Bergedorf. Langschläfer, Partygänger, Familien, Meditierende, Bastler: Bei Pilotprojekt in Bergedorf soll sich jeder wiederfinden – auch Ostern.
Ab sofort darf der Sonntagsgottesdienst in Bergedorf auch mal erst um 11 Uhr beginnen. Oder es wird meditiert. Oder mit einer Live-Band gefeiert. Oder Familien wird mit buntem Programm samt abschließendem gemeinsamen Essen viel Zeit geboten, um andere Familien kennenzulernen. „Wir wollen weg von starren Formaten und hin zu einer Kirche, die sich öffnet für die Wünsche und Interessen der Bergedorfer“, beschreibt Pastorin Angelika Schmidt die Idee, einen Ort der Begegnung zu schaffen, vielleicht aus dem Gottes-Dienst einen Dienst am Menschen zu machen.
Drei Monate, bis Ende Mai, soll diese „Frühlingskirche“ zunächst laufen. Am Ende des Pilotprojekts wird dann entscheiden, ob verlängert wird, wo kleine oder auch größere Änderungen erforderlich sind. Bis dahin präsentieren sich drei der sechs Gotteshäuser im evangelisch-lutherischen Kirchspiel Bergedorf als Spezialkirchen – wobei sie natürlich immer allen Gästen offenstehen und manche positive Überraschung im Ärmel haben. Die Spanne reicht von Jugend- über Familien- und meditativer Kirche bis zu drei Häusern mit zeitlich wie inhaltlich aufgefrischtem Standardprogramm.
Junge Kirche St. Michael – mit Live-Band und Aftershow-Party bei Billard und Tischkicker und Salzstangen
Konkret ist St. Michael auf dem Gojenberg jetzt die junge Kirche, stets mit Live-Band und oft mit Aftershow bei Kicker, Billard und Salzstangen im Jugendkeller. Denn hier ist der Sonntagsgottesdienst jetzt immer erst für 18 Uhr angesetzt. Zur Premiere am vergangenen Wochenende lockte „Messe meets Pop“ mehr als 150 Besucher. „Das war das Fünffache eines normalen Sonntags und sorgte für richtige Partystimmung in unserer auch vom Mobiliar her passend umgestalteten Kirche“, sagt Pastorin Johanna Paatz-Gillmeister. Weiter geht es hier am kommenden Sonntag mit „Sing and Pray“ und der Band Pegasus.
Nettelnburgs Bugenhagenkirche stellt als „Kirche kunterbunt“ jetzt die Familien in den Mittelpunkt. Jeden Sonntag von 11 bis 13 Uhr tritt der eigentliche Gottesdienst hier in die zweite Reihe, denn im Vordergrund steht das Treffen von Nachbarn, das Kennenlernen. Und das geht so: Nach einer ausgiebigen Begrüßung folgen verschiedene kleine Aktionen wie zuletzt ein gemeinsames Quiz, es gibt viel Raum zum Spielen und nur ein kleines Zeitfenster für Gebet und Predigt. Abschließend folgt stets ein gemeinsames Mittagessen für alle Gäste.
Gnadenkirche setzt auf Meditation und Gefühl – auch Improtheater ist hier ein Thema
In Lohbrügge ist das 60er-Jahre-Haus der Gnadenkirche am Schulenburgring jetzt mit markantem runden Teppich in Rot zum meditativen Standort des Kirchspiels Bergedorf geworden. Hier stehen jetzt Gottesdienst-Formate auf dem Programm, die das Gefühl in den Mittelpunkt stellen. Dabei kann Stille eine große Rolle spielen, aber auch liturgischer Tanz oder sogar Improtheater. Beginn ist sonntags jeweils um 16 Uhr.
Die anderen drei Häuser des Kirchspiels orientieren sich dagegen enger am gewohnten Gottesdienst, wenn auch mit einigen Freiheiten. So setzt Lohbrügges Erlöserkirche durch ihren besonderen Klang jetzt besonders auf Musik und ist ab sofort die Kirche für die Frühaufsteher: Ihre Gottesdienste beginnen sonntags jetzt stets schon um 9.30 Uhr. Zur gewohnten Zeit um 10 Uhr lädt Neuallermöhes Franz-von-Assisi-Kirche nun zu Gebet und Predigt, während St. Petri und Pauli im Herzen Bergedorfs jetzt die Langschläfer begrüßt: Um 11 Uhr öffnen Pastorin Chang-Mi Dallat und ihr Kollege Andreas Baldenius hier die Türen.
Bergdorfs Pastoren wechseln bei der „Frühlingskirche“ gern mal zwischen den Gemeinden
Tatsächlich werden beide, wie auch alle anderen Kollegen aus dem Kirchspiel Bergedorf, in diesen Frühlingsmonaten auch immer mal wieder in einer anderen Gemeinde den Gottesdienst halten. Geplant und gestaltet wird der jeweils von einem Team aus ehren- und hauptamtlichen Gemeindemitgliedern. Die Wanderung der Pastoren zwischen den sechs Kirchen nimmt die personelle Entwicklung bis zum Ende des Jahrzehnts schon vorweg: Bleibt es so, wie es heute absehbar ist, werden statt zehn dann nur noch vier Pastoren im Kirchspiel tätig sein.
Ein Weg, die schlimmsten Aussichten doch noch abzuwenden, dürfte die Resonanz bei den Gottesdiensten sein, sofern sie mittelfristig zur Stabilisierung der Mitgliedszahlen führt. Ein wichtiger Gradmesser dafür dürfte das kommende Osterfest sein: „Auch das werden wir von Gründonnerstag über Karfreitag bis Ostersonntag und -montag mit den innovativen Ideen der ‚Bergedorfer Frühlingskirche‘ gestalten“, kündigt Andreas Baldenius an.
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So wird es am Ostermontag in der Nettelnburger Bugenhagenkirche beim Familienprogramm „Ei like Ostern“ ab 11 Uhr besonders bunt. St. Michael lädt für Gründonnerstag, 18 Uhr, zum „Eat, Love and Pray“-Abendmahl für junge und junggebliebene Gäste an den Gojenberg 26. Und die Gnadenkirche am Schulenburgring lädt zusammen mit der Geschichtswerkstatt Rostock ein, Jesus‘ Leidensgeschichte an 13 Stationen nachzubauen – mit Materialien von Sand über Bauklötze bis zu Sperrmüll. Und zwar sowohl an Gründonnerstag als auch Karfreitag und Ostersonntag jeweils ab 18 Uhr.
Dass Bergedorfs evangelisch-lutherische Kirchen genau jetzt zeigen, dass sie weit mehr können als nur 10-Uhr-Sonntagsgottesdienste, „liegt am guten Teamgeist im Kirchspiel Bergedorf“, sagt Pastorin Angelika Schmidt. 2008 gegründet, gibt es heute eine enge Zusammenarbeit. Wer Lust hat, die modernen Gottesdienste mitzugestalten, kann jederzeit zu einem der Teams dazustoßen. Alle Details gibt es unter www.kirchspiel-bergedorf.de und bei Pastor Andreas Baldenius unter Telefon 040/7215639,