Kirchwerder. Sechs Frauen treffen einmal im Monat Besucher zum Austausch in vertrauter Runde. Worauf es ihnen bei der Trauerbegleitung ankommt.

Männer und Frauen, die den Verlust eines geliebten Menschen erlitten haben, müssen mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz nicht allein bleiben. Auch dann nicht, wenn sie keine Verwandten oder Freunde haben, mit denen sie sprechen können, etwa, weil die kein Verständnis dafür haben, dass auch nach vielen Monaten noch getrauert wird. Wer Hilfe benötigt, der kann sich monatlich im Trauercafé Kirchwerder mit anderen Besuchern (Leidensgenossen) und mit den Organisatorinnen (qualifizierten Kräften) austauschen. Die Nachfrage nach Gesprächen in intimer Runde ist seit dem ersten Trauercafé vor sechs Jahren stetig gewachsen, berichten die Frauen aus dem Organisations-Team. Zu ihnen zählt neuerdings auch Kirsten Timm (58) aus Reinbek.

Zehn bis zwölf Menschen besuchen durchschnittlich das Trauercafé, darunter allerdings höchstens ein bis zwei Männer. Etwa die Hälfte der Trostsuchenden würden die Organisatorinnen als Stammgäste bezeichnen – Besucher, die mindestens seit einigen Monaten dabei sind. Eine Frau nehme bereits seit Jahren an den Treffen teil. Der Mann der Seniorin sei bereits vor Jahren gestorben. „Sie hat ihre Trauer weitgehend verarbeitet, fühlt sich aber in dieser Gemeinschaft wohl“, sagt Claudia Peitzner (48, Fünfhausen) aus dem Team. „Diese Besucherin hat einen anderen Blick auf die Gruppe, bringt sich anders ein als Gäste, die noch nicht so lange dabei sind. Sie baut andere mit ihrer Erfahrung im Umgang mit Trauer auf.“

Trauercafé Kirchwerder gibt Halt nach Verlust eines geliebten Menschen

Die Frau habe sich anderen gegenüber geöffnet, sei gut mit sich umgegangen. Es sei wichtig, soziale Kontakte zu pflegen, wieder zu reisen und sich auf seine Hobbys und Interessen zu besinnen, betonen die Trauercafé-Betreuerinnen. „Man sollte die Sachen angehen, die sonst der Partner gemacht hat, etwa Behördenangelegenheiten regeln oder ein Regal anschrauben. Wenn man etwas selbst nicht kann, sollte man den Nachbarn aktiv um Hilfe bitten“, sagt Jennifer Marks (46, Fünfhausen) aus dem Team.

Jennifer Marks war 2018 einige Monate lang als Besucherin im Trauercafé. „Damals war mein Vater gestorben. Das hatte mich in eine Sinnkrise gestürzt“, sagt sie. Vor drei Jahren kehrte sie zurück – als Mitarbeiterin, die ebenfalls eine Qualifikation zur Trauerbegleiterin erworben hatte. „Das Trauercafé hat mir damals geholfen. Später wollte ich dann anderen helfen. Das ist auch heute noch meine Motivation.“

Drei der sechs Frauen aus dem Organisationsteam von Anfang an dabei

Die Treffen sind monatlich montags oder mittwochs zwischen 18 und 20 Uhr in der Pastoratsscheune am Kirchenheerweg. „Seit vergangenem Jahr treffen wir uns monatlich“, sagt Claudia Peitzner. Den regelmäßigen Besuchern seien die zweimonatlichen Treffen zu wenig gewesen. Claudia Peitzner hat das Trauercafé mit ins Leben gerufen, ebenso Anngret Timmann und Dorthe Peitzner (Cousine des Mannes von Claudia Peitzner), die beide ebenfalls noch dabei sind.

Kirsten Timm hat von Anngret Timmann von der Gruppe erfahren, als sie eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin machte. „Mein Eintritt passte auch insofern, als eine Frau aus dem Team, Astrid Hahn, die Gruppe verlassen wollte.“ Claudia Peitzner bestätigt, dass die Gruppe „mit sechs Frauen gut aufgestellt“ sei. Nicht alle seien bei jedem monatlichen Treffen dabei, aber drei Frauen seien notwendig, betont Ina Kühn (65, Kirchwerder), die sich ebenfalls ehrenamtlich im Trauercafé engagiert: „Schließlich werden auch viele Einzelgespräche geführt, etwa, wenn jemand zum ersten Mal dabei ist.“

Die Angst vor dem Tod wurde ihr ein Stück weit genommen

Kirsten Timm arbeitet auch ehrenamtlich für den Hospizdienst Bergedorf, trifft Angehörige von todkranken Menschen. Sie ist zudem auch als Begleiterin von Schwerstkranken und Sterbenden qualifiziert, denen sie ebenfalls viel Zeit spendet. Ihr Geld verdient die 58-Jährige, eine gelernte Programmiererin, als Angestellte eines Bestattungsinstituts. „Früher fand ich den Tod seltsam, hatte davor auch Angst“, sagt die Reinbekerin. Sie sei neugierig darauf gewesen, zu schauen, was dahinter steckt. Viele Sterbende, die sie begleitet habe, seien friedlich eingeschlafen, berichtet Kirsten Timm. Das habe ihr „ein Stück weit die Angst vor dem Tod genommen“. Sie habe nun einen anderen Blickwinkel.

„Es muss gut sein auf der anderen Seite – schließlich ist noch keiner zurückgekommen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Kirsten Timms Arbeit mit Schwerstkranken und Sterbenden, aber auch mit deren Angehörigen, vermittle ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. „Man verschenkt Zeit – und bekommt dafür etwas zurück. Das ist ein gutes Gefühl. Es ist erfüllend.“

Die Ehrenamtlichen bekommen etwas zurück: „Das ist erfüllend“

Ihre Arbeit mit Schwerstkranken und Sterbenden, aber auch mit deren Angehörigen, vermittle ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. „Man verschenkt Zeit – und bekommt dafür etwas zurück. Das ist ein gutes Gefühl. Es ist erfüllend.“ Auch beim Trauercafé herrsche „eine große Verbundenheit“ zwischen den Gästen und dem Team, betont Claudia Peitzner. „Die Besucher vertrauen uns. Schließlich besprechen wir ja sehr persönliche Dinge.“

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Bei jedem Trauercafé-Treffen stellen die Frauen ein Thema in den Vordergrund, als eine Art Einstieg in die Gesprächsrunde, beispielsweise nach dem Vortrag von Texten aus der Fachliteratur. Beim nächsten Trauercafé am Mittwoch, 13. März, heißt es „Überwindung – Raus aus der Lethargie“. In der Regel gehe es nach der etwa viertelstündigen Themenvorstellung dann schnell um die eigenen Erfahrungen der Besucher.

Von Kreditinstituten 1500 Euro für Weiterbildung bekommen

Die Kirche stelle nur den Raum zur Verfügung, „ansonsten sind wir losgelöst von Kirche und Religion“, betont Claudia Peitzner. Eine Anmeldung zu den Treffen ist nicht notwendig. Die Teilnahme ist kostenlos, Spenden zur Finanzierung der Getränke und Kekse sind erwünscht.

Kürzlich erhielt das Team eine größere Spende: Den mit 1000 Euro dotierten Ehrenamts-Preis der Hamburger Sparkasse und 500 Euro von der Vierländer Volksbank. Das Geld investierten die Frauen in team- und weiterbildende Maßnahmen. Auf der Insel Langeoog verbrachten sie ein Wochenende mit Pferde-gestütztem Coaching. „Wir haben viel darüber gelernt, wie man in Kontakt tritt“, sagt Claudia Peitzner. Es sei dabei um den offenen Umgang mit anderen gegangen, darum, wie man sich selbst verhalte.

„Pferde verbergen ihre Gefühle nicht – und sie wollen einen klaren Weg aufgezeigt bekommen“, sagt Kirsten Timm. Der Wochenend-Trip habe auch das Team zusammengeschweißt, betonen die Frauen. Am Sonntag, 30. Juni, wollen sie mit den Trauercafé-Gästen ein ähnliches Pferde-Projekt starten, auf dem Harderhof in Moorfleet.