Reitbrook. Seit 1973 sind in der Nabu-Station in Reitbrook 170.000 Vögel beringt worden. Die gewonnenen Daten sind für die Forschung bedeutend.
In der Nabu-Vogelforschungsstation in der Reit werden bereits seit 50 Jahren Vögel beringt. Das ehrenamtliche Engagement findet nicht nur durch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) Anerkennung, sondern europaweit. Kerstan besuchte am Mittwoch die Station und gratulierte zum Jubiläum. Dabei ließ er sich die feinmaschigen japanischen Fangnetze am Schilfgürtel erläutern.
„Hier werden seit 50 Jahren ohne Pause unschätzbare Daten gewonnen. Das Zugvogelverhalten und dessen Veränderung im Laufe der Jahrzehnte lässt Rückschlüsse auf den Klimawandel zu und überzeugt möglicherweise auch die Skeptiker“, so der Umweltsenator. Er betonte, dass Wissenschaft und praktische Naturschutzarbeit untrennbar zusammengehören und bedankte sich für das unermüdliche ehrenamtliche Engagement.
Nabu-Station Reitbrook: Was die Zugvögel über den Klimawandel berichten
Der Nabu Hamburg betreibt seit 1973 die Forschungsstation „Die Reit“, die inmitten des gleichnamigen Naturschutzgebietes liegt. In der Nabu-Station werden Kleinvögel gefangen, beringt und vermessen. Sowohl der Betrieb der Station als auch die wissenschaftliche Vogelberingung werden komplett ehrenamtlich durchgeführt.
Die erfassten Daten fließen in internationale Vogelforschungsprojekte, die beispielsweise das Zugverhalten von Vögeln untersuchen. Gerade im Hinblick auf die Veränderungen durch die Klimakrise haben die Daten der Forschungsstation eine enorme Bedeutung. Sie liefern aber auch wichtige Erkenntnisse für die Pflege des Natur- und Vogelschutzgebietes, erklärt Nabu-Vorsitzender Malte Siegert.
170.000 Vögel von 114 verschiedenen Arten beringt
„Das Engagement in der Forschungsstation ist auch im Nabu Hamburg einzigartig. Allein durch ehrenamtliche Arbeit wurden in 50 Jahren an rund 6500 Tagen Vögel wissenschaftlich beringt und vermessen. In der Reit konnten 114 verschiedene Arten und bereits mehr als 170.000 Vögel beringt werden. Ohne diese enorme Leistung würden uns wichtige Daten fehlen, die wir in einer Zeit der Krise von Lebensräumen und Arten dringend benötigen“, so Malte Siegert. Und weiter: „Die Erkenntnisse der jahrelangen Arbeit sind von herausragender wissenschaftlicher Bedeutung, um Zusammenhänge und Entwicklungen über längere Perioden zu verstehen und einordnen zu können.“
Jeder Vogel wird nach einem standardisierten Verfahren beringt, vermessen und gewogen. Untersucht wird außerdem die Fetteinlagerung als Indiz der Fitness und der Mauserzustand. Die Prozedur dauert pro beringtem Vogel etwa eine Minute, und die Vögel werden im Anschluss wieder freigelassen. Die gesammelten Daten lassen Rückschlüsse über Populationsdynamiken, das Zugverhalten, Ökosystemforschung und Methodenforschung zur Erfassung von beispielsweise Alter und Geschlecht von Singvögeln zu. Wird der Vogel irgendwo gefangen oder gefunden, lassen sich Rückschlüsse auf seine Reiseroute ziehen. Sollte er in einem anderen Jahr erneut in der Reit gefangen werden, lässt sich ablesen, wie er sich entwickelt hat.
Jedes Jahr wird ab dem 30. Juni bis zum 6. November jeden Tag gefangen und beringt. Somit werden das Ende der Brutzeit und der komplette Herbstzug, also der Wegzug aus Europa, abgebildet.
Am häufigsten wird der Teichrohrsänger beringt
Anne-Lore Ostwald, Volker Dinse und Stefan Bongers gehören zu dem Team, das derzeit in der kleinen Unterkunft am Reitbrooker Westerdeich für eine Woche lebt und arbeitet. Anne-Lore Ostwald arbeitet seit 2009 ehrenamtlich für die Forschungsstation und hat sich für ihren Einsatz eine Woche Urlaub genommen. „Es kommen jedes Jahr Ehrenamtliche aus ganz Europa und der Welt zu uns, so auch schon aus Mexiko“, berichtet sie.
Vorsichtig greif sie den nächsten Leinenbeutel, um einen kleinen Teichrohrsänger zu vermessen und zu beringen. Anschließend entlässt sie ihn durch eine kleine Klappe in dem hölzernen Häuschen vorsichtig in die Freiheit. Der Teichrohrsänger ist die am häufigsten gefangene Art in der Reit.
Buntes Programm beim Familientag am 3. September
Wie Wissenschaft und Naturschutz zusammenwirken können, zeigt sich an seinem Beispiel: Seit 50 Jahren werden die Daten der Vögel immer gleich aufgenommen. Auswirkungen von Umweltveränderungen, beispielsweise die Klimakrise oder die Landnutzung, können so nachgewiesen werden.
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Viele Langstreckenzieher (Vögel, die bis ins tropische Afrika ziehen) leiden besonders unter den Veränderungen und haben zum Teil dramatische Bestandsverluste. Auch der Teichrohrsänger hat in den letzten zehn Jahren deutlich abgenommen. Daraufhin wurden die Pflegemaßnahmen durch die Umweltbehörde im Naturschutzgebiet umgestellt und wurde das Schilf in verschiedenen Bereichen durch Mahd verjüngt. Die Beringungsdaten zeigen in den letzten Jahren einen leichten Aufwärtstrend für den Teichrohrsänger.
Die Gelegenheit, die Nabu-Vogelforschungsstation kennenzulernen, gibt es am Familientag in der Reit: Am Sonntag, 3. September, von 10 bis 16 Uhr gibt es im Reitbrooker Westerdeich 68 ein buntes Programm für Groß und Klein sowie Führungen.