Hamburg. Das einzige Drachenboot-Inklusionsteam der Hansestadt existiert seit zwölf Jahren – und wird immer besser. Worum es den Paddlern geht.
Das Drachenboot-Inklusionsteam des Sportvereins Nettelnburg/Allermöhe (SVNA) ist eine Erfolgsgeschichte, die hamburgweit ihresgleichen sucht: Seit zwölf Jahren sind Sportler mit Handicap in den Paddelsport integriert. Aktuell sitzen zehn Menschen mit Behinderung – vom Autisten, dem sein Handicap kaum anzumerken ist, bis zum mehrfach eingeschränkten Sportler mit geistiger und körperlicher Behinderung – gemeinsam in einem Boot mit Paddlern ohne Handicap. Die Drachenjäger mit ihrem gleichnamigen Boot sind das einzige Inklusionsteam in ganz Hamburg.
Der SVNA hat zwei Drachenboote und zwei Teams: Neben den Drachenjägern gibt es auch die SVNAquaglider, die nicht inklusiv sind und die sich wenige Jahre vor den Drachenjägern gründeten. „Die Drachenjäger entstanden nach einem Drachenbootrennen, das unsere Abteilung für Fun-Teams auf dem Serrahn organisiert hatte“, sagt Heiner Zwiebelmann. Der 68-Jährige ist der Vorsitzende des SVNA, Leiter der Drachenbootabteilung und selbst SVNAquaglider. „Damals hatte der Verein Leben mit Behinderung ein Inklusionsteam am Start, das viel Spaß an dem Rennen hatte. Im Frühjahr darauf wurde das Integrationsteam mit Menschen in der Betreuung des Vereins gegründet“, sagt Zwiebelmann und fügt hinzu: „Heute kommen die Integrationssportler auch aus anderen Einrichtungen.“
Die Drachenjäger des SVNA – eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht
Betreut werden sie von vier Kameraden, darunter Anne Becke und Michael Futh, Sportler, die hauptberuflich mit Menschen mit Behinderung arbeiten oder gearbeitet haben.
In ein Drachenboot passen 20 Paddler, ein Trommler, der den Takt vorgibt, und ein Steuermann. Weil die Drachenjäger, insgesamt 14 Sportler, gern in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Boot sitzen, trainieren sie oft gemeinsam mit den SVNAquaglidern. Letztere zählen gut 30 Mitglieder, sodass oft zwei voll besetzte Boote starten können. 16 Paddler seien für das korrekte Betreiben der aus China stammenden Sportart mindestens notwendig, betont der Vereinsvorsitzende. „Bei den Wettbewerben helfen auch SVNAquaglider aus, um das Boot voll zu kriegen“, sagt Zwiebelmann.
In beiden Teams sind neue Mitstreiter – mit oder ohne Handicap – willkommen
Weil nicht immer alle Paddler zum Training und zu den Wettbewerben kommen, freuen sich die Drachenbootfahrer über neue Gesichter – in beiden Teams. Sie trainieren – ab April – donnerstags ab 18.30 Uhr, auf der Regattastrecke Allermöhe, die SVNAquaglider auch dienstags ab 18.30 Uhr. „Unverbindliches Mitfahren ist jederzeit möglich“, sagt der Abteilungsleiter. Wer Gefallen an dem Sport findet und im Boot bleiben möchte, der wird SVNA-Mitglied und zahlt als Erwachsener 20 Euro Grund- und Spartenbeitrag im Monat. Für Menschen mit Handicap gibt es eine Ermäßigung. Internet: www.svnaquaglider.de. Auf der Seite findet sich auch ein Link zu den Drachenjägern.
Die Betreuer organisieren die An- und Abreise, wenn das Inklusions-Team eine Stunde lang auf der Dove-Elbe trainiert. Start und Ziel ist das Bootshaus („Hobbit-Höhlen“) zwischen Eichbaumsee und Dove-Elbe.
Beim jüngsten Michael-Stich-Cup ließen die Drachenjäger sieben Teams hinter sich
Die Drachenjäger sind mit Feuereifer dabei, aber der Spaß und das Dabeisein, der Teamgeist und das gemeinsame Agieren stehen im Vordergrund. Siege bei Wettbewerben sind nebensächlich, wenn das Team bei Rennen wie dem jährlichen Michael-Stich-Cup im Juni gegen rund 20 weitere Boote antritt – in der Regel als einziges Inklusionsteam. „Die Drachenjäger treten dort bereits seit elf Jahren an. Die Zeiten, in denen sie regelmäßig als Letzte durchs Ziel kamen, sind längst vorbei“, sagt Nico Blume. Er trainiert das Team vor Wettkämpfen, ist dann auch vor Ort dabei, genau so wie der eigentliche Drachenjäger-Trainer Stefan George.
Die sportlichen Leistungen der gehandicapten Sportler verbesserten sich stetig, betont Blume: Im vergangenen Jahr belegte die SVNA-Mannschaft sogar Platz elf, ließ sie sieben Teams hinter sich. „Sie fällt nicht weiter auf, ist dabei wie alle anderen auch“, betont der Trainer. Die Gruppe brauche nur genug Routine. Blume: „Die Drachenjäger sind ehrgeizig, wollen besser werden.“ Vergangenes Jahr war das Inklusionsteam auch bei vier anderen Rennen am Start, unter anderem auf dem Arendsee in Sachsen-Anhalt. „Wir haben für solche Ausflüge zwei Vereinsbusse, Neun-Sitzer, zur Verfügung, außerdem werden auch private Fahrservice organisiert“, sagt Zwiebelmann.
Sicherheit steht an erster Stelle: Alle im Boot tragen Schwimmwesten
Die gehandicapten Drachenjäger leben allesamt im Bezirk Bergedorf, bis auf eine Sportlerin, die in Harburg wohnt. Die Sportler sind zwischen Mitte 20 bis Mitte 40. Einige sind seit vielen Jahren dabei, weiß Zwiebelmann. Zwei der vier Betreuer kümmerten sich seit der ersten Stunde um die hilfebedürftigen Sportler.
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Sicherheit stehe an erster Stelle, zumal nicht alle Drachenjäger schwimmen können, betonen die Drachenboot-Paddler. Alle Bootsinsassen trügen Schwimmwesten, auch die Betreuer. Zwar sei das Boot noch nie gekentert, doch man agiere mit besonderer Vorsicht, auch und gerade beim Ein- und Aussteigen. „Dafür wird der Truppe auch bei Wettbewerben mehr Zeit als üblich zugestanden“, sagt Blume.
Das Paddeln im Team steigert das Selbstwertgefühl der Sportler
Für einen jungen Mann mit Handicap, der nur seine linke Körperhälfte kontrollieren kann und im Boot deshalb stets links sitzen muss, bauten die Kameraden ein Spezialpaddel. „Es ermöglicht ihm, auch seinen rechten Arm eingeschränkt zu nutzen, die Bewegung des Paddels mit beiden Armen mitzunehmen“, sagt Blume. Es gebe genug Handwerker und Ingenieure in der Drachenboot-Abteilung fügt Zwiebelmann hinzu: „Die haben auch den Umbau unseres Bootshauses gewuppt.“
Die Paddler, egal ob mit oder ohne Handicap, verbessern durch den Sport ihre Motorik. Die Mitarbeit im Team steigert ihr Selbstwertgefühl. Zwischen den beiden Drachenboot-Teams des SVNA bestehe eine starke Partnerschaft, betont Susann Ebbeke von den SVNAquaglidern: „Wir helfen den Drachenjägern natürlich, etwa beim Wasser und Herausziehen ihres langen Bootes. So ein Team braucht ein Partnerteam, das sich kümmert – und das sind wir.“
Die Drachenboot-Abteilung öffnet am 4. Mai ihre Türen für Besucher
Am Sonnabend, 4. Mai, 13 bis 18 Uhr, gibt es am Bootshaus einen Tag der offenen Tür. Der Weg zur Anlage wird vom Parkplatz P1 am Eichbaumsee aus ausgeschildert sein. Blume. „Man kann uns auch auf Google Maps im Internet finden, wenn man ‚SVNA-Bootshaus‘ eingibt.“