Hamburg. Mit seinem Handy soll ein Mann Aufnahmen von 34-Jähriger in ihrem Schlafzimmer gemacht haben. Opfer müssen im Zweifel schnell handeln.

Hat der 32-jährige Michael Rosca (Name geändert) vor fast genau einem Jahr heimlich eine junge Frau mit seinem Handy gefilmt, als sie in Unterwäsche durch ihre Wohnung lief? Oder ist er ein treusorgender Ehemann und Vater, der nur ein Videotelefonat mit seiner Frau führte und unter falschen Verdacht geriet? Das Landgericht Hamburg hat den Angeklagten jedenfalls am Mittwoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Auch die Staatsanwaltschaft plädierte am Ende für diese Entscheidung. Selbst wenn aus Sicht der Anklage erhebliche Zweifel an Roscas Version der Dinge bestehen.

Am 6. Juli 2023 sitzt Rosca in seinem Dienstauto in der Bergedorfer Chrysanderstraße. Er hat gerade die Müllcontainer bei einem Kunden in der Straße bereitgestellt und macht kurz Pause. „Ich mache dann immer einen Videocall mit meiner Frau, die mit unseren Kindern in Rumänien lebt“, berichtet der 32-Jährige. Plötzlich sei er von einer Passantin angesprochen worden, was er da treibe. „Sie sagte: Machst du Bilder von der Frau?“, erzählt Rosca. Daraufhin habe er sich umgedreht und eine junge Frau in einem Fenster gesehen, die mit einem Handtuch bekleidet war. „Ich habe dann gesagt, dass ich nur telefoniert habe, und bin weggefahren“, betont der Angeklagte.

Heimliche Fotos von Frau in Unterwäsche: Angeklagter wird freigesprochen

Die Passantin ist an diesem Tag als Zeugin vor Gericht erschienen. Franziska Petersen (Name geändert) ist sich sicher, dass sie Rosca bei etwas ganz anderem ertappt hat. Sie läuft am Tag der vermeintlichen Tat von vorn auf Roscas Auto zu und sieht zunächst nur den offenbar gut gelaunten Mann auf dem Fahrersitz, der ein Handy aus dem offenen Fenster hält und auf den Bildschirm schaut. „Im Vorbeigehen habe ich mich noch einmal umgedreht und eine junge Frau in schwarzer Unterwäsche auf dem Display gesehen“, schildert Petersen. Sie blickt auf die gegenüberliegende Straßenseite und sieht – da ist sich Petersen absolut sicher – die gleiche Frau am offenen Fenster ihrer Wohnung im ersten Stock stehen. Ihr Verdacht: Der Angeklagte habe die 34-Jähriger mit seiner Frontkamera beobachtet.

Die Zeugin schreit der Frau im Fenster zu: „Sie werden fotografiert“ und stellt Rosca wütend zur Rede. Auf Nachfrage von Richter Carl-Tessen Taube räumt Franziska Petersen ein, dass sie nur kurz auf das Handy geschaut hat. Sie gibt sogar von sich aus zu bedenken, dass sie den Angeklagten nicht unbedingt wiedererkennt. Nur dass sie die Frau im Fenster auf dem Display des Handys wiedererkannt hat, davon ist sie überzeugt. Aus juristischer Sicht ist allerdings etwas ganz anderes entscheidend. Die Zeugin kann nicht mit Sicherheit sagen, dass Michael Rosca tatsächlich gefilmt oder fotografiert hat.

Zeugin konnte nicht sehen, dass tatsächlich fotografiert wurde

Genau darum geht es allerdings in der Anklage der Staatsanwaltschaft. Denn private Räume wie die eigene Wohnung und insbesondere das Schlafzimmer sind zwar vom Gesetz gegen Bildaufnahmen und deren Verbreitung geschützt. Einfach in eine fremde Wohnung hineinzuschauen ist aber keine Straftat. Das bestätigt auch die Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage unserer Redaktion. Auch die Tatsache, dass die Frau in ihrer Wohnung leicht bekleidet herumlief, spielt erst einmal keine Rolle. „Bei einer Verurteilung hätte die besondere Verletzlichkeit möglicherweise strafverschärfend gewirkt“, so die Sprecherin. Grundsätzlich geht es aber nur um die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung und das Recht am eigenen Bild.

Michael Roscas Handy wurde nicht zeitnah von der Polizei sichergestellt. Mögliche Fotos oder Videos als Beweise existieren also nicht. Dass der Videoanruf an seine Frau auch nicht dokumentiert ist, spielt am Ende keine Rolle – auch wenn Richter Taube die Erklärung, seine Anrufdaten würden automatisch nach 24 Stunden gelöscht werden, mit Skepsis entgegennimmt. Die Staatsanwältin betont zwar, dass sie die Version der Zeugin glaube. Doch auch die Anklage sieht keine Möglichkeit zu beweisen, dass Rosca gefilmt oder fotografiert hat.

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Dass der Rechtsanwalt des Angeklagten erhebliche Zweifel daran hat, ob die Zeugin das vermeintliche Opfer aus mehreren Metern Entfernung, durch das Seitenfenster hindurch, tatsächlich auf dem Handydisplay erkennen konnte, spielt keine Rolle. Michael Rosca wird freigesprochen und hat sich damit erfolgreich gegen den Strafbefehl in Höhe von 2400 Euro wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs gewehrt.

Unabhängig vom Ausgang der Verhandlung am Mittwoch bestätigt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, dass es für Betroffene sehr schwer sei nachzuweisen, dass sie gegen ihren Willen gefilmt oder fotografiert wurden. Die einzige Möglichkeit sei es, das Handy sicherzustellen oder dafür möglichst schnell die Polizei zu rufen.