Hamburg/Kirchwerder. Ein von Sabine Schnau aus Kirchwerder gegründeter Verein unterstützt ein UKE-Team. Über ihre leidvollen Erfahrungen mit NCL.
Sabine Schnau aus Kirchwerder sammelt mit ihrem Verein Nächstenliebe Spenden, um die Forschungsarbeit zu einer seltenen Stoffwechselkrankheit unterstützen: Neuronale Ceroid Lipofuszinose (NCL). Nun überreichte sie an die Forschungsgruppe in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) die bisher größte Summe: 130.000 Euro.
Vor der Spendenübergabe in der Klinik an der Martinistraße in Eppendorf informierte die 59-Jährige rund 30 Interessierte – Vereinsmitglieder, Förderer und Freunde des Vereins sowie Klinikmitarbeiter – über die Arbeit des Vereins. Oberärztin Angela Schulz, Leiterin der NCL-Forschungsgruppe in Eppendorf, berichtete wiederum über den Stand der Forschung und Fortschritte bei der Behandlung der unheilbaren Stoffwechselkrankheit, die von beiden Eltern an die Kinder vererbt wird.
UKE Hamburg: 130.000 Euro für den Kampf gegen eine tödliche Krankheit
Seit mehr als 20 Jahren werden im UKE Daten zur Erforschung der verschiedenen NCL-Varianten gesammelt. „In dieser Zeit haben wir viel über die Krankheit gelernt“, sagt Angela Schulz. 2013 gab es testweise erste Therapien: Ein wichtiges Enzym, das bei den von der genetischen Krankheit betroffenen Kindern fehlt, wurde – wie eine Infusion – über einen Katheter in den Hirn-Innenraum gebracht.
„22 Kinder wurden damals weltweit behandelt, davon zwölf hier in Hamburg“, sagt Angela Schulz. Nachdem sich die Patienten „stabil verhalten“ haben, wurde der Wirkstoff 2017 als Medikament zugelassen. Heute werden mehr als 50 Kinder damit regelmäßig im UKE behandelt. In Eppendorf befindet sich das erste und größte Spezialzentrum zur Behandlung dieser seltenen Krankheit.
Die riskante Therapie begleitet die Patienten ihr Leben lang
Die ersten Patienten von damals sind inzwischen volljährig, berichtet die Oberärztin. Sie seien durch die Behandlung deutlich weniger in ihrer Entwicklung eingeschränkt als NCL-Kinder ohne Therapie. Weil ihre Zellen verstopfen und absterben, sind zunächst nur die Augen betroffen, im Verlauf der Erbkrankheit dann alle Nervenzellen. Die Patienten werden meist keine 30 Jahre alt.
Die jungen Patienten müssen sich alle zwei Wochen einer aufwendigen, vierstündigen Prozedur unterziehen, die nicht ohne Risiko ist. Durch die „Infusion“ können trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Keime und Bakterien in den Körper gelangen. Eine Metallkapsel, die unter der Kopfhaut eingepflanzt worden ist, wird alle vier Jahre ausgetauscht, um Gesundheitsschäden durch Materialverschleiß vorzubeugen. Die riskante Therapie begleitet die Patienten ihr Leben lang. An der Entwicklung anderer Therapien, etwa einer Gen-Therapie, werde gearbeitet.
Wichtig ist eine frühe Diagnose, bevor die Krankheit ausbricht
„Wir können Nervenzellen nicht nachwachsen lassen, die Krankheit nicht heilen, aber sie lindern, ihren Fortlauf verlangsamen und die Lebensqualität verbessern“, sagt Angela Schulz. Wichtig sei, die Krankheit früh zu diagnostizieren, „bevor sie ausbricht“. Dann sei der Behandlungserfolg am höchsten. Der jüngste Patient sei erst sechs Monate alt gewesen, als bei ihm mit der Therapie begonnen worden war, berichtet Chemiker Christian Posern aus der Forschungsgruppe.
Die Arbeit der NCL-Forschungsgruppe wird „fast nur durch Spenden und öffentliche Forschungsgelder finanziert“, betont die Oberärztin. Um so größer die Freude über die 130.000 Euro, „eine der bisher größten Spenden“, von Sabine Schnaus Verein. Zweieinhalb Jahre lang hatte der Verein das Geld gesammelt. Ein Privatmann aus Hamburg, der anonym bleiben will, ist mit einer großen Einzelspende beteiligt.
Eine NCL-Sprechstunde dauert in der Regel drei bis vier Stunden
In der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin sind insgesamt 15 Mitarbeiter ausschließlich mit NCL befasst, darunter sechs Kinderärzte, Kinderkrankenschwestern und Wissenschaftler. „Eine Sprechstunde dauert bei uns nicht 20 Minuten, sondern drei bis vier Stunden, weil die Eltern so viele Fragen zu dieser seltenen Krankheit und ihren Behandlungsmöglichkeiten haben“, sagt Angela Schulz.
Sabine Schnau hatte vor fast 30 Jahren ihr zweites Kind Jan-Hendrik geboren, als sie erfuhr, dass ihr Erstgeborener André, damals sechs Jahre jung, die unheilbare Erbkrankheit in sich trägt. Fünf Jahre später dann die traurige Erkenntnis, dass auch Jan-Hendrik an NCL erkrankt ist. Die Mutter fiel in ein tiefes Loch – befreite sich daraus und gründete den Verein Nächstenliebe, in dem sich heute rund 40 Mitglieder ehrenamtlich engagieren. Sie organisierten unter anderem Konzerte, um Spendengeld einzuwerben.
Die Musik der JunX bringt den an NCL erkrankten Jan-Hendrik Schnau „in die Spur“
André Schnau starb 2014 im Alter von 26 Jahren. Als eingefleischter HSV-Fan wurde er in der Nähe des Stadions in Stellingen begraben. Die sterblichen Überreste ihres Erstgeborenen hatte sie zuvor den Experten im UKE für die Erforschung der Krankheit zur Verfügung gestellt. „Heute, zehn Jahre später, weiß ich noch immer, dass das richtig so war“, sagt Sabine Schnau. Ihr Zweitgeborener wird dieses Jahr 30 Jahre alt, lebt in einer betreuten Wohngruppe. Er ist großer Fan des Schlagerpopduos Die JunX, Gunnar Schmidt (51) und Christopher Garbers (49), die wie Sabine Schnau in Kirchwerder wohnen. „Ihre Musik bringt ihn in die Spur. Er konnte die Lieder der JunX schnell auswendig“, sagt ihr Lebensgefährte Ralf Heinemann (61).
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Die JunX lernten ihren wohl größten Fan kennen, sind mit ihm und dessen Mutter nun schon länger befreundet, und unterstützen den Verein Nächstenliebe, auf den sie etwa bei ihren Konzerten aufmerksam machen. „Wichtig ist, dass man sich überhaupt für etwas einsetzt, was einem wichtig ist“, sagt Gunnar Schmidt und fügt hinzu: „Einfach einsetzen, hinschauen und machen.“
Zunächst sind nur die Augen betroffen, im Verlauf der Krankheit dann alle Nervenzellen
Neuronale Ceroid Lipofuszinose ist eine sehr seltene und unheilbare Stoffwechselkrankheit, die von beiden Elternteilen an die Kinder mit einer 25-prozentigen Gewissheit vererbt wird. In jedem menschlichen Körper sammeln sich durch den Stoffwechsel Fettstoffe (Ceroidlipofuszin) in den Nervenzellen an, die durch ein Enzym wieder abgebaut werden müssen, damit die Zellen atmen und arbeiten können. Bei NCL-Kindern fehlt dieses wichtige Enzym.
Die Zellen verstopfen und sterben ab. Zunächst sind nur die Augen betroffen, im Verlauf der Krankheit alle Nervenzellen (Quelle: nclnaechstenliebe.de). Am Universitätsklinikum Eppendorf wird die Krankheit erforscht, untersuchen Wissenschaftler, warum die Nervenzellen absterben. Wer helfen möchte, spendet auf das Konto des Vereins Nächstenliebe: IBAN DE72 2003 0000 0621 9287 79.