Hamburg. Mal mit, mal ohne Liebe: Bergedorfer Sachsentor-Buchhandlung über Reiselektüre, die sich gut in den Ferien lesen lässt.
In zwei Wochen starten die Hamburger Sommerferien, höchste Zeit also, um sich eine literarische Reiseroute auszutüfteln. Eher schweres Gepäck mit ein bisschen Intellekt im Hardcover? Oder lieber leicht Verdauliches im Taschenbuchformat? „Es muss ja kein völlig seichter Liebesroman sein oder mal wieder die Geschichte vom alten Tagebuch der Großmutter, das auf dem Dachboden gefunden wird“, meint Ulrike Kirschner. Die versierte Lese-Spezialistin aus der Bergedorfer Sachsentor-Buchhandlung hat ein paar spannende Buchtipps auf Lager, die für Strand oder Berge tauglich sind.
Eine vorzügliche Reise könnte beispielsweise nach Frankreich führen, dann über den Gotthardpass bis ins italienische Südtirol und durch das österreichische Kärnten zurück in die Heimat: Einen warmherzigen, melancholisch-klugen Roman zum Träumen hat Sophie Astrabie geschrieben über das Mädchen Billie, das so gern Skateboard fährt und bei ihrem Großvater lebt. In „Helle Sommer“ begegnet sie eines Sommers Maxime, dem fremden Jungen aus Paris. Und ja, natürlich soll es die große Liebe werden, aber „mehr mag ich nicht verraten“, sagt die Buchhändlerin.
Buchtipps für die Sommerferien von der Sachsentor-Buchhandlung
„Allen Tunnelbauern gewidmet“ hat Zora del Buono ihr Werk „Gotthard“, das den Bau des Schweizer Passes beschreibt – und was er mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer gemacht hat. „Sie hat eine feine Feder und kann mit wenigen Sätzen ein ganzes Leben skizzieren“, lobt die 63-Jährige.
Das Leben der Abelke Bleken, die um 1580 in den Marschlanden lebte, hat Jarka Kubsova bereits erzählt. Aber auch interessant sei ihr Romandebüt „Bergland“, das die Leser mitnimmt auf einen Hof in Südtirol, der an Feriengäste vermietet wird. „Der Roman ist supergut lesbar und hat viel Witz“, meint Ulrike Kirschner und führt gleich ein eher düsteres Gegenstück an.
Mit bösem, österreichischem Humor sei der ungewöhnliche Titel „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“ von Julia Jost bestückt. Hier sitzt die elfjährige Erzählerin unter einem Lastwagen und beobachtet die Welt. „Das ist gut geschrieben, aber da geht es um alte Nazis an der Grenze zu Slowenien. Das ist vielleicht zu krass als Urlaubslektüre.“
Acht Jahrzehnte später wiederholt sich eine ähnliche Geschichte
Wobei die Buchhändlerin durchaus solche Bücher mag, „an die man sich sonst nicht herantraut, weil sie zu dick sind und kompliziert wirken“. Ganz sicher nichts stilistisch Anspruchsloses sei der jüngste Roman von Isabel Allende (81) namens „Der Wind kennt meinen Namen“. Hier geht es zunächst um Samuel, der als Sechsjähriger aus dem von Nazis besetzten Österreich 1938 mit einem jüdischen Kindertransport nach England kommt.
Acht Jahrzehnte später wiederholt sich eine ähnliche Geschichte: Mit ihrer Mutter will Anita (7) der Gewalt in El Salvador entfliehen, doch an der Grenze zu den USA werden die beiden getrennt. „Die brutale Einwanderungspolitik ist hochaktuell. Es handelt sich um einen wirklich literarischen Schmöker“, sagt Kirschner, die gerade „auch viele gute US-Autoren“ für sich entdeckt.
Ein „Hammerbuch“ aus den Appalachen
Dazu zählt Barbara Kingsolver (69), die im vergangenen Jahr für „Demon Copperhead“ den US-amerikanischen Pulitzer-Preis für Belletristik erhielt: Zwischen Tabakfarmern und Schwarzbrennern zeigt der vorwitzige Junge mit kupferroten Haaren einen zähen Überlebenswillen – trotz Armut, Pflegefamilien, Drogensucht und erster Liebe. Das alles mitten in den Appalachen, einer riesigen, aber trostlosen Region, die sich von Georgia über Tennessee erstreckt, von Kentucky und Virginia bis nach Pennsylvania im Norden. Kirschner: „Das ist ein Hammerbuch!“
Im Buch „Hallo Du Schöne“ geht es um „vier Schwestern und die Sehnsucht nach Familie. Die Geschichte ist wirklich sehr berührend.“ Ähnlich bewegend ist auch „Leuchtfeuer“ von Dani Schapiro, da die Geschwister Theo und Sarah an der Last ihres Geheimnisses zu zerbrechen drohen: Als betrunkene Teenager hatten sie einen Autounfall in einem Vorort von New York. „Aber es geht nicht düster aus. Ich hoffe ja immer, dass es noch eine Lösung gibt“, verrät Kirschner.
Aber viel größer noch ist die Weltkarte, lassen sich herrliche Bücher aus anderen Regionen lesen: „Das Haus über dem Fjord“ steht in Norwegen (Taschenbuch mit blauen Seiten von Kristin Valla). „Das Land der Anderen“ führt die junge Elsässerin Mathilde nach Marokko (Leïla Slimani schreibt über das Leben in der Fremde und eine Welt im Umbruch). Vom Hunsrück ins afrikanische Kamerun macht „Issa“ eine große Reise, ausgedacht von Mirrianne Mahn (34), die als Stadtverordnete im Frankfurter Stadtrat sitzt.
Kuriose Listen und eine besondere Liebe
Ausdrücklich „keine kitschige Familiengeschichte“ sei „Tausend kleine Schritte“ von Toni Jordan. Bereits 2009 erschien die Erzählung über Grace Lisa Vandenburg, die seit ihrem achten Lebensjahr die Dinge in ihrem Leben zählt, zum Beispiel die Buchstaben ihres Namens (19) und die Borsten an ihrer Zahnbürste (1768) – ein liebenswerter Roman über kuriose Listen und eine besondere Liebe.
Vom Bürgerkrieg zwischen der Türkei und Griechenland handelt der auf Zypern spielende Roman „Das Flüstern der Feigenbäume“ von Elif Shafak. Der prachtvolle Feigenbaum im Innenhof einer Taverne ist Zeuge, wenn sich der Grieche Kostas und die Türkin Defne treffen. Leichtere Kost ist auf der Insel Helgoland zu finden, wo Saša Stanišić seinen neuen Buchtitel „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ erfand. „Das Buch ist sehr besonders, mit vielen skurrilen Erzählungen“, urteilt die passionierte Leserin.
„Windstärke 17“ von Caroline Wahl
Zuletzt war Ulrike Kirschner im Hamburger Literaturhaus, um die 1995 geborene Caroline Wahl bei einer Lesung zu erleben: Nach dem Bestseller „22 Bahnen“ stellte sie als Fortsetzung „Windstärke 17“ vor. Wobei die aufgebrauste Ida auf keinen Fall zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg will, stattdessen auf der Ostseeinsel Rügen landet, um sich vermeintlicher Schuld und dem Verzeihen zu widmen – allerdings mit einem großen Klumpen Wut im Bauch. „Das Buch dreht sich um die Wunschfamilie. Es hat seinen sehr eigenen Sound“, beschreibt die 63-Jährige die intensive Lesart.
Auch interessant
- Bethesda-Krankenschwester bekommt Andrea ist schwer krank
- Polizei Hamburg: KI bei Schockanrufen? Es ist noch viel einfacher
- Bergedorfs beliebte „Klönecke“: Plötzlich ist eine Bank weg
Erst im September, also nach der Sommerpause, wird die Bergedorfer Sachsentor-Buchhandlung wieder eine Lesung anbieten: „Ich jedenfalls bin erstmal etwas ruhebedürftig“, gesteht Ulrike Kirschner: „Wir werden in diesem Jahr einfach mal mit dem Tandem an der Oder entlangradeln, lange ausschlafen und viel lesen.“