Hamburg. Experte empfiehlt, die Öffnungswelle nach Corona zu nutzen. Ein Umbau zu einem Shopping-Center wird sieben bis elf Jahre dauern.
Das Warenhaus-Sterben in Deutschland ist noch schlimmer, als in der Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) für das Jahrzehnt bis Anfang 2020 beschrieben: „Allein im Corona-Jahr sind zu den bis dahin 52 Schließungen weitere 45 hinzugekommen. Zukunftsgerichtete Stadtplanung muss also die Hoffnung auf einen Karstadt-Nachfolger begraben. Und auch ein Umbau zum Shopping-Center macht keinen Sinn. In Berlin gibt es bereits erste Schließungen“, sagte PwC-Experte Benjamin Schrödl am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung.
Bergedorf sei gut beraten, umgehend die Änderung des Baurechts für seine beiden Kaufhaus-Immobilien anzuschieben, damit hier neben Einzelhandel auch Wohnungen, Büros und andere Nutzungen wie etwa eine Kita möglich werden. „Parallel ist es wichtig, dem Eigentümer deutlich zu machen, dass hier künftig weniger Mieteinnahmen möglich und zunächst Umbau-Investitionen in Millionenhöhe nötig sind“, verwies Schrödl auf Beispiele aus Berlin, Köln und Lübeck.
Karstadt in Bergedorf könnten zunächst als Paket-Station genutzt werden
So wurde die 2009 geschlossene Kaufhof-Filiale in Berlin-Lichtenberg für 18 Millionen Euro innerhalb von drei Jahren zu einer sogenannten „Mixed-Use-Immobilie“ umgebaut. Ein Finanz- und Zeitaufwand, der heutige Größenordnungen laut Benjamin Schrödl deutlich unterschreitet. Im Stadtteil Köln-Kalk waren 45 Millionen Euro nötig, um dem dortigen Kaufhof nach dem Aus von 2012 bis 2018 ein ebenso vielfältiges neues Leben einzuhauchen. Und an der Zukunft für Lübecks altes Karstadt-Haus, geschlossen 2019, wird noch gefeilt. Hier sind 38 Millionen Euro für den Umbau eingeplant, der wohl erst 2022 beginnt – wenn Corona das nicht noch weiter verzögert.
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Für Bergedorf sieht Schrödl zwar gute Chancen, dass die Häuser mit Einzelhandel im Erd- und vielleicht dem Untergeschoss sowie anderen Nutzungen darüber neu belebt werden können: „Die Einwohnerzahl des Bezirks wächst und ist vergleichsweise finanzkräftig, die Einkaufsstraße Sachsentor hat eine attraktive Architektur und die Innenstadt insgesamt bereits einen hohen Wohnanteil.“ Generell rechne er heute allerdings mit einer Umbauzeit von sieben bis elf Jahren.
Den Blick auf Zwischennutzungskonzepte richten
Entsprechend großes Augenmerk müsse auf Zwischennutzungskonzepte gelegt werden – und das schon sehr schnell: „Sobald die Geschäfte wieder öffnen dürfen, erwarte ich eine große Lust der Menschen, ihre örtliche City zurückzuerobern. Diese ,Stunde Null’ ist ein guter Start für neue Angebote.“ Umgekehrt drohe bei großen und dauerhaften Leerständen ein Ansteckungseffekt auf Nachbarläden.
Als sinnvolle Zwischenlösung empfiehlt Benjamin Schrödl unter anderem eine große Paket-Station: Der Logistik-Bereich des Kaufhauses sei schließlich noch vorhanden. Denkbar auch: Lebensmittel-Einzelhandel, weil der nicht vom Lockdown betroffen sei, also finanzielle Spielräume habe. Von öffentlichen Mietzuschüssen hält er wenig: „Der Eigentümer muss erkennen, dass eine Zukunft der Immobilie große Investitionen erfordert.“