Hamburg. Das Haus ist das derzeit ungewöhnlichste Angebot auf dem Hamburger Immobilienmarkt. Erwerber brauchen aber Kondition.
Er ist fast 120 Jahre alt, wurde 1983 zu einem extravaganten Wohnhaus umgebaut – und ist nun zu haben: Der Bergedorfer Wasserturm von 1902, gleich hinter dem Luisen-Gymnasium am Wald gelegen, wird vom Amtsgericht auf Antrag der Haspa zwangsversteigert. Der Verkehrswert des denkmalgeschützten Turms, der fachlich als Einfamilienhaus gilt, wurde auf 1,1 Millionen Euro festgelegt. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass Liebhaber beim Termin am 14. September höhere Gebote abgeben.
Auf seinen knapp 32 Metern Höhe hat der Riese am Rand des Villengebiets insgesamt sechs Wohnebenen zu bieten. Hinzu kommt der Keller, in dem sich ein Bad mit Sauna befindet. Alle Ebenen sind, wie es sich für einen ehemaligen Wasserturm gehört, mit einer massiven Treppe verbunden, die 186 Stufen zählt und sich zunächst innen an der Turmwand hinauf zieht.
Bergedorfer Wasserturm ist hochwertig und modern
Derzeit nicht bewohnt, bescheinigt der Gutachter der Immobilie einen „sehr gepflegten Zustand“. Ohnehin sei „die Ausstattung des Wasserturms sehr hochwertig, modern und besonders“, heißt es im 41 Seiten starken Gutachten von 2019, für das fast alle Ebenen in Augenschein genommen werden konnten. Die dicken Backsteinmauern im Fuß und die gedämmten Außenwände des weiß verputzten Kopfes ließen sich demnach mit der Gasheizung vom Keller aus gut heizen. Nur die Außenanlagen auf dem 347 Quadratmeter kleinen Grundstück seien „nicht sonderlich gepflegt“.
Betreten wird der Turm durch eine repräsentative doppelflügelige Tür, die baulich besonders hervorgehoben ist. Dahinter befinden sich ein 13,5 Quadratmeter großes gefliestes Entree und das etwa 31,5 Quadratmeter große Wohnzimmer mit Kamin, Fußbodenheizung und den historischen Wasserleitungen. Alles hat natürlich runde Außenwände, schließlich handelt es sich um einen Turm mit insgesamt fast 280 Quadratmetern Wohnfläche.
Wasserturm hat drei Etagen
Die Treppe hinauf liegt über dem Erdgeschoss ein 38,5 Quadratmeter großer Wohnraum mit Parkett, Fußbodenheizung und ebenfalls einem Kamin. Das nächste Stockwerk ist der Küche vorbehalten, die komplett ausgestattet ist und wie alle Etagen zwar nur über wenige Fenster verfügt, aber nach Einschätzung des Gutachters dennoch genügend Tageslicht hat.
Der dritte Stock beherbergt das Badezimmer und im Treppenbereich einen weiteren Raum, sodass eine Tür das Bad vor neugierigen Blicken abschotten kann. Darüber beginnt der Turmkopf, in dem die bis hier an der Wand entlang geführte Treppe zur Wendeltreppe in der Mitte des Turms wird. Links und rechts wurde hier je ein Schlafzimmer eingebaut. Damit endet der eigentliche Wohnbereich.
Hobbyraum im Wasserturm fast vier Meter hoch
Wer weiter aufsteigt, kommt zum Freizeitteil des Turms, muss bis dahin allerdings noch eine Etage passieren, in der die Technik für die auf dem Dach stehenden, mit weißem Kunststoff verblendeten Mobilfunk-Antennen untergebracht ist. In Stockwerk Nummer sechs befindet sich ein fast 60 Quadratmeter großer, bis zu vier Meter hoher Hobbyraum direkt unter dem runden, mit Schieferschindeln gedeckten Kuppeldach des Turms.
In der Mitte des Hobbyraums windet sich die Wendeltreppe weiter nach oben, wo sie auf einer runden Dachterrasse endet. Die hatte einst stattliche 30 Quadratmeter, wird heute aber fast komplett von den verkleideten Mobilfunk-Antennen eingenommen. Geblieben ist nur ein schmaler Umlauf.
Zwangsversteigerung am 14. September in Hamburg
Die öffentliche Zwangsversteigerung des Bergedorfer Wasserturms am Dienstag, 14. September, 10 Uhr, ist coronabedingt nicht im Bergedorfer Amtsgericht angesetzt. In dessen Saal dürften nur drei Gäste der Auktion beiwohnen. Damit mehr Interessenten Platz finden, wird im Saal „Vereinigte 5 Hamburger Logen“ an der Welckerstraße 8 nahe Stephansplatz in der Hamburger Altstadt versteigert. Hier sind gemäß Corona-Schutzverordnung maximal 50 Gäste zugelassen.
Bergedorfer Wasserturm – schön oder doch nicht?
Der Wasserturm wurde 1902 auf der höchsten Erhebung Bergedorfs gebaut. Von hier versorgte er die ganze, damals noch eigenständige Stadt Bergedorf mit Trinkwasser. Das wurde vom wenige Hundert Meter entfernten Wasserwerk am Möörkenweg hinauf gepumpt.
Wie vor 120 Jahren üblich, ist der Turm als stolzes Zeichen des Fortschritts baulich aufwendig mit Backstein- und Putzfassade gestaltet worden. Wenige Jahrzehnte später galten Wassertürme in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings als unschön. Die Folge: Als Oberbaudirektor Fritz Schumacher 1930/31 das Luisen-Gymnasium baute, entwarf er dessen mächtigen Aula-Flügel so, dass er den Turm bis heute verdeckt.