Hamburg. „Wir wollen Schule neu denken“, sagt Marion Zirkel-Maas. Wie sich das pädagogische Konzept von anderen Gymnasien unterscheiden soll.
Der traditionelle Frontalunterricht im geschlossenen Klassenzimmer hat längst ausgedient. Aber wie lernt es sich heutzutage am besten? Darüber darf sich Marion Zirkel-Maas spätestens seit Mai 2022 viele Gedanken machen. Denn die 50-Jährige ist seither die Gründungsschulleiterin des neuen Bille-Gymnasiums, das für rund 27 Millionen Euro an der Billwerder Straße geplant wird. Wo ehedem eine Förderschule stand, wird zum Jahreswechsel 2024/25 der Baustart gefeiert. „Hoffentlich bekommen wir rechtzeitig vor den Sommerferien den Schlüssel, denn der Schulstart soll im August 2026 sein“, sagt Zirkel-Maas.
Deutsch und Latein hat sie studiert, bevor sie zum Bergedorfer Luisen-Gymnasium wechselte, seit 2012 am Hansa-Gymnasium unterrichtet, wo sie inzwischen die Abteilung der Oberstufe leitet. Und neuerdings widmet sie 20 Prozent ihrer Arbeitszeit dem neuen Bille-Gymnasium, das 3,5-zügig geplant ist, aufwachsend: Zunächst also werden Fünftklässler erwartet, die aus dem Einzugsgebiet stammen: „Das werden Kinder vom Schilfpark sein und aus dem Stuhlrohrquartier. Die wechseln dann wohl aus Nettelnburg und von der neuen Dello-Grundschule zu uns“, so die Rektorin in spe, die eines Tages gut 780 Schülerinnen und Schüler bis zum Abitur führen kann, gemeinsam mit etwa 50 Lehrkräften.
Gymnasium in Bergedorf: Lehrkräfte fördern als Mentoren das selbstbestimmte Lernen
Und die dürfen sich alle auf eine neue Lernkultur freuen: Während sich die anderen fünf Gymnasien des Bezirks auf Musik, MINT-Fächer oder auf bilinguales Lernen spezialisiert haben, soll hier die Resilienz im Vordergrund stehen, also eine „starke, gesunde Schulfamilie, die auch das einzelne Kind, das sich psychisch belastet fühlt, im Blick haben kann“, so Marion Zirkel-Maas, die künftige Lehrkräfte eher als Mentoren oder Lernbegleiter versteht: „Wenn sich die Schüler einzeln oder kleinen Teams selbst organisieren und selbständig lernen, bleibt auch mehr Luft, um sich um Einzelne zu kümmern.“
Freiarbeitsflächen, Marktplätze und kleine, gläserne Lern-Nischen sollen es möglich machen, im eigenen Tempo zu lernen, gern fächerübergreifend. „Bei uns können die Schüler mehr selbst festlegen, was sie interessiert und wie sie projektbezogen lernen, auch an außerschulischen Orten.“ Für die größeren Schüler sei eine Gleitzeit denkbar, damit sie etwa morgens eine Stunde länger schlafen, ihre Hausaufgaben in den Nachmittag verschieben.
Rektorin in spe plant Lernkultur, die auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten ist
Die Jüngeren brauchen indes noch etwas mehr Struktur, vielleicht mit zwei bis drei Tagen verbindlichem Unterricht am Nachmittag. „Das fördert auch die Bildungsgerechtigkeit, schließlich wollen wir nicht nach der Orientierungsstufe wieder abschulen, sondern möglichst alle Kinder am Gymnasium behalten. Ein solcher Ganztag muss bei der Behörde beantragt werden“, weiß die neue Schulleiterin. Sie feilt mit acht Kollegen im Gründungsteam – Lehrern und einer Sozialpädagogin – am pädagogischen Konzept: „Wir wollen Schule neu denken.“
Auf jeden Fall soll die Gesundheit im Vordergrund stehen, denn seit Corona fühlen sich ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen psychisch belastet, denken täglich angstvoll an Kriege und Klimakrise. „Wir wollen sie motivieren, damit sie wissen, warum sie Dinge lernen. Wer selbst mitbestimmen kann, hat auch mehr Lernerfolge“, formuliert die Pädagogin, was ein bisschen nach der anthroposophischen Grundidee klingt. Sie setzt auf Beziehungsarbeit und auf den OECD-Lernkompass 2030: Demnach sollten neben Fachwissen auch die vier K-Skills vermittelt werden: Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation. Dazu mögen Haltungen und Werte den Charakter prägen.
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„Wir wollen das Selbstbewusstsein fördern. Es darf nicht weiter sein, dass die Schüler ständig unter dem Druck stehen, sich zu labeln und keine Selbstwirksamkeit erleben“, sagt Marion Zirkel-Maas, die mit ihrer Frau (einer Lehrerin am Luisen-Gymnasium) in Wentorf lebt. Den Aufbau einer neuen Schule sieht die 50-Jährige als große Chance: „Wir werden uns über eine neue Lernkultur definieren, die stärker auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten ist.“
Bille-Gymnasium bekommt Co-Working-Space, höhenverstellbare Tische und gemütliche Sofaecken
Das wird sich auch in den Räumen widerspiegeln: Der Eingang des Haupthauses soll über eine Multifunktionshalle zu Fach- und Klassenräumen führen, zum Lehrerzimmer und zur Mensa. Ein zweites Gebäude nimmt auch Beratungszimmer für Sozialpädagogen auf „und einen Co-Working-Space, zu dem man früher vielleicht Bibliothek gesagt hätte“, so die Gründungsschulleiterin, die sich höhenverstellbare Tische wünscht, gemütliche Sofaecken und Sitzsäcke.
Nicht zuletzt möge es eine „bewegte Schule“ werden, nicht allein, weil sich dem Bioraum ein Schulgarten anschließen könnte. Das gesamte Gelände möge etwa durch Treppen, Hängematten und Schaukeln im „grünen Klassenzimmer“ zu Bewegungspausen im Unterricht einladen – nicht zuletzt die geplante Zweifeld-Sporthalle. In einer solchen „Lernlandschaft“ mögen Bergedorfs Schüler fit für ihre Zukunft werden.