Hamburg. Beeinflussen Graben-Ausbaggerungen auf Ausgleichsflächen die Landwirtschaft im Landgebiet? Experten sind skeptisch.

Der Ent- und Bewässerungsverband der Marsch- und Vierlande hat die Gräben, die die Umweltbehörde in Neuengamme ausbaggern lässt, genau im Blick. Denn die neue Entwässerung interessiert die Fachleute, die für das weitläufige Grabensystem im Landgebiet verantwortlich sind. Schließlich muss die Entwässerung weiter einwandfrei funktionieren, zumal die Stadt auf 26 Hektar westlich vom Neuengammer Durchstich und nördlich des Reitbrooker Sammelgrabens einen Ausgleich für den Bau der Autobahn 26 Ost schafft und dort den Wasserstand erhöht (wir berichteten).

Nur einer der Gräben auf der Ausgleichsfläche ist ein Sielgraben. Für ihn ist der Verband verantwortlich, berichtet Verbandstechniker Torsten Riecken (47). „Er wird vom Ent- und Bewässerungssystem abgekoppelt, die Durchlässe verfüllt.“ Die Ent- und Bewässerung übernehmen künftig Gräben, die sich direkt neben der Ausgleichsfläche befinden. Sie werden derzeit ebenfalls ausgebaggert und gereinigt.

Fachleute befürchten eine Vernässung der Umgebung

Für diese technische Maßnahme der Ent- und Bewässerung durch andere Gräben, hatte der Verbandsausschuss 2019 seine Zustimmung erteilt. Ansonsten stehe das Gremium der Maßnahme skeptisch gegenüber, weiß Verbandsobmann Georg Odemann (73). Die Fachleute befürchteten Vernässungen der Umgebung und dadurch eine starke Einschränkung ihrer landschaftlichen Nutzung. „Dies ist aber die persönliche Meinung der Verbandsmitglieder“, betont Odemann.

„Aus unserer Sicht kann die Umweltbehörde auf ihrer Fläche frei agieren, solange kein Zweiter von den hohen Wasserständen dort betroffen ist“, sagt Riecken. „Schließlich werden die benachbarten Flächen landwirtschaftlich genutzt. Werden sie zu nass, ist Beweidung nur eingeschränkt möglich, kann etwa kein Heu mehr produziert werden“, ergänzt Odemann.

Werden Beetgräben nicht gepflegt, ist das das Problem des Pächters

Der Verband blickt auch auf die Wohnbebauung: „Keiner will einen nassen Keller haben“, sagt Riecken. Deshalb werde er die neuen Ent- und Bewässerungsgräben genau im Blick haben, „um zu sehen, ob alles

Durch ein Rohr wird das Wasser aus einem der neuen Sielgräben in das Grabensystem zur Ent- und Bewässerung geleitet.  
Durch ein Rohr wird das Wasser aus einem der neuen Sielgräben in das Grabensystem zur Ent- und Bewässerung geleitet.   © Thomas Heyen | Thomas Heyen

so umgesetzt wird, wie es geplant ist“. Schließlich habe der Verband auch den bisherigen Ent- und Bewässerungsgraben auf der Ausgleichsfläche kontrolliert und gegebenenfalls für dessen Reinigung gesorgt. „Das hat auch funktioniert, denn sonst hätten die Anwohner am Neuengammer Hausdeich nasse Füße bekommen“, sagt Riecken. „Die neben dem Sielgraben liegenden Beetgräben befinden sich nicht in unserer Zuständigkeit, weil sie für das Grabensystem nicht relevant sind. Werden sie nicht gepflegt, ist das ausschließlich das Problem des Pächters der Fläche.“

In Neuengamme und Kirchwerder kaufte die Stadt vor allem im Laufe der vergangenen zehn Jahre zahlreiche Flächen für die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen. Für den Bau der A 26 Ost sind 80 Hektar Ausgleichsfläche vorgesehen, davon 31 Hektar in Kirchwerder und 26 Hektar in Neuengamme. Die Gräben werden laut Odemann durch die Reinigung „stark vergrößert“. Mit einer flachen Böschung werden Flachwasserzonen erzeugt, die – bei konstant höherem Wasserstand – Insekten, Vögeln und Amphibien sowie Pflanzen ein Refugium bieten sollen.

Hohe Wasserstände beurteilen die Verbandsvertreter skeptisch

Die Verbandsvertreter freuen sich über die kleinen Dämme neben den Beetgräben, die durch den Aushub entstehen. „Dadurch sind die Sielgräben am Rand der Fläche vor überstautem Wasser geschützt“, sagt Odemann. Das Entwässerungssystem werden nicht überlastet. Jedoch: Zu viele Ausgleichsflächen mit zu hohen Wasserständen könnten das Grabensystem irgendwann, nach Starkregen oder lang anhaltendem Regen, überfordern, sind sich die Männer einig. Im Sommer wiederum würden Ausgleichsflächen, die an das Grabensystem angeschlossen sind, mit ihren breiten und flachen Böschungen viel Wasser ziehen. Odemann: „Das wird aber woanders von Gartenbauern benötigt.“