Hamburg/Lauenburg. Da auch Kontogebühren gezahlt werden müssen, soll geklärt werden, ob das alles rechtens ist. Die Verbraucherzentrale Sachsen klagt.
„Fürs Sparen wird man bestraft“, sagt Thomas Göthling aus dem Vorstand der Raiffeisenbank Lauenburg. Damit meint Göthling eine neue Praxis der Banken, Negativzinsen für Girokonten zu erheben, die bestimmte Freibeträge überschreiten. Ob das alles so rechtens ist, soll gerade vor Gericht geklärt werden. Denn die Kombination von Kontogebühren für das Girokonto und Negativzinsen, wenn ein bestimmter Freibetrag überschritten ist, könnte unzulässig sein.
Davon geht die Verbraucherzentrale Sachsen aus, die vor dem Landgericht Leipzig gegen eine sächsische Sparkasse klagt. Die Entscheidung des Gerichts wird für Anfang Juni erwartet, und die Banken blicken mit Spannung auf dieses Verfahren. „Es ist gut, dass diese Frage jetzt gerichtlich überprüft wird“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Verwahrentgelte von 0,5 Prozent sind mittlerweile üblich
Bei Hamburger Geldinstituten sind Strafzinsen, oder „Verwahrentgelte“, wie es in der Branche heißt, für Private in Höhe von 0,5 Prozent mittlerweile üblich. Banken in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn haben Strafzinsen für Privatkunden angekündigt.
Damit geben die Geldhäuser den Druck der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter. Denn Banken müssen für Überschussbeträge auf privaten Konten Minuszinsen zahlen, im vergangenen Jahr waren es 2,7 Milliarden Euro, die deutsche Geldinstitute an die EZB weitergaben. Wegen der Corona-Krise und der deutlich abgeflauten Konsumlust sind gut gefüllte Privatkonten für viele Wirtschaftsexperten keine Überraschung.
Ein Girokonto kostet im Moment zwischen zehn und zwölf Euro
„Banken sind in erster Linie eben auch Unternehmen“, sagt Karsten Voß, Vorstand der Volksbank Bergedorf und betont damit die Notwenigkeit seines Hauses, wirtschaftlich zu arbeiten. Ein Girokonto koste im Monat zwischen zehn und zwölf Euro, zudem steige der Druck durch die Niedrigzinspolitik der EZB. Insofern kassiert die Volksbank Bergedorf von Privatkunden 0,5 Prozent Strafzinsen, sollte der Freibetrag von 100.000 Euro überschritten werden.
Der Freibetrag variiert: Bei der Hamburger Sparkasse sind es 50.000 Euro, die Commerzbank halbiert ihren Freibetrag ab 1. September auf diese Summe, bei der Hamburger Volksbank sind es nur 10.000 Euro, 100.000 Euro bei der HypoVereinsbank, ING oder Deutsche Bank.
Auch die Volksbank Bergedorf bietet attraktive Anlagemöglichkeiten an
Wie die meisten Geldinstitute, versucht auch die Volksbank Bergedorf, den Betroffenen attraktive Anlagemöglichkeiten, etwa Mischfonds, anzubieten. Das sei aber gegenwärtig wegen der Pandemie schwierig. Die Volksbank Bergedorf betreut etwa 55.000 Kunden in vier Niederlassungen, Strafzinsen könnten nach Einschätzung von Voß für etwa fünf bis zehn Prozent der Kunden anfallen.
„Wo sollen die Leute hin? Ihr Geld liegt auf Sparkonten.“ Das sagt der erfahrene Bankmanager Thomas Göthling vom Vorstand der Raiffeisenbank Lauenburg und denkt dabei an die Corona-Pandemie, die geschlossenen Geschäfte und Reisebeschränkungen, die wenig Anlass bieten, Geld auszugeben. Es sei „ein sehr unschönes Thema, sowohl für die Kunden als auch für uns als Bank“, sagt Göthling über die Praxis, dass auch die Raiba demnächst wohl ab einem bestimmten Betrag Verwahrentgelte von Privatkunden einfordern werde.
„Das Vorgehen passt überhaupt nicht in unserer Rechtsform“
Auch seine Genossenschaftsbank, die rund 16.000 Privat-, Kommunal- und Firmenkunden betreut, müsse sich aus wirtschaftlichen Gründen den Niedrigzinsvorgaben der Europäischen Zentralbank beugen. Obwohl: „Dieses Vorgehen passt überhaupt nicht in unsere Rechtsform.“
Bisher hat die Raiba nur für Kommunal- und Firmenkunden Verwahrentgelte ab einem Sockelbetrag von 250.000 Euro erhoben. Nur eine geringe Anzahl von Kunden sei bisher davon betroffen – doch das wird sich wohl bald ändern. Die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg – sie betreut 8000 Gewerbe- und 87.000 Privatkunden – ist da bereits etwas weiter und wird demnächst Strafzinsen für Privatkunden ab einem noch nicht festgelegten Freibetrag verlangen.
Sparkasse Holstein geht anderen Weg: Höhe des Freibetrags ist individuell
Während andere Banken in Hamburg in der überwiegenden Mehrheit Freibeträge von 50.000 oder 100.000 Euro ohne Strafzinsen gewähren, geht die Sparkasse Holstein, seit rund einem Jahr in Bergedorf im Sachsentor 7 ansässig und mit einem Kundenstamm im mittleren dreistelligen Bereich, einen anderen Weg. „Wir unterhalten uns mit jedem Kunden individuell, differenzieren nicht nach Bestands- oder Neukunden“, sagt der Regionalleiter Privatkunden Helge Schoof. Tatsächlich werde „die Höhe des Freibetrags im Gespräch individuell vereinbart“ und richte sich auch nach dem „Geschäftsvolumen“.