Bergedorf. . Bergedorf. Die Bewohner des Bergedorfer Wasserturms sind „plötzlich arm“ - und geben bei SAT.1 angeblich Einblick in ihr Leben.

Rund 1,6 Millionen Menschen schalten ein, wenn „Plötzlich arm, plötzlich reich“ auf SAT.1 über den Bildschirm flimmert. Mittwochabend, 20.15 Uhr, könnten auch etliche Bergedorfer dabei sein, die bei Reality-TV-Serien mit ihrem hohen Fremdschäm-Potenzial sonst eher wegschauen. Denn die dritte Folge der aktuellen Staffel spielt zu großen Teilen in Bergedorfs wohl ungewöhnlichster Immobilie: dem historischen Wasserturm am Luisen-Gymnasium.

Turmherr Kai Kobold (36) und sein Lebensgefährte Marcus Hotzahn (35), auf den ersten Blick ein sympathisches schwules Paar, wagen „Das Experiment“ und tauschen für sieben Tage ihre Luxusimmobilie, ihren Lebensstil, Termine und vor allem ihre Haushaltskasse mit der vierköpfigen Familie Domke aus ­Bremens Arbeiterviertel Gröpelingen.

Gegensätze effektvoll inszeniert

Santo Domke (arbeitsloser Hafenarbeiter und Hartz-IV-Empfänger) und seine Frau Malgorzata „Goscha“ (Gelegenheits-Putzfrau) ziehen mit Tochter und Sohn in den Bergedorfer Wasserturm, die Turmbesitzer in die schlichte Drei-Zimmer-Wohnung der Familie. Dann prallen Gegensätze – dramaturgisch effektvoll inszeniert – aufeinander. Denn natürlich birgt das ungewohnte Leben ungeahnte Herausforderungen für beide Seiten.

„Wir bereuen das Experiment nicht“, sagt Kai Kobold auf Anfrage: „Es hat uns gelehrt, Dinge, die wir als selbstverständlich erachtet haben, nun wertzuschätzen.“ Tatsächlich präsentiert sich das betont schwule Männerpaar dem Zuschauer eher peinlich-protzig, dekadent und vor allem äußerst lebensfremd.

Turnschuhe im Turmtresor

3960 Euro beträgt das Wochenbudget des Duos, das stolz Designerschuhe für 3500 Euro das Paar („zweimal getragen“) aus dem Turmtresor holt, während die Rolex und Breitling-Edel-Chronometer wie Ausstellungsstücke auf der Anrichte im Windfang des Turms lagern. „Wann war ich das letzte Mal in einem Aldi drin?“, fragt sich Kai Kobold.

Die TV-Show gäbe ihm die Möglichkeit dazu, denn nun müssen die beiden mit dem Wochenbudget (185 Euro) der vierköpfigen Familie auskommen. Eine Qual ohne Beluga-Kaviar! Sie essen Pommes rot/weiß an der Bude, während die Tauschfamilie im französischen Gourmettempel diniert.

Freudentränen in Nahaufnahme

Kai Kobold füllt die alte Badewanne mit dem löchrigen Schlauch, während „Goscha“ Domke sich in Berlin bei Star-Friseur Udo Walz aufhübschen lässt. Der „schwerreiche“ Antiquitätenhändler und sein Lebensgefährte müssen Second-Hand-Möbel aus dem Sozialkaufhaus schleppen, während Familie Domke im Taxi auf Shopping-Tour geht, zu jedem erstandenen Stück dramatisch in Nahaufnahme Freudentränen vergießt. „Es tut mal sehr gut, nicht immer Nein sagen zu müssen“, so der Ex-Staplerfahrer Santo Domke: „Ich sehe die strahlenden Gesichter der Kinder, kann ihnen endlich ein paar Wünsche erfüllen.“

Die „arme“ Familie ist reich an Zusammenhalt und Pragmatismus. Ganz im Gegensatz zu den beiden Bergedorfern. „Fegt man die Treppe erst oder wischt man zuerst?“, blickt der Krankenhausentwickler und Antiquitätenhändler fragend seinen Freund an. Nach dem Fußballtraining mit den Klassenkameraden des Tauschsohns muss er zugeben: „Ich bin überrascht, dass ich Kinder mögen kann.“

„Geld macht nicht glücklich“

Der Off-Sprecher fasst zusammen: „Nie hätte der schwerreiche Unternehmer gedacht, dass er Spaß haben kann, ohne dafür zu zahlen.“ So sind am Ende die mutmaßlich Armen reich und die vermeintlich Reichen ganz schön arm dran. Quintessenz des Turmherrn: „Geld macht nicht glücklich. Da hatte meine Mama doch recht!“

Warum sollte man sich 90 Minuten lang Plattitüden und Binsenweisheiten ansehen? Nein, dafür gibt es wirklich keinen Grund! Aber eine Entschuldigung: Die SAT.1-Dokusoap bietet jedem Zuschauer Einblicke in den 150 Jahre alten Wasserturm neben dem Schulhof des Luisen-Gymnasiums. Wie lebt man auf 300 Quadratmeter Fläche, verteilt auf sieben Etagen? Wie schaut es auf der 32 Meter hohen Aussichtsplattform aus, wie im Turmzimmer, zu dem 186 Stufen emporführen und die Haushälterin Jelena fleißig wischt.

Stil ist nicht das Ende des Besens

„Ich weiß nicht, wie man eine Waschmaschine bedient oder wie man Treppen putzt – das gebe ich zu“, sagt Turmbesitzer Kai Kobold im bz-Interview: „Wenn ich in meinem Job 500 Euro die Stunde verdiene, dann wäre es doch töricht, ich würde die Treppe putzen.“

Vielleicht braucht es noch weitere Auftritte in Dokusoaps, bis die Erkenntnis einsetzt: Stil ist nicht das Ende des Besens. Kai Kobold: „Ich habe schon weitere Angebote von TV-Firmen. Aber ins Jungle-Camp gehe ich niemals. Das ist nicht echt – alles fake!“