Hamburg. Ein junger Bergedorfer streitet vor Gericht über einen gescheiterten Dreier – und geht ins Detail. Die Staatsanwältin reagiert entnervt.

„Dreier noch heute“, lockte die Anzeige. Da zögerte der Bergedorfer P. (27) nicht lange und bestellte sich zwei Prostituierte um 4 Uhr morgens in sein Haus an der Holtenklinker Straße. Doch das erotische Abenteuer blieb aus. Dafür verätzte eine der Damen ihn im Intimbereich mit einer Salzlösung und zückte sogar ein Messer, als er die bereits gezahlten 330 Euro zurückforderte.

So jedenfalls die Version des Bergedorfers. Donnerstag war nun Auftakt der Verhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg. An diesem ersten Prozesstag trifft der eher unauffällig wirkende Freier nach eineinhalb Jahren die Prostituierte Cindy B. (23) erstmals wieder. Wer die zweite Dame war, konnte die Polizei nicht ermitteln.

Prostituierte sollen Bergedorfer Freier verätzt haben

Cindy B. (23) erscheint im Studentenlook vor der Richterin: weiße Sneaker, Jeans, unschuldiger Zopf. Doch dazu gibt es ein tiefes Dekolleté – und auch die tätowierten Hände passen nicht ins Bild.

„Es wäre mein erstes Mal mit zwei Frauen gewesen“, gesteht P. gleich zu Beginn des viereinhalbstündigen ersten Verhandlungstags. Allerdings gehe er, der als Handwerker im Hamburger Hafen arbeitet, regelmäßig zu Prostituierten. Er kenne sich also aus in diesem Metier.

Doch in der fraglichen Nacht war alles anders. Nach seiner Darstellung verätzten Cindy B. und ihre Komplizin ihm mit einer Mischung aus Desinfektionsmittel und Kochsalzlösung den Intimbereich.

Freier beklagt nicht erbrachte „All-inclusive-Leistung“

Doch die vermeintliche Täterin schildert die Nacht völlig anders. Im Saal des Amtsgerichtes beschreibt Cindy B., wie sie mit einem handelsüblichen Hygiene-Gel zunächst den Intimbereich ihres Freiers gesäubert hat, bevor es zum vereinbarten Sex kommen sollte. Doch P. sei gar nicht mehr in der Lage gewesen, Sex zu haben. Ihre Vermutung: Er stand unter Drogen. Denn er sei immer aggressiver geworden, habe sie schließlich sogar angegriffen.

Der Bergedorfer hält im Gericht dagegen: Er sei über die nicht erbrachte Leistung des angereisten Damen-Duos entsetzt gewesen. Denn die vereinbarten 330 Euro habe er schließlich im Voraus in bar bezahlt. Das angebliche „All-inclusive-Paket“ sei schlicht eine Mogelpackung gewesen. Beide Damen hätten sich nicht mal ausziehen wollen. Und statt eines erregenden Vorspiels hätten sie sich die ganze Zeit über Make-up unterhalten.

Auf das coronabedingt nur kleine Publikum im Saal 290 des Hamburger Amtsgerichts wirkten die Aussagen so, als wenn zwei gänzlich verschiedene Situationen beschrieben würden. Das einzig Verbindende: Es ging um käuflichen Sex. Auch die Richterin beginnt zu rätseln. Energisch fragt sie nach, versucht zu verstehen, was denn nun wirklich an der Holtenklinker Straße in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 2020 um 4 Uhr morgens passiert ist. Und was eine „All-inclusive-Leistung“ im Sexgewerbe überhaupt umfasst.

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Der Einzige im Saal, der nicht um den heißen Brei herumredet, ist ausgerechnet der Bergedorfer. Er beschreibt alle Details der angebotenen Leistung – von Lesbenspielen über Oralverkehr bis zur Dildo-Show und natürlich dem großen Finale. Doch auf die Frage, was wirklich passiert ist, bleibt er sehr nebulös – und widerspricht mehrfach seiner eigenen Schilderung im Protokoll der Polizei kurz nach der Tat.

Auch die Staatsanwältin ist entnervt: „So sehe ich keine Chance auf Aufklärung.“ Ob sie gar auf Freispruch für Cindy B. plädieren wird, lässt sie offen. Der Prozess wird am 18. Februar fortgesetzt.