Hamburg. Teilnehmer des internationalen Workcamps sprechen mit Dita Kraus. Hier berichten sie, warum die 95-Jährige sie beeindruckt hat.

15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus sieben verschiedenen Ländern kommen derzeit im Internationalen Workcamp in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zusammen. Gemeinsam wollen sie über deutsche Geschichte und den Rechtsruck in Europa sprechen. Wie genau ihre Arbeit abläuft und was sie im Workcamp erleben, werden die Freiwilligen selbst berichten. Den zweiten Beitrag liefern Lourdes Gonzalez Velasco aus Mexiko, Pannita Taktanikkul aus Thailand und Tran Nhat Tam Nhu aus Vietnam.

Als internationale Freiwillige, die wie wir aus Ländern kommen, die keine Hauptrolle im Zweiten Weltkrieg spielten, lernen wir diese Geschichte oft nur durch Bücher kennen. Aber nun war es anders. Wir hatten die Gelegenheit, mit der Holocaust-Überlebenden Dita Kraus zu sprechen und sie online zu treffen. Während wir uns für den Videocall im Studienzentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme versammelten, schaltete sich die 95-jährige Dita Kraus aus Prag zu.

Von Angesicht zu Angesicht mit der Geschichte: Holocaust-Überlebende erzählt

Zuerst hatten wir die Befürchtung, es würde ihr schwerfallen, ihre Geschichte zu erzählen, aber wir waren überrascht, wie offen Dita Kraus uns gegenüber war. Sie erzählte uns, wie sie mit 13 Jahren mit ihrer Familie aus Prag in das Getto Theresienstadt deportiert wurde, von dort nach Auschwitz, dann nach Hamburg in ein Frauen-Außenlager des KZ Neuengamme und schließlich in Bergen-Belsen befreit wurde.

Sie hat die Schrecken des Holocaust überlebt, aber ihren Vater im Konzentrationslager und ihre Mutter kurz nach der Befreiung verloren und beschreibt das Kriegsende, indem sie sagt: „Ich war 16 Jahre alt und ganz allein.“ Nach der Befreiung heiratete sie Otto Kraus, ebenfalls ein Überlebender, und wanderte mit ihren Kindern nach Israel aus. Trotz ihrer Vergangenheit hat sie sich ein Leben im Kreise ihrer Familie aufgebaut und Trost in der Malerei gefunden.

Live-Zeugnis und richtige Interaktion mit einer bemerkenswerten Frau

Die Gelegenheit, einer Überlebenden zuzuhören, und die Möglichkeit, ihr Fragen zu stellen, war etwas Besonderes für uns. Es war eine richtige Interaktion – keine Statistiken, keine Dokumentationen, Bücher oder wie wir sonst Geschichte lernen, sondern ein Live-Zeugnis, einer bemerkenswerten Frau, die ihre Stimme zu Bewusstseins-, Reflexions- und Bildungszwecken erhebt.

Die Teilnehmenden des Workcamps beim Gespräch mit Dita Kraus.
Die Teilnehmenden des Workcamps beim Gespräch mit Dita Kraus. © KZ-GEDENKSTÄTTE NEUENGAMME | KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Wir waren überrascht, wie ungerecht die Nachkriegszeit in Deutschland war. Zu erfahren, dass ehemalige Täter, beispielsweise Angehörige der SS, trotz des heftigen Widerstands der Überlebenden für ihren „Dienst“ Rente erhalten haben, ist uns unbegreiflich. Dita Kraus sagte, dass sie den Tätern nie verzeihen wird. Auch wenn sie Deutschen oder Deutschland heute keine Vorwürfe macht, hat sie lange gebraucht, bis sie wieder nach Deutschland reisen konnte und vor Deutschen sprechen konnte.

Bestärkt, sich mit den Schrecken der Vergangenheit auseinanderzusetzen

Das Gespräch hat uns darin bestärkt, uns weiter mit den Schrecken der Vergangenheit zu konfrontieren und über Trauma, Widerstandskraft, Hoffnung und Konsequenzen nachzudenken. Dita Kraus’ Erzählungen von Hunger, Schmerz, Verlust, Trauma und Angst sind keine Geschichte, die wir einfach vergessen können. Wir haben verstanden, dass es unsere Pflicht ist, sie lebendig zu halten.

Auf die Frage, was sie von der jüngeren Generation erwartet, sagte Dita Kraus lachend, denn sie hatte auf die Frage gewartet: „Jetzt ist es an euch der Beweis zu sein und eure Stimme zu erheben, wenn angezweifelt und abgestritten wird, dass es passiert ist.“ Gefragt danach, was sie sich wünscht, sagte Dita Kraus, dass wir aus ihren Erzählungen lernen: „Es ist ganz einfach, verbreitet keinen Hass.“ Sie ermahnte uns, tolerant zu sein, „Wir sind alle Menschen, und wir sind im Inneren alle gleich, unabhängig von der Religion, der Hautfarbe, der Sexualität.“

Über die Vergangenheit lernen, um eine bessere Zukunft zu schaffen

Wir wollen, dass sich die Welt verändert, dass die Opfer des Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieges nicht nur eine Nummer sind, sondern Menschen, die wertgeschätzt werden, und wir müssen unsere Stimme für sie erheben. Wir jungen Menschen von heute haben von schrecklichen Dinge erfahren, die während des Holocausts und Zweiten Weltkriegs passiert sind. Indem wir etwas über die Vergangenheit lernen, können wir daran arbeiten, eine bessere Zukunft zu schaffen.

Auch interessant

Eine Zukunft in der jeder mit Respekt und Würde behandelt wird. Jetzt ist es an uns diese Geschichten und Erfahrungen mit unserer Familie, unseren Freunden und der Gesellschaft überall zu teilen, um gegen das Vergessen zu arbeiten und Bewusstsein aller zu stärken, damit Hass nicht verbreitet wird.