bezirkswahlen vom 9. Juni auf 14,4 Prozent kamen und viertstärkste Kraft wurden, nach gängiger Praxis im Ausschuss für Sport und Bildung das Zugriffsrecht auf den Vorsitz haben, fiel AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn bei der Abstimmung durch.
Das Ergebnis der geheimen Wahl war indes knapper, als zu erwarten gewesen war. Krohn erhielt sechs Stimmen, siebenmal wurde gegen ihn votiert. Da die AfD nur zwei Abgeordnete in den Ausschuss entsendet, müssen vier Vertreter der anderen im Ausschuss vertretenen Parteien – CDU (4 Abgeordnete), SPD (4), Grüne (2), Linke (1) – für den AfD-Politiker gestimmt haben.
CDU in Bergedorf stimmt für AfD-Politiker als Ausschussvorsitzenden
Anstelle von Krohn leitete letztlich Lars Dietrich (CDU) die erste Sitzung des neu zusammengestellten Ausschusses. Der 56-Jährige wurde als stellvertretender Vorsitzender in ebenfalls geheimer Wahl mit elf Jastimmen bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme gewählt.
Für Reinhard Krohn war es bereits die dritte Wahlniederlage innerhalb kürzester Zeit: Der Lohbrügger war zuvor bereits zweimal knapp als Stellvertreter im Bau- und Verkehrsausschuss gescheitert. „Ich finde dieses Verhalten der anderen Parteien unfair“, klagte der AfD-Fraktionsvorsitzende.
Bundesverfassungsgericht entscheidet: Geübte Praxis ist rechtens
Dabei handelt es sich um gängige Praxis in vielen Ausschüssen von Kommunalparlamenten bis hin zum Deutschen Bundestag. Und die ist seit Mittwoch höchstrichterlich legitimiert: Dass Kandidaten der AfD nicht zu Vorsitzenden gewählt wurden, verletzt die Rechte der Fraktion nicht, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Zwar müssten Ausschüsse die Zusammensetzung des Bundestags widerspiegeln, wenn sie Aufgaben des Plenums übernähmen oder dessen Entscheidungen vorbereiteten, entschied das Gericht im vorliegenden Fall. Das gelte aber nicht für organisatorische Funktionen wie Ausschussvorsitze. Die Abgeordneten dürfen also tatsächlich über den Vorsitz frei abstimmen.
Lars Dietrich (CDU): „Sehe keinen Grund, ihn nicht zu wählen“
Im Bergedorfer Ausschuss für Sport und Bildung haben mutmaßlich neben dem zweiten AfD-Politiker Udo Zimmermann und Krohn selbst die vier CDU-Abgeordneten für Reinhard Krohn als Ausschussvorsitzenden votiert. Auf Nachfrage erklärten jedenfalls SPD, Grüne und Linke, nicht für den AfD-Mann gestimmt zu haben.
„Kollege Krohn hat sich in fünf Jahren der Zugehörigkeit zur Bezirksversammlung keine verfassungs- oder grundgesetzfeindlichen Redebeiträge geleistet. Weil das Wählervotum nun mal das Zugriffsrecht für die AfD legitimiert, sehe ich keinen Grund, ihn nicht zu wählen“, begründete Lars Dietrich sein Abstimmungsverhalten.
Bergedorfer CDU will sich „inhaltlich-argumentativ“ mit AfD auseinandersetzen
Das bedeute aber keinesfalls, dass er die Positionen der AfD teile: Die Bergedorfer CDU habe verabredet, sich „inhaltlich-argumentativ“ auseinanderzusetzen. „Wir waren die einzigen, die ihre Ablehnung gegen AfD-Anträge auch am Rednerpult begründet haben“, sagt Dietrich.
Aus Bergedorfer SPD-Kreisen heißt es, dass die Union auf dieser Grundlage den Genossen im Vorgespräch geraten habe, Reinhard Krohn für den Vorsitz zu wählen. Doch da mochten die Sozialdemokraten nicht mitgehen. Aufgrund einer eigenen „Fraktionslinie“ habe das SPD-Quartett geschlossen gegen Krohn als Ausschusschef gestimmt.
AfD-Fraktionschef will sich erneut zur Wahl stellen
Dem Ausschussvorsitzenden obliegt laut Geschäftsordnung „die unparteiische Sitzungsleitung“ wie auch die Einladung zu den Sitzungen und die Zusammenstellung der Tagesordnung. Da die AfD durch das Wahlergebnis das Vorschlagsrecht für den Vorsitz habe, könne sie in jeder Sitzung erneut eine Wahl beantragen, erläutert Bergedorfs Verwaltungsdezernent Ulf von Krenski.
Genau das hat Reinhard Krohn nach seiner Nichtwahl angekündigt, wie auch erneute Abstimmungen für den Stellvertreterposten im Bau- und Verkehrsausschuss. Panisch werde er nicht, so Krohn: „Wir warten die Wahlwiederholungen erst mal ab, dann sehen wir weiter.“
Verwaltung sieht keine Probleme für Arbeitsfähigkeit des Ausschusses
Von Krenski hat in der nun vorliegenden Konstellation keine Befürchtungen um die Arbeitsfähigkeit des Sportausschusses: „Ich habe mir aus anderen Bezirken sagen lassen, dass das ohne Vorsitzenden bei manchem Ausschuss über eine volle Legislatur durchgehalten wurde.“
Und wenn Lars Dietrich mal ausfalle und bis dato kein Vorsitzender gewählt wurde, muss der Ausschuss für Sport und Bildung, der eh nur alle zwei Monate zusammenkommt, dann ausfallen? Nein, sagt Ulf von Krenski. Das Gremium könne jemanden aus seinen Reihen zum Interimsvorsitz wählen. Identische Verfahren gebe es dann auch in den Fachausschüssen ohne bisherigen Stellvertreter, wenn der Vorsitzende ausfalle.
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So mancher Politiker indes sorgt sich um die Arbeitsfähigkeit und Außendarstellung des Ausschusses, der beispielsweise Sportvereinen, aber auch Grundschulen als Sprachrohr für ihre oftmals ungehörten Bedürfnisse dient. Lenka Brodbeck, Fraktionschefin der Bergedorfer Grünen, ist entsetzt bis irritiert über die Ankündigung des AfD-Kollegen, sich womöglich immer und immer wieder für die Chefrolle des Gremiums zu bewerben. Gleichermaßen sei sie aktuell aber „erleichtert“, dass Reinhard Krohn, „der bisher durch schlechte Vorbereitung in der Bezirksversammlung und ungewöhnliche Ausführungen zur nationalsozialistischen Partei aufgefallen“ sei, nicht gewählt wurde.