Hamburg. Metin Hakverdi ist der USA-Experte der SPD-Fraktion. Wie der Bundestagsabgeordnete Donald Trump und Kamala Harris erlebt hat.

Mal widerwillig staunend, mal kopfschüttelnd und wohl auch entsetzt beobachten derzeit viele Europäer das fast schon bizarre Geschehen vor den US-Präsidentschaftswahlen im November 2024. Hier ein polternder Ex-Präsident, der knapp dem Tod durch ein Attentat entgeht und trotz vieler Unwahrheiten nahezu heldenhaft von vielen Republikanern verehrt wird, dort ein greiser Amtsinhaber, der nach vielen Aussetzern seine Kandidatur zurückziehen muss und seine Vize-Präsidentin zur Nachfolge vorschlägt: Fast täglich liefert der US-Wahlkampf neue Schlagzeilen. Und einer, der ganz nah dran ist, ist der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Bergedorf-Harburg: Metin Hakverdi (SPD).

Der Wilhelmsburger ist durch seine Arbeit in drei Gremien der USA-Experte in der SPD-Bundestagsfraktion – Mister Amerika sozusagen. Er war jüngst beim Parteitag der Republikaner dabei und wird demnächst auch beim Parteitag der Demokraten in Chicago sein. Kamala Harris hat er bereits zweimal getroffen, sogar mit ihr gesprochen und sagt: „Sie sprüht vor Energie und ist intellektuell sehr schnell und scharf.“ Ihre Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin gilt inzwischen eher als Formsache. Doch kann sie es schaffen, ihre vormals nicht sehr guten Beliebtheitswerte abzulegen und Trump zu besiegen?

Bergedorf-Harburger Bundestagabgeordneter ist der USA-Experte

„Das ist tatsächlich die große Frage“, sagt auch Metin Hakverdi. Der 55-Jährige beobachtet das Geschehen genau. Regelmäßig fliegt er in die USA, um dort Stimmungen einzufangen und Kontakte zu knüpfen – nicht nur zu Parlamentariern im Kongress, sondern auch in den Bundesstaaten. Der Bergedorf-Harburger Bundestagsabgeordnete spricht fließend Englisch, denn er hat einst nicht nur ein Highschool-Jahr in den USA verbracht, sondern auch ein Jahr Jura an der Indiana University studiert.

Kamala Harris habe nur noch gut 100 Tage Zeit, „um den Menschen in den USA zu zeigen, dass sie etwas bewegen kann, wenn sie an der Spitze steht“, stellt Hakverdi fest. Dazu müsse sie wohl noch dicke Bretter bohren. „Denn in diesem Wahlkampf geht es kaum noch um politische Inhalte“, von den Themen Inflation und Migration vielleicht abgesehen. „Es ist alles nur noch persönlich.“ Trump habe das Land und den Wahlkampf quasi gekapert und seine Bedingungen diktiert.

Parteitag in Milwaukee: „Das waren die Trump-Festspiele“

Inhaltlich habe der 78-Jährige nicht viel zu bieten – oder sage sogar die Unwahrheit. „Beispielsweise suggeriert er immer wieder, er habe in seiner Amtszeit den größten Teil der Mauer zu Mexiko gebaut.“ Das sei falsch, „er hat nur einen sehr kleinen Abschnitt bauen lassen“. Doch seine Fans, das wurde auch beim Parteitag der Republikaner deutlich, verzeihen Trump jede Unwahrheit, jede Entgleisung. Hakverdi war dabei und sagt: „Das waren die Trump-Festspiele, sehr nahe am Personenkult.“

Anders als Parteitage in Deutschland, sei die Veranstaltung so konzipiert, dass zahlende Delegationen aus den Bundesstaaten anreisen. Die parteiinternen Gegner bleiben zu Hause. Entsprechend kritiklos hat Hakverdi, der im selben Hotel wie die Delegation aus Maryland wohnte, die Stimmung wahrgenommen. In Gesprächen seien die Menschen „sehr nett“, in der Sache aber hart.

Kamala Harris wurde ihre große Angriffslust schon öfter vorgeworfen

Ob Kamala Harris es schafft, zumindest die unentschlossenen Wähler von sich zu überzeugen, muss sich nun zeigen. Metin Hakverdi hat die 59-Jährige 2019 zweimal getroffen und auch mit ihr gesprochen und weiß, dass die Kalifornierin „sehr überzeugend“ sein kann. „Und Trump ist es gar nicht.“

Doch weil es eben kaum um Inhalte gehen wird, werden die Kandidaten selbst ins Blickfeld rücken. Der Wahlkampf werde wohl „hart, persönlich und unangenehm“, fürchtet der Hamburger: „Von Trump ist keine Rücksicht zu erwarten.“ Doch während der Ex-Präsident das Aggressive kultivieren darf, wurde Kamala Harris ihre große Angriffslust schon öfter vorgeworfen. „Das kann sie erwischen.“

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Andererseits hat es Kamala Harris, obwohl noch nicht offiziell nominiert, es binnen weniger Tage geschafft, Rekordsummen an Wahlspenden zu sammeln. „Es gibt im Moment eine gewisse Euphorie“, stellt der USA-Experte fest. Diese Euphorie durch den Wahlkampf zu retten und weiterzutragen, ist nun die Hoffnung.

Wie wohl die meisten Europäer hofft auch Metin Hakverdi, dass Kamala Harris die nächste US-Präsidentin wird. Wäre sie doch ein deutlich verlässlicherer Partner für die Europäer. „Sie ist eine echte Transatlantikerin und glaubt daran, dass die USA, Deutschland und Europa zusammenarbeiten müssen“, so seine Einschätzung. Trump hingegen sei nur ein „Immobilienhändler aus New York“.