Hamburg. Beim Handwerkerforum kommen vor Vertretern aus Politik und Verwaltung diverse Probleme zur Sprache. So etwa EU-Vorgaben.
Das Bergedorfer Handwerkerforum ist Erntedankfest, Gerichtstag und Zukunftsbeschwörung zugleich. So fasste Jörg Ungerer von der Handwerkskammer Hamburg jetzt im Hotel Alt Lohbrügger Hof die Tradition des Aschermittwoch-Treffens zusammen. Nach Grußworten von Bezirkshandwerkmeister Christian Hamburg (Ewald Hamburg GmbH) und Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann wurden zunächst die Bergedorfer Landessieger aus den jüngsten Azubi-Jahrgängen geehrt sowie die Ausbildungsbetriebe, die ihre „Frischlinge“ zu standfesten Vertretern ihrer Zunft machen. Auch das erste Thema war damit auf dem Tisch: Der Mangel an Nachwuchs ist eine von vielen Sorgen, die das Handwerk umtreibt.
Mit Blick auf die Wahl zur Bezirksversammlung auch in Bergedorf am 9. Juni stellten sich Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien den Themen, die das Handwerk beschäftigt. Neben dem Mangel an Auszubildenden ist es der Wunsch nach Bürokratieabbau, die Suche nach Flächen für neue Hallen und Werkstätten und die Probleme, die sich aus der Verkehrswende ergeben. Hinzu kommt der Ärger über zeitfressende Prozesse, die durch die Umsetzung von EU-Vorgaben auf deutsches Recht und deutsche Normen eine schlanke Fertigung nahezu unmöglich machen.
Beim Aschermittwoch äußern Bergedorfs Handwerker viele Sorgen
„Heißt zum Beispiel, dass ein Tischlereibetrieb für jede Art von Brandschutzfenster eine separate bauaufsichtliche Zulassung braucht. Ein kleiner Betrieb kann unter diesen Umständen vielleicht nur noch einen Typ Fenster bauen, weil er die Zertifizierung dafür auch noch teuer bezahlen muss“, erklärt Christian Hamburg, dessen eigene Mitarbeiter gerade eine Schulung absolvierten, um weiterhin Bauschaum verarbeiten zu dürfen. „Der Laie geht morgen zu Obi, holt sich seine Tube Bauschaum und legt los, ohne zu wissen, welche Gefahren von dem Stoff ausgehen“, kommentiert Hamburg eine Entwicklung, die vielen immer abstruser erscheint.
Beim Ärger um EU-Vorgaben kann der Bezirk kaum helfen. Wenn es um Parkgenehmigungen oder Beschleunigung von Anträgen geht, schon. Dass das mit offenen Türen in der Verwaltung in Bergedorf funktioniert, bestätigen viele. Mehr Transparenz wünscht man sich noch bei den Vergabeplänen von Flächen und der Ausweisung neuer Gewerbegebiete.
Viele Betriebe wünschen sich mehr Planungssicherheit
In der Diskussion über die Initiativen zur Stärkung des Bergedorfer Handwerks hören alle Handwerksvertreter sehr genau hin. Dabei ist es dem Publikum egal, welche Partei sich welche Erfolge ans Revers heftet. Es hilft nichts, wenn alles zu lange dauert. Ob Curslacker Heerweg, Oberbillwerder, Innovationspark oder die Flächen östlich des Speckenweg – Planungssicherheit sehen viele Betriebsinhaber noch nicht. Die Politik verweist hier auf die Schaffung einer neuen Stelle bei der Wirtschaftsförderung, die, so Julian Emrich (CDU), „das Ohr ganz nah an den Betrieben“ haben soll, nicht nur reagiert, sondern „proaktiv“ arbeitet.
Einig ist man sich auf dem Podium auch über die notwendige Stärkung des Handwerks an den Schulen. Um Handwerksberufe attraktiver zu machen, braucht es wieder mehr Werkräume in den Schulen, da sei der Bezirk mit den entsprechenden Stellen im Gespräch. Mit dem Lehrstellen-Atlas hat Bergedorf immerhin schon ein Instrument in der Hand, um das ihn Betriebe aus anderen Bezirken beneiden.
Deutlich unruhig wird es im Saal bei der Frage nach den Auswirkungen der Mobilitätswende. Nach verschiedenen Wortmeldungen wird klar, wie schwierig die Lage in Hamburg und Bergedorf ist. Mitarbeiter finden keine Parkplätze, geschweige denn Abstellflächen für großes Gerät. Die Antragstellung zur Einrichtung von Sonderparkzonen dauert, je nach Bezirk bis zu sechs Wochen. Auch an dieser Stelle gibt es ein Lob für die Bergedorfer Verwaltung. „Auf kleinem Dienstweg ist der bei uns in drei bis sechs Tagen zu haben“, so Zimmermeister Sebastian Pietsch.
Gleich im Anschluss legt der frühere Bezirkshandwerksmeister Peter Aue den Finger wieder in die Wunde: „Rund um die Bergedorfer Schlossstraße und den Bergedorfer Markt geht bald gar nichts mehr“ warnt Aue. Klar ist: Es gibt einen Konflikt zwischen denen, die eine erlebnisreiche Innenstadt mit autofreien Räumen möchten und denen, die diese Politik für fehlgeleitet halten. Klar ist aber auch: Wo Baustellen entstehen, müssen Handwerker hin. In naher Zukunft könnte das in der Bergedorfer Schlossstraße für Probleme sorgen.
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Sonja Jacobsen (FDP) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nach den Umbauten vor Ort auch wieder ein öffentlich zugängliches Parkhaus mit 300 Plätzen geben wird, darunter auch Stellflächen für Handwerksbetriebe. Sie, wie Katja Kramer (SPD) und Lenka Brodbeck (Die Grünen), plädiert für einen fairen Interessensausgleich und bessere Information über bereits bestehenden, aber ungenutzten Parkraum, den es zum Beispiel im ehemaligen Glunz-Haus am Mohnhof gibt.
Für die Zukunft wünschen sich nicht nur Bergedorfs Handwerker, sondern auch viele Gewerbetreibende mehr Rücksicht auf jene, die auf das Auto nicht verzichten können. Augenoptikermeisterin Monika Oesterling weiß aus Kundengesprächen, dass dazu viele ältere Kunden gehören, genauso wie Lieferanten und Pflegedienste. Die Erreichbarkeit, so Oesterling, sei das A und O für das Überleben kleiner Geschäfte und Betriebe in der Stadt. Dass es in Bergedorf bunt bleibt, darauf kann man sich nach knapp zweistündiger Diskussion einigen.