Hamburg. Grüne, SPD und FDP wollen Bergedorf zum Modellbezirk nach dem amerikanischen Vorbild „Housing First“ machen. Was dahinter steckt.
Da wäre noch die Sache mit der Krankenkasse und dem Personalausweis, zudem die ganzen Schulden nach der Trennung und dem Jobverlust. „Bevor du deine Probleme nicht in Griff kriegst, siehst Du auch keinen Mietvertrag“, bekommen Obdachlose oft zu hören. Wobei es schon für „Normalos“ schwierig ist, in Hamburg an eine günstige, also bezahlbare Wohnung zu kommen. Dabei könnte man dann endlich mal wieder „zur Gesellschaft gehören“ und Kontakt zu den Kindern aufnehmen, müsste sich nicht so schrecklich schämen.
"Housing First" für Obdachlose in Hamburg noch nicht durchgedrungen
Dass längst nicht alle Randständige auf der Straße leben wollen, ist bekannt. Aber das Konzept von „Housing First“, das Anfang der 1990er-Jahre in den USA entwickelt wurde, ist – zumindest in Hamburg – bislang noch nicht durchgedrungen. Dabei ist längst klar, dass sich niemand „als wohnfähig qualifizieren“ und erst einmal sein Wohlverhalten unter Beweis stellen mag. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wer ein Zuhause hat, kann seine Probleme besser lösen.
Es geht um günstigen Wohnraum für Obdachlose, die noch nicht jahrelang auf der Straße leben, noch psychisch halbwegs stabil sind. Sie brauchen eine neue Chance, einen Vertrauensvorschuss. Eine kleine Wohnung, deren Miete das Jobcenter für Sozialhilfeempfänger übernimmt. „Wir müssen auf das Wohnraumkontinent der Saga und der anderen Genossenschaften schauen. Wichtig wäre, die Menschen dezentral unterzubringen, damit sich die Problemlage nicht ballt“, betont Heribert Krönker, der auch eine Stigmatisierung durch die Adresse verhindern will.
Grüne wollen Antrag in der Bezirksversammlung einbringen
Heute Abend wird der Fraktionschef der Bergedorfer Grünen einen entsprechenden Antrag in der Bezirksversammlung einbringen: Gemeinsam mit FDP und SPD möge sich Bergedorf als Modellbezirk für das Projekt „Housing First“ bewerben. Dass sich Linke und CDU hier sperren würden, könne er sich kaum vorstellen.
Auch das Bezirksamt Mitte habe sich bereits beworben, weiß Krönker: „Wir Grünen haben das Projekt in den Hamburger Koalitionsvertrag geschrieben. Ich hoffe, dass die Sozialbehörde noch in diesem Sommer nach einem sozialen Träger sucht, der das Projekt begleitet.“ Zwar sollen die künftigen Mieter erst mal zur Ruhe kommen, aber, so Krönker: „Tragischerweise nehmen diese Leute ja oft keine Hilfe an. Voraussetzung wird jedoch sein, dass sie sich von der aufsuchenden Sozialarbeit betreuen lassen, wenn sie etwa Schulden haben, suchtkrank sind oder eine Trennung psychisch zu verarbeiten haben.“
Projekt der „Berliner Stadtmission“ als Vorbild
Ziel ist es, ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben zu führen sowie nie mehr wieder auf der Straße zu landen. Als Vorbild könnte das Projekt der „Berliner Stadtmission“ dienen, wo ebenfalls unbefristete Mietverträge vergeben werden. Kerngedanke ist ein „Recht auf Wohnen“ und das Grundbedürfnis nach einem sicheren Zuhause – als Basis für eine Regeneration.
Die Berliner helfen ausdrücklich auch Menschen, die zunächst keine Bereitschaft zu Abstinenz oder Therapie zeigen, zu beruflicher Eingliederung oder anderen vereinbarten Hilfezielen. Wohl aber sollten die Mieter einmal wöchentlich Kontakt zum Team der Helfer haben.
Bergedorfs Fachstelle für Wohnungsnotfälle begrüßt das Projekt
Dauerhaft die Wohnungslosigkeit zu beenden, ist auch das Ziel des „Housing-First-Fonds“ in Nordrhein-Westfalen, der Betreuung und Behandlung anbietet, aber „keine Abstinenz von Alkohol und Drogen“ verlangt – und verspricht: „Niemand muss umziehen, wenn keine Betreuung mehr nötig ist.“
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Auch Bergedorfs Fachstelle für Wohnungsnotfälle begrüßt ein derartiges Projekt für Menschen, die „aufgrund ihrer Vielzahl von Hemmnissen und Schwierigkeiten unter den üblichen Bedingungen des Wohnungsmarktes nicht vermittelt werden können“. Wie hoch der konkrete Bedarf ist, lasse sich jedoch nicht einschätzen.
Mindestens 20 Wohnungen
„Also mindestens 20 Wohnungen könnten es gut und gerne sein“, meint Sabine Fehr von der sozialen Beratungsstelle am Weidenbaumsweg. Zwar wurde das Hamburger Winternotprogramm nun bis Ende Mai ausgeweitet, aber in Bergedorf gibt es nur wenige Plätze. Und die Hotelzimmer, die Dank der Diakonie und Spenden der „Bergedorfer Engel“ am Kurfürstendeich vergeben wurden, reichen bei Weitem nicht aus: „Seit November zeltet eine ganze Reihe von Menschen ohne festen Wohnsitz in Bergedorfer Parks“, weiß Sabine Fehr.