Hamburg. Hamburgs Umweltbehörde will vorerst auf mechanische Pflege umstellen und auf die “natürlichen Rasenmäher“ verzichten. Warum?
Aufregung im Naturschutzgebiet Boberger Niederung: Sind hier neuerdings keine Schafe mehr zur Beweidung erwünscht? „Was für ein Blöksinn“, hatte die „Bild“-Zeitung geschrieben und über Schäferin Franziska Schulz berichtet, die regelmäßig mit 250 Schafen und 40 Ziegen durch das 350 Hektar große Gelände zieht. Jetzt soll Hamburgs Umweltbehörde in Absprache mit der Loki Schmidt Stiftung beschlossen haben, die Heideflächen und Wiesen mit Mähmaschinen und Freischneidern zu bewirtschaften.
„Da sollen jetzt mehr Blühwiesen für Insekten entstehen, aber das kann ich von der Logik her nicht nachvollziehen, die Schafe haben doch in 20 Jahren noch nie gestört“, sagt Franziska Schulz, die bei dem Neuengammer Schäfer Volker Derbisz angestellt ist. Der hatte drei Tage vor Weihnachten schriftlich mitgeteilt bekommen, dass der fünfjährige Auftrag für seine „natürlichen Rasenmäher“ nicht verlängert wird.
Keine Schafe mehr in der Boberger Niederung? Umweltbehörde verlängert Vertrag nicht
Von einer „versuchsweisen Unterbrechung der Beweidung“ ist bei der Umweltbehörde die Rede: „Um den Blühhorizont für Insekten stärker zu entwickeln, wird vorerst für zwei Jahre auf mechanische Pflege umgestellt und danach der Pflegezustand der Flächen ausgewertet“, sagt Renate Pinzke, Sprecherin der Umweltbehörde, auf Anfrage unserer Redaktion: „Die maschinelle Pflege wird möglichst bodenschonend mit Maschinen mit geringer Bodenpressung durchgeführt.“
Von nur einem schafsfreien Jahr spricht hingegen die Loki Schmidt Stiftung: „Die Pflanzen kommen dann ganz anders zum Blühen“, sagt Karen Elvers, die das Dünenhaus an der Boberger Furt leitet – und zugibt, dass „nicht alles geradlinig geklappt“ habe. Denn ein zweiter Grund für die Absage an die Schäferei sei ein anderer: Die Arbeitsgemeinschaft der betreuenden Naturschutzverbände wünscht sich, dass die Boberger Niederung künftig mit Heidschnucken bewirtschaftet wird – und nicht mit den für die Deiche üblichen Charollais-Schafen: „Diese alte Haustierrasse würde viel besser zu uns passen. Die Tiere fressen auch die härteren Pflanzen auf unseren Trockenwiesen“, so Elvers.
Schäfer hat bereits 220 Heidschnucken gekauft
Eigentlich kein Problem, entgegnet die Schäferin: „Zwar mögen unsere Schafe lieber frisches Kleegras, aber das andere fressen die auch. Und zwar acht Kilo am Tag, wenn das Schaf 80 Kilo wiegt.“
Schäfer Derbisz könne sich eine Heidschnuckenherde zulegen und sich 2023 an der neuen, europaweiten Ausschreibung beteiligen, schlägt Karen Elvers vor. Doch schon wieder scheint nicht jeder mit jedem geredet zu haben, denn der Schäfer hat ja längst Heidschnucken: „Im Vorfeld der neuen Ausschreibung habe ich 220 Stück gekauft, die Rechnung kann ich zeigen. Aber das hat hier alles einen faden Beigeschmack.“
Manche Leute beschweren sich, dass Schafe so laut blöken
Das klinge doch alles „irgendwie nach einer Ausrede“, meint Schäfer Volker Derbisz vom Neuengammer Hausdeich. Nachdem ihm die Umweltbehörde im Dezember mitgeteilt habe, dass sein Fünfjahresvertrag für die Beweidung der Boberger Niederung nicht verlängert werde, habe er die extra angeschafften 220 Heidschnucken wieder verkauft – und wundert sich über das ganze Prozedere: „Die Boberger Landschaft ist doch auch gerade wegen der Schafe so.“
Nun aber will die Loki Schmidt Stiftung etwas Neues ausprobieren und abwarten, wie sich die Blühwiesen ohne Schafe entwickeln: „Und wenn dann 2023 wieder ein Schäfer kommt, freuen wir uns, wenn er auch Lust hat, mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen“, sagt Karen Elvers von Dünenhaus. Schließlich gebe es nicht allein in Mümmelmannsberg viele Stadtkinder, die noch nie ein Schaf gesehen haben: „Aus Unkenntnis beschweren sich manche Leute dann auch, dass die so laut blöken.“
Mit der seltenen Kreuzkröte habe die ganze Thematik übrigens nichts zu tun. Für sie wurden seit 2020 zwar 15 Tümpel im Sandboden angelegt, sollen in diesem Jahr noch zwei wasserführende Laichgewässer dazukommen, aber „die Schafe gefährden nicht die Kröten“, so die Umweltbehörde. „Das waren eher im Lockdown die Familien, die sich da hingelegt haben und ihre Kinder in den Tümpeln spielen ließen“, sagt Karen Elvers: „Das wussten die aber sicher nicht, daher gibt es jetzt Zäune.“