Hamburg. Bergedorfer Sozialpolitiker hoffen auf Zuschlag für das Wohnprojekt Housing First, das in Europa seit fünf Jahren Erfolge zeigt.

Sie dürfen Schulden haben, drogenabhängig sein oder psychisch krank. Oder traurig und einsam. Die Zielgruppe des Hamburger Modellprojektes Housing First richtet sich an Menschen, die auf der Straße leben und sich eine eigene, kleine Wohnung wünschen.

„Durch ausreichend Schlaf und Sicherheit kann man auch wieder in die Normalität rutschen und die Erkenntnis gewinnen, dass man sich behandeln lassen sollte“, sagte Stephan Karrenbauer im Bergedorfer Sozialausschuss. Der Sozialarbeiter von „Hinz&Kunzt“ war eingeladen, das Konzept zu erläutern, das seit fünf Jahren in Europa für Furore sorgt: Wer Sozialleistungen bezieht, kann eine Wohnung mit festem Mietvertrag bekommen – und wird individuell betreut.

Kreative Hilfe für Obdachlose: Bergedorf hofft auf Zuschlag

„Das ist kein Drehtüreffekt, mindestens 85 Prozent der Leute sind nach einem Jahr noch immer zufrieden in der Wohnung. Viele haben sogar ihr Suchtverhalten stark reduziert“, betont Karrenbauer. Er weiß, dass sich Bergedorfs Lokalpolitiker dafür stark machen, ein Modellprojekt zu initiieren – wobei der Sozialbehörde auch eine Bewerbung aus Hamburg-Mitte vorliegt.

„Wir haben hier etwa 60 bis 70 wohnungslose Menschen und keine Tagesaufenthaltsstätte“, begründet Maria Westberg (Die Linke) den Vorstoß. „Wir haben ein gutes Netzwerk und kurze Wege im kleinen Bezirk“, wirft Simone Gündüz (SPD) ein.

Erfahrung zeigt: Vermieter brauchen keine Sorgen haben

Ob denn neben Saga und Genossenschaften auch private Vermieter in Frage kämen, will die CDU wissen. „Ja, man braucht keine Angst haben, dass etwas zerstört wird. Beim Berliner Projekt gibt es sogar extra einen Fonds, aber der wurde erst ein einziges Mal gebraucht – als jemand seinen Schlüssel vergessen und die Tür eingetreten hat“, erzählt der Sozialarbeiter.

Wichtig sei stets eine passgenaue Unterstützung: Mal muss die TV-Fernbedienung erklärt werden, mal wird eine Wand gestrichen oder gekocht. „Auch ein kleines Ehrenamt in der Nachbarschaft wäre denkbar, damit das Selbstwertgefühl gestärkt wird“, sagt der Referent und betont, dass es eine neue Haltung braucht, um maßgeschneidert zu helfen: „Wir müssen kreativ sein, damit sie Hilfe annehmen.“

In der Größe liegen Bergedorfs Vorteile gegenüber Hamburg-Mitte

Daher rät er dazu, möglichst viele sozialen Träger an dem Projekt zu beteiligen: „Wenn es nur zehn oder 20 Plätze gibt, könnte Bergedorf sicher besser aufgestellt sein als das große Hamburg-Mitte.“ Der „Runde Tisch Obdachlosenhilfe“ soll erweitert werden, beschloss der Sozialausschuss. „Dann hoffen wir auf den Zuschlag“, so der Vorsitzende Helmuth Sturmhoebel (Die Linke).