Kirchwerder. Das Haus am Süderquerweg bietet Mehlschwalben 24 künstliche Nester. In Hamburg mangelt es an Nistmöglichkeiten für die Vögel.
Silvia Lütjens (65) freut sich über die hamburgweit erste Auszeichnung vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ am Süderquerweg. „Hier sind Schwalben willkommen“ ist darauf zu lesen. Das nimmt Silvia Lütjens seit etwa 15 Jahren wörtlich: „Gemeinsam mit meinem Bekannten Hermann Timmann habe ich hier im Laufe der Jahre rund um mein Haus Schwalbennester angebracht, insgesamt 24 Stück sind es inzwischen.“
Der 69 Jahre alte Timmann, der beim Nabu Bergedorf aktiv ist, sagt: „Wir müssen künstliche Nester anbringen, weil die selbst gebauten fast immer abfallen, die Schwalben finden hier einfach nicht das geeignete Baumaterial.“ Silvia Lütjens erfreut sich am Gesang und Flug der Mehlschwalben. Zum Dreck, den Vögel machen, sagt sie: „Dafür haben wir unterhalb der Nester die Borde angebracht, die nehmen wir zum Herbst ab und reinigen sie. Das ist alles kein Problem.“
Marco Sommerfeld (Vogelstation Nabu) und Gustav König (Nabu Bergedorf) zeichneten noch drei weitere Häuser mit der Plakette aus. „Allerdings hat niemand bislang so viele Nester wie Frau Lütjens“, sagt Sommerfeld. „Wenn Schwalben am Haus brüten, geht das Glück nicht verloren“, sagt ein Sprichwort. Im Altertum wurden Schwalben als heilig, im Mittelalter als Glücksbringer verehrt.
Es mangelt an Brutplätzen und Futter für die Schwalben
Der Nabu befürchtet einen Rückgang der Population von Mehl- und Rauchschwalben in Hamburg, weil Brutplätze fehlen und es an Nahrung mangelt. Jedes Jahr im April und Mai kehren Mehl- und Rauchschwalbe aus ihren afrikanischen Überwinterungsgebieten zu uns zurück, um in unseren Dörfern und Städten zu brüten. Doch so zahlreich wie früher sind die Schwalben nicht mehr. „Ihre Zahl geht seit vielen Jahren zurück. Hier in Hamburg ist die Population noch stabil, ein Rückgang in den nächsten Jahren ist aber sehr wahrscheinlich. Grund dafür sind zunehmende Verluste an Brutplätzen für Schwalben. Außerdem werden auch ihre Nahrungsgrundlagen, die Fluginsekten, knapp“, erläutert Marco Sommerfeld, Vogelschutzexperte beim Nabu Hamburg. In unseren Städten verschwinden außerdem zusehends Nester durch unbedachte Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden. Häufig werden die Nester leider auch illegal beseitigt.
Moderne Viehställe sind oft verschlossen und bieten keine Einflugmöglichkeiten
„Die Schwalben und ihre Brutstätten stehen unter Schutz – ein Entfernen der Nester ist illegal und steht unter Strafe“, so Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu Hamburg. Gleichzeitig wird unsere Landwirtschaft immer stärker intensiviert. Höfe und Betriebe unterliegen heute strengeren Hygieneanforderungen als früher. Moderne Viehställe und Scheunen sind deshalb oft verschlossen und bieten Schwalben keine Einflugmöglichkeiten mehr. Feldwege, Einfahrten und Dorfplätze werden immer öfter zubetoniert, sodass unsere Glücksbringer weniger Pfützen und den daraus benötigten Lehm für ihren Nestbau finden. Zudem gibt es durch Monokulturen auf dem Acker, den Rückgang der Weidewirtschaft und den Einsatz von Pestiziden immer weniger fliegende Insekten.
„Schwalbenfreundliches Haus“ kann auch ein Fabrikgebäude sein
Mit der Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ möchte der NABU Hamburg dazu beitragen, die Akzeptanz für Schwalben und ihre Nester in der Nähe des Menschen zu erhöhen sowie bestehende Brutplätze zu erhalten und neue zu schaffen. „Jeder kann mit einfachen Mitteln Schwalben an seinem Haus willkommen heißen: mit Nestgrundlagen wie Rauputzstreifen oder Brettchen, Kunstnestern und einer Lehmpfütze im Garten“, erklärt Marco Sommerfeld. Die Aktion soll Hauseigentümer ermutigen, Nistplätze und gute Bedingungen für Schwalben zu erhalten oder zu schaffen.
Wer sich als „Schwalbenfreundliches Haus“ bewerben möchte, kann dies unter www.nabu.de/schwalben oder per E-Mail an sommerfeld@nabu-hamburg.de. Bewerben können sich Hausbesitzer, die das Brutgeschehen der wendigen Flugkünstler und Sommerboten dulden und fördern, ganz gleich, ob es sich bei dem Gebäude um ein Wohnhaus, Pension, Geschäft, Pferde- oder Bauernhof oder Fabrikgebäude handelt.