Hamburg. Lockdown, eine Corona-Infektion und minimale Staatshilfe ließen keine Wahl. „Das starke Doppel“ ist geschlossen.
„Herzlichen Dank für eure Treue“ haben Ina Damaske und Regina Kahl auf die Spiegel ihres Friseurgeschäftes geschrieben. Das war nach dem ersten Lockdown,
als sie „optimistisch und voll motiviert“, so Regina Kahl, die Ladentür an der Holtenklinker Straße wieder geöffnet hatten. Jetzt hat dieser Satz eine andere Bedeutung bekommen. „Das starke Doppel“ wird nach dem zweiten Lockdown nicht mehr öffnen. Sie geben ihr Geschäft auf.
Nach Wiederöffnung im Frühjahr sah es noch gut aus. Die Corona-Hilfe war gezahlt worden und einige Kunden haben sie unterstützt, etwa indem sie ihre versäumten Friseurtermine trotzdem bezahlten. Hygieneregeln waren geschrieben, Trennwände aufgestellt und mit Pfeilen die Gehwege der Kunden vorgegeben worden.
Bergedorfer Friseur "Das starke Doppel" muss schließen
Der Laden hat sich seit seiner Gründung 2004, anfangs noch in der Bleichertwiete einen guten Ruf geschaffen, an den angeknüpft werden konnte. Nach dem Motto „Der etwas andere Friseur“ wurden auch Modenschauen, Singletreffs, Caipirinhapartys und Ausstellungen organisiert. Einen besonderen Ruf genießt der Rumtopf, den Regina Kahl alljährlich ansetzt.
Am 5. November aber betrat eine verschwitzte Kundin das Geschäft. Auf die Frage von Ina Damaske antwortete sie, sie sei verschwitzt, weil sie gelaufen sei. Am 11. November dann ein Anruf vom Gesundheitsamt. Die Kundin war positiv auf das Coronavirus getestet worden.
Corona-Erkrankung: 14 Tage blieb der Salon geschlossen
Das Geschäft musste geschlossen werden. Ina Damaske musste, Regina Kahl ging freiwillig in Quarantäne. Zwei Tage später, nachdem Ina Damaske gekocht hatte, gab es letzte Gewissheit. Sie roch und schmeckte nichts mehr. „Ich habe nicht mehr geschlafen und mir gingen die Bilder von den Intensivstationen durch den Kopf“, sagt sie. So schlimm kam es jedoch nicht. Es blieb bei der häuslichen Isolation. 25 Menschen waren in Quarantäne geschickt worden. Kein anderer, auch nicht Regina Kahl, seien angesteckt worden.
14 Tage blieb der Salon geschlossen. Im Weihnachtsgeschäft ließ sich Ina Damaske gegen den Rat ihrer Ärztin gesundschreiben. Doch bald merkte sie, dass sie „höchstens 50 Prozent Leistung“ bringen kann. Schwierig war für die Friseurinnen zudem der Umgang mit Corona-Leugnern in der Kundschaft und Menschen, die meinen, es ist alles nicht so schlimm und es wird viel übertrieben. „Wir wissen, was Corona bedeutet“, sagt Regina Kahl.
Ina Damaske leidet weiterhin unter den Corona-Spätfolgen
Dann kam der zweite Lockdown, der ein Teil des Weihnachtsgeschäfts zunichte machte. Die Antragseite für die Corona-Hilfe wurde erst spät freigeschaltet. Der Steuerberater rechnete ihnen aus, dass sie 300 Euro als Dezember-Hilfe zu erwarten haben. Eine Hälfte des starken Doppels hatte mittlerweile das Quarantänegeld aus dem November bekommen, die andere Hälfte noch nicht.
Ina Damaske leidet weiterhin unter schweren Corona-Spätfolgen, wie Antriebslosigkeit, Sprachstörungen, Appetitlosigkeit, Unkonzentriertheiten und Vergesslichkeit. „Früher war ich ,das Gehirn‘, heute vergesse ich andauernd etwas“, sagt sie. Allein will Regina Kahl nicht weitermachen. „Wir wollten eigentlich mit einer großen Grillparty und Livemusik Schluss machen“, sagt Regina Kahl. Das hatten die beiden Mittfünfzigerinnen allerdings erst in einigen Jahren geplant. „Nun können uns nicht einmal von den Kunden verabschieden“, ergänzt Ina Damaske.
Kleingewerbe als "radelnde Friseurin" angemeldet
Mit ihren Erfahrungen finden sie die aktuelle Lockdown-Politik richtig. Sie verstehen Menschen nicht, die eine schnelle und weitgehende Lockerung fordern. Nur können sie nicht nachvollziehen, dass große Konzerne wie Tui und Kaufhof/Karstadt mit hohen Summen gerettet werden, „aber von den Kleinen werden viele nicht überleben“, so Regina Kahl. In ihrer Branche werde es viele Schließungen geben.
Für Ina Damaske heißt es nun richtig gesund werden. Nach dem Motto „Wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere“ hat Regina Kahl als „radelnde Friseurin“ ein Kleingewerbe angemeldet. Mit dem E-Bike will sie zu den alten Kunden fahren. Daneben sucht sie noch einen Job, will aber nicht als angestellte Friseurin arbeiten.