Bergedorf. Grüne stellen wesentliche Vereinbarung im Oberbillwerder-Masterplan infrage. Welche Rolle spielt Hamburgs Verkehrssenator?
Es kracht heftig im Gebälk der Bergedorfer Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Wie schon häufiger, seit sich die Ampel vor eineinhalb Jahren zusammengefunden hat. Doch dieses Mal scheint die rot-grün-gelbe Statik tiefe Risse bekommen zu haben. Ein Bruch scheint nur noch eine Frage der Zeit. Es könnte sogar schon in dieser Woche so weit sein.
Grund für den Krach ist der sogenannte Parkplatzschlüssel für den Zukunftsstadtteil Oberbillwerder. Den nehmen die Grünen aus Sicht ihrer beiden Koalitionspartner neuerdings nicht mehr ernst, sondern machen eine möglichst starke Reduzierung der Zahl der Autos zu einer Glaubensfrage: Wie wenig mobiler Individualverkehr ist möglich in einem Stadtteil, dessen erste Bewohner wohl 2028 einziehen?
Oberbillwerder: Masterplan ist Grundlage des Koalitionsvertrags
Der Masterplan Oberbillwerder, nebenbei auch Grundlage des Bergedorfer Koalitionsvertrags, schreibt 0,6 Fahrzeuge je Wohnung fest, einschließlich der Besucherparkplätze. Doch er spricht einige Seiten weiter auch vom Ziel, den tatsächlichen Autoverkehr im Zukunftsstadtteil auf 20 Prozent zu reduzieren. Statt eines Auto für jede zweite Wohnung hätte dann höchstens noch jede fünfte einen Pkw.
So ist der interne Beschluss der Bergedorfer Grünen zu erklären, einen Stellplatzschlüssel von nur noch 0,35 im künftigen Bebauungsplan von Oberbillwerder festschreiben zu wollen. Damit folgen sie der Forderung ihres Senators für Verkehr und Mobilitätswende, Anjes Tjarks, riskieren aber den Bruch der Bergedorfer Koalition. Denn sowohl SPD als auch FDP sehen die im Masterplan festgelegten 0,6 als nicht verhandelbar, wie sie Montag auf Nachfrage bestätigten.
Bergedorfer Ampel-Koalition: Showdown am Mittwochabend?
Zum Showdown dürfte es am Mittwoch, 6. Juli, kommen. Dann werden die Stadtplaner des Bezirksamts den Fraktionen den Entwurf des Bebauungsplans für Oberbillwerder vorstellen, der den Masterplan in konkretes Baurecht überführt. Dort wird stehen, ob sich Tjarks und seine Grünen mit den 0,35 durchgesetzt haben, oder SPD und FDP zusammen mit Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) die 0,6 verteidigen konnten.
Wie ernst die Lage für die Bergedorfer Koalition ist, zeigt eine angeblich bereits formulierte Pressemitteilung. Darin sollen SPD und FDP den Grünen vorwerfen, mit dem eigenmächtigen Abweichen vom Masterplan die Koalition aufgekündigt zu haben. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den zehn Abgeordneten der Grünen in der Bezirksversammlung sei so nicht mehr möglich. Damit wäre die Stimmenmehrheit dahin. Rot-Gelb hat zusammen nur 15 der 45 Mandate in der Bezirksversammlung Bergedorf.
Grüne: Masterplan enthält widersprüchliche Zahlen
Vom bevorstehenden Aus möchte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Joachim Schöfer aber nichts wissen: „Der Masterplan enthält zum Stellplatzschlüssel widersprüchlich Zahlen. Über deren Auslegung laufen Verhandlungen mit unseren Koalitionspartnern.“ Die Gefahr eines Endes der Zusammenarbeit könne er nicht erkennen.
- Butterberg: Wo in Hamburg noch Einfamilienhäuser entstehen
- Bergedorfs Zukunftsstadtteil der 1920er-Jahre
- CDU hinterfragt Konzept der Mobility Hubs
- Das erste Parkhaus der Zukunft in Bergedorf
SPD-Fraktionschefin Katja Kramer gibt sich überrascht: „Von Gesprächen über die Anpassung des Stellplatzschlüssels weiß ich nichts. Für uns gilt der Masterplan, denn auch dessen 0,6 sind schon sehr ambitioniert.“ Sorgen um die Koalition mache sie sich dennoch nicht. „Ich verstehe die jetzt angeblich entstandene Hektik nicht.“
Etwas weniger entspannt gibt sich FDP-Fraktionschefin Sonja Jacobsen: „Der Bebauungsplan muss den mühsam ausgehandelten Koalitionsvertrag umsetzen. Eine Modifikation auf weniger als 0,6 Stellplätze können wir als Planungsgrundlage nicht akzeptieren.“
Oberbillwerder: Zieht der Senat die Planung an sich?
Sollten die Grünen sich dennoch durchsetzen wollen, wäre nicht nur die Koalition akut gefährdet, sondern auch Bergedorfs Einfluss auf die Gestalt des Zukunftsstadtteils: „Ohne eine grundsätzliche Mehrheit für den Bau von Oberbillwerder in der Bezirksversammlung wird der Senat das ganze Projekt an sich ziehen, also per sogenannter Evokation aus der Zuständigkeit des Bezirksamts und der Bezirksversammlung entfernen“, sagt Jacobsen.
Damit wären noch mehr als die bisher geplanten 6500 Wohnungen zu befürchten und zusätzliche Einschnitte in die bisherigen Planungen. Darunter auch die weitere Ausdehnung des neuen Stadtteils in die ihn umgebende Kulturlandschaft. „Bergedorfs 15. Stadtteil muss in jedem Fall in Bergedorf geplant werden, nicht von Hamburg aus.“