Hamburg. Vor acht Jahren erlebt Franziska Berg aus Bergedorf einen Schicksalsschlag. Inzwischen hat sich ihr Blick auf das Leben geändert.

Seit 2019 können Rollstuhlfahrer auf einem Inklusionstruck beim Schlagermove mitfahren, mitten durch das knallbunte Getümmel. Die Bergedorferinnen Franziska Berg und ihre Mutter Ulrike sind am 25. Mai dabei. Nach mehreren Anläufen hat es dieses Jahr geklappt: „Bisher haben wir die Bewerbungsfrist immer verpasst“, erzählt Ulrike Berg. „Aber diesmal habe ich mir den Termin ganz dick im Kalender angestrichen.“ Das Mutter-Tochter-Gespann hatte Glück, denn es wurde aus einer Vielzahl an Bewerbern aus ganz Deutschland ausgewählt.

„Wir bekommen Bewerbungen von überall her“, erzählt SchlagersängerPeter Sebastian, der die Initiative vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat. Er gehört zum Förderkreis zugunsten unfallgeschädigter Kinder. Der Verein setzt das Projekt zusammen mit der Deutschen Muskelschwund-Hilfe um. „Natürlich fällt uns die Auswahl nicht leicht, aber wer dieses Jahr keinen Platz bekommen hat, den schreiben wir fürs nächste Jahr an“, erzählt er.

Schlagermove Hamburg: Franziska Berg aus Bergedorf ist das erste Mal dabei

In den vergangenen Jahren seien die Teilnehmer nach der Veranstaltung häufig beseelt nach Hause gekehrt. „Man konnte die Freude und den Spaß in ihren Augen sehen“, erzählt Sebastian. „Ich bin jedes Jahr genauso gespannt und aufgeregt wie die Teilnehmer.“

Das Gedränge beim Schlagermove ist für Rollstuhlfahrer eine große Herausforderung.
Das Gedränge beim Schlagermove ist für Rollstuhlfahrer eine große Herausforderung. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Auch bei Franziska und Mutter Ulrike wächst die Spannung täglich. Die 31-jährige Franziska war noch nie auf dem Schlagermove, die 53-jährige Ulrike Berg ist ein großer Fan der kultigen Veranstaltung mit den bunten Kostümen und war schon einige Male dort.

Franziska Berg sitzt seit einem Unfall vor acht Jahren im Rollstuhl. Damals lebte sie in Berlin. An einem Wochenende besuchte sie ihre Eltern in Bergedorf. Bei der Rückfahrt verlor sie auf regennasser Straße die Kontrolle über ihr Auto. Ihr kleiner Smart überschlug sich mehrfach. „Ich weiß nur noch, dass ich mit einer Hand den Lenker festgehalten habe, mit der anderen meinen Hund“, erzählt sie.

Berg erinnert sich an den Tag, der ihr Leben für immer veränderte

Sie wachte auf, als die ersten Rettungskräfte an der Unfallstelle waren. „Ein Sanitäter fragte mich, ob ich was spüre. Das tat ich nicht. Ab da wusste ich bereits, dass ich querschnittsgelähmt bin“, erinnert sie sich an den Tag zurück, der ihr Leben komplett veränderte. Bei dem Aufprall brach ihre Wirbelsäule. „Manchmal spüre ich bis heute noch so ein Kribbeln und Ziehen im Oberschenkel, dass die Nerven sich verbinden wollen, es aber nicht können“, erzählt sie.

Der Rollstuhltruck fährt seit 2019 beim Schlagermove mit.
Der Rollstuhltruck fährt seit 2019 beim Schlagermove mit. © Daniela Flesch | Daniela Flesch

Nach dem Unfall wurde sie direkt in das Reha-Krankenhaus nach Boberg gebracht und operiert. Danach folgten Monate mit Ergo- und Physiotherapie. „Man weiß am Anfang gar nicht, wie es weitergehen soll“, sagt sie. Ihre Eltern hätten in dieser Zeit alles Organisatorische für sie erledigt. „Das war auch für uns alles neu“, erzählt Mutter Ulrike Berg. Ihre Wohnung im vierten Stock musste die damals 24-Jährige aufgeben und wieder in ihre Heimat zurückziehen.

Massenveranstaltungen sind schwierig für Franziska Berg

„Der gute Aspekt war, dass ich wieder näher zu meiner Familie gezogen bin“, sagt sie. Außerdem sei sie vor dem Schicksalsschlag ein Workaholic gewesen, heute hat sich der Blick aufs Leben geändert. „Ich habe erlebt, wie schnell doch alles vorbei sein kann. Deshalb ist mir heute eine gute Work-Life-Balance wichtig“, erzählt sie.

Inzwischen lebt Franziska Berg allein in Allermöhe, hat ihren Bachelor in Gesundheitsmanagement gemacht, arbeitet Vollzeit und ist viel unterwegs. In ihrer Freizeit ist sie sehr aktiv: „Ich verreise gerne“, erzählt sie. Zuletzt war sie in Dubai. „Da war vieles sehr behindertengerecht“, erzählt sie.

Schlagermove: Rolf Zuckowski fährt ebenfalls auf dem Truck mit

Die Vorfreude auf den Schlagermove wächst von Tag zu Tag: „Ich bin richtig glücklich, dass ich auf dem Truck mitfahren kann“, sagt sie. Denn unten bei den Zuschauern sei es ihr viel zu eng. Einerseits hätte sie Angst, jemandem mit ihrem Rollstuhl bei der Enge über den Fuß zu fahren, andererseits, dass jemand auf sie falle. Daher würde sie solche Massenveranstaltungen sonst eher meiden.

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Darüber hinaus, sei es ein großer Vorteil für sie, dass es dort direkt auf dem Truck eine Toilette gebe. Das Suchen nach einer behindertengerechten Toilette würde im Alltag oft viel Zeit kosten. Auf dem Inklusionstruck Nr. 17 unter dem Motto „Alle in einem Boot – aus Freude am Leben“ wird in diesem Jahr der Komponist und Sänger Rolf Zuckowski dabei sein. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dieses großartige Projekt zu unterstützen“, sagt der Kinderliederautor.

Der Schlagermove findet am 24. und 25. Mai statt – wegen der Fußball-EM etwas früher im Jahr als sonst. Am Freitag geht’s ab 19 Uhr mit einer Warm-up-Party los. Am Sonnabend von 15 bis 19 Uhr folgt der große Umzug von der Reeperbahn bis zu den Landungsbrücken. Startpunkt ist am Heiligengeistfeld.