Bergedorf. Wenn der Saisonstart verpatzt ist: Wut, Frust und Enttäuschung in Ohe, Extra-Schichten in Düneberg, Ruhe bewahren in Altengamme
Da ist es wieder einmal, dieses Wort: Krise. „Die Bayern-Krise. Geht das mit Tuchel gut?“, zählte die Bild-Zeitung in ihrer Montagsausgabe schon mal vorsorglich den neuen Coach des FC Bayern München, Thomas Tuchel, an. Nach der 0:3-Niederlage im Supercup gegen RB Leipzig. Wohlgemerkt: Die Saison in der Fußball-Bundesliga hat noch nicht einmal begonnen.
Im Amateurfußball ist das anders. Hier sind nun drei Spieltage absolviert, und es lässt sich vorsichtig eine erste Zwischenbilanz ziehen. Die Phalanx der Enttäuschten: Der Düneberger SV, FC Voran Ohe, SV Altengamme und ASV Bergedorf 85 sind besonders schwer aus den Startlöchern gekommen. Aber ist das schon eine Krise? Und vor allem: was nun?
Was nun? Fußballvereine in der Krise
Manchmal sind es Nuancen, die den Unterschied zwischen einem gelungenen und einem verpatzten Start ausmachen. Beispiel ASV Bergedorf 85: In einer bis dahin ereignislosen Partie gegen den SV Nettelnburg/Allermöhe hielt Bergedorfs Niklas Tokar einfach mal drauf. Der Ball prallte an den Innenpfosten und rollte von dort parallel zur Torlinie und schließlich ins Aus. Das sind Millimeter, die bei so einem Schuss darüber entscheiden, ob der Ball drin ist oder eben nicht.
Am Ende verloren die „Elstern“ die Partie schließlich noch mit 0:1. Nach drei Spieltagen rangiert der Aufsteiger noch bei null Punkten, das unglückliche Aus im Pokal gegen Staffelkonkurrenten Wentorf (6:7 nach Elfmeterschießen) kommt obendrauf. „Unser Team muss lernen, dass in der Bezirksliga ein anderer Wind herrscht“, mahnte ASV-Trainer Mario Meier auf Facebook.
Düneberger SV erhöht nach 2:8-Debakel den Trainingsumfang
Natürlich sind von einem Aufsteiger keine Wunderdinge zu erwarten, das gilt ebenso für den Düneberger SV, der in der Oberliga ebenfalls bei null Punkten steht. Mit dem 2:8-Desaster beim HEBC – weiß Gott keine Übermannschaft in dieser Staffel – haben die Düneberger am Sonntag einen historischen Tiefpunkt abgeliefert. Coach André Wengorra („Das war Arbeitsverweigerung“) reagierte sofort.
„Wir werden in dieser Woche vier Mal statt sonst drei Mal trainieren“, machte Wengorra klar, dass es ein „Weiter so“ nach dieser Vorstellung nicht geben könne. Als „Straftraining“ will er das aber nicht verstanden haben, und die Düneberger Spieler müssen in dieser Woche auch nicht befürchten, dass ihr Übungsleiter sie nun den Geesthachter Elbhang rauf und runter jagt.
Ist das Straftraining früherer Zeiten aus der Mode?
„Beim Fußball gehört der Ball dazu“, macht Wengorra klar. „Es geht darum, die Defizite, die wir in unserem Spiel noch haben, aufzuarbeiten. Laufeinheiten bringen da gar nichts.“ Gerade wenn die Spieler ohnehin enttäuscht und frustriert seien, bringe es wenig, auch noch draufzuhauen. „Wir werden antworten“, betont Wengorra mit Blick auf das Heimspiel am Sonnabend gegen die SV Halstenbek-Rellingen (13 Uhr, Silberberg). Jenes Team, gegen das die Düneberger die Relegation verloren. „Da gibt es etwas zurückzuzahlen“, fordert Wengorra.
Im Profibereich scheinen seit jeher andere Sitten zu herrschen. Wie hätte beispielsweise ein Christoph Daum, der Großmeister des Straftrainings, auf eine 2:8-Niederlage reagiert? 2007 verlor der von Daum trainierte 1. FC Köln mal 0:5 bei Rot-Weiß Essen. Daraufhin ließ Daum seine Spieler am Rosenmontag zum Training antreten, während die ganze Stadt feierte. Legendär ist auch seine Trainingseinheit nachts um 3 Uhr bei Bayer Leverkusen nach einem verlorenen Europapokalspiel.
Philipp Mohr: „Emotionale Seite darf nicht den Blick verstellen“
Ist so etwas aus der Zeit gefallen? „Ein Straftraining kann auch im Amateurbereich Sinn machen“, schätzt Philipp Mohr, Ligaobmann des SV Altengamme. „Auch da gibt es durchaus mal Einheiten, die etwas intensiver sind. Aber man muss immer die Gesamtsituation im Blick haben. Wenn man zum Beispiel zu Saisonbeginn Englische Wochen hat, macht es keinen Sinn, hart zu trainieren und dann am Spieltag völlig müde zu sein.“
Doch ganz abstreifen lassen sich Erlebnisse wie am Freitagabend, als die Altengammer gegen den SC Vier- und Marschlande in Überzahl eine 2:1-Führung verspielten, auch nicht so leicht. „Das wirkt schon noch nach“, gibt Mohr zu. „Man muss die emotionale Seite eines solchen Erlebnisses schon ernst nehmen, aber sie darf nicht den Blick auf die rationalen Schlüsse verstellen, die man daraus zieht.“
Beispiel Voran Ohe: Ein Sieg kann schon sehr viel verändern
Und so bewahren sie am Deich nach dem missglückten Saisonstart die Ruhe, wie Coach Ingo Carstensen schon unmittelbar nach dem Schlusspfiff gegen den SCVM („Es waren nur drei Spiele von 30“) andeutete. „Wir haben keine Krise, sondern nur eine schlechte Phase“, ergänzt Mohr.
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Schon fast raus aus seiner schlechten Phase ist der FC Voran Ohe nach seinem 2:1-Sieg vom Wochenende gegen Bramfeld. Doch das war nach den vorangegangenen Niederlagen gegen den ASV Hamburg (2:4) und Concordia II (2:5) mit den vielen Gegentoren ein schmerzhafter Prozess, wie Voran-Trainer Matthias Wulff hinterher im Interview mit Arne Bachmann vom Hamburger Abendblatt verriet.
Voran-Coach Matthias Wulff: „Unruhige Woche mit viel Redebedarf“
„Das war eine erste Drucksituation für uns und eine Trainingswoche, in der viel Wut, Frust und Enttäuschung in die richtigen Kanäle umgeleitet werden mussten“, fasst Wulff die vergangenen Tage zusammen. „Es war eine unruhige Woche mit viel Redebedarf – umso besser, dass wir jetzt eine große mannschaftliche Geschlossenheit auf den Platz gebracht haben.“
Beim Derby in Oststeinbek ist für die Oher am Freitag die nächste Gelegenheit, einen Schritt in eine erfolgreiche Zukunft zu machen (19.30 Uhr, Meessen). Der ASV Bergedorf folgt am Sonnabend in der Bezirksliga mit seinem Heimspiel gegen den SC Schwarzenbek (12.45 Uhr, Sander Tannen), und den Schlusspunkt setzt am Sonntag der SV Altengamme im Landesliga-Duell beim ASV Hamburg (15 Uhr, Snitgerreihe).