Hamburg. Weil einige Gräben verlandet sind, werden sie ausgebaggert. Neuengamme ist nur eine Ausgleichsfläche von vielen. Weitere folgen.

Die Schaufeln hellgelber Bagger fressen sich derzeit in Neuengamme durch den weichen Marschboden. Westlich vom Neuengammer Durchstich und nördlich vom Reitbrooker Sammelgraben werden Gräben „grundgeräumt“. Denn viele Gräben in diesem Gebiet seien seit mehr als 70 Jahren nicht mehr gepflegt worden und daher vollständig verlandet, teilt die Umweltbehörde (Bukea) mit. „Die Gräben weisen in Teilen über das Jahr keine ausreichenden Wasserstände auf, sodass Tiere- und Pflanzen ,austrocknen’ und keine Lebensräume bieten“, so die Behörde. Nun soll ihre Funktion wiederhergestellt werden.

26 Hektar Ausgleichsfläche allein in Neuengamme

Die Räumung der Gräben ist eine Ausgleichsmaßnahme für den Bau der Autobahn 26 Ost im südlichen Hafengebiet. Dafür sind insgesamt 80 Hektar Ausgleichsfläche vorgesehen, wovon 23 Hektar im Bezirk Harburg sowie 57 Hektar im Bezirk Bergedorf umgesetzt werden – davon 31 Hektar in Kirchwerder, größtenteils innerhalb des Naturschutzgebietes Kirchwerder Wiesen, und 26 Hektar in Neuengamme.

Bereits 2017 wurden die Maßnahmen zur Einleitung des Planfeststellungsverfahrens im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung Bergedorf unter Hinzuladung des Umwelt- und Regionalausschusses vorgestellt, 2019 erfolgte eine zustimmende Vorstellung im Ausschuss des Ent- und Bewässerungsverbandes, stellt die Umweltbehörde fest.

Anwohner befürchten künftig zu hohe Wasserstände in den Gräben

Trotzdem sind Anwohner wie Wolfgang Bartsch, der am Neuengammer Hinterdeich bis vor ein paar Jahren einen Bio-Hof betrieben hat, nun erschrocken vom Ausmaß der Arbeiten: „Die Gräben sind jetzt so breit, dass man darauf Schlittschuhlaufen kann“, sagt der 68-Jährige. Er zweifelt an der Sinnhaftigkeit des Ausgleichs und ist in Sorge, dass in den Gräben künftig zu hohe Wasserstände gefahren werden.

Schließlich sei viel Wasser in dem Gebiet sowieso ein Dauerproblem. Und die Wetterextreme würden zunehmen, ist Wolfgang Bartsch überzeugt. Wenn die Wasserstände in den Gräben also künftig so hoch seien, dass sie bei Starkregen nichts mehr aufnehmen könnten, würden die Menschen in der Umgebung doch ziemlich schnell „nasse Füße bekommen“, fürchtet der 68-Jährige.

Durch unterbliebene Pflege fällt erstmals wieder viel Boden an

Um einen gleichbleibenden Wasserstand herzustellen, werde über steuerbare Stauwehre Wasser vom Neuengammer Durchstich zugeführt. Hierzu werden die ehemals vorhandenen Querverbindungs­gräben wieder hergestellt, erklärt die Umweltbehörde.

Dadurch falle nun durch die in den vergangenen Jahrzehnten unterbliebene Pflege erstmals wieder viel Boden an, der zunächst auffällig in der Landschaft erkennbar neben den Gräben liege, informiert die Bukea.

Wichtige Lebensräume für Neuntöter, Gartenrotschwanz oder Feldschwirl

Dieser werde zunächst in der Beetmitte abgelegt und trockne dort ab. Danach werde er leicht hügelig auf dem gesamten Beetstück verteilt und eingebaut, wodurch die alte Beetstruktur der Kulturlandschaft wieder hergestellt werde. Durch eine leichte „Verwallung“ der Ränder, würde es keine Auswirkungen auf benachbarte Flächen geben, betont die Behörde.

Zudem würden durch die Maßnahme Lebensräume für Vögel wie den Neuntöter, Gartenrotschwanz, Feldschwirl, Sumpfrohrsänger und Wachtel­könig geschaffen. Zum Abschluss erfolgt eine artenreiche Einsaat mit Gräsern und Kräutern, die für das kommende Frühjahr geplant ist.

Im kommenden Winterhalbjahr folgen weitere Gräben

2019 wurde bereits auf dem Bauabschnitt in Kirchwerder angefangen, jetzt folgen die Arbeiten in Neuengamme. „Wir hoffen bei gutem Wetter zügig die Grabenwiederherstellungen umzusetzen“, teilt die Behörde mit.

In diesem Jahr werde zunächst die Hälfte der Beetgräben wieder hergestellt, im kommenden Winterhalbjahr folgen dann weitere Gräben.