Hamburg. Es war das Herzensprojekt von Florian Giese. Die Folgen des Ukraine-Kriegs hatte das Geschäft überstanden. Jetzt folgt doch Insolvenz.
Jetzt ist es doch passiert. Noch im Frühjahr sah es so aus, als könnte der Bergedorfer Unverpacktladen „Onkel Emma“ dem Trend der Branche trotzen. Als könne sich das Geschäft an seinem Standort am Reetwerder über Wasser halten. Doch am 8. Dezember hat Betreiber Florian Giese vorläufige Insolvenz anmelden müssen. Die Crowdfunding-Kampagne auf Startnext.com, mit der finanzielle Löcher gestopft werden sollten, brach der Kaufmann ab.
Auf der Plattform gibt Giese Einblicke in die Entwicklung der vergangenen Monate. Mindestens 5000 Euro wollte er bis zum 9. Dezember auf Startnext einsammeln. Es habe eine finanzielle Lücke gegeben, die „so nicht vorauszusehen war.“ Neben der wirtschaftlich weiterhin schwierigen Lage schlug sich das Team von „Onkel Emma“ demnach mit einem Schädlingsbefall herum, der im Sommer ohne eigenes Verschulden aufgetreten sein soll. Außerdem wurde der Marktwagen, den Giese eigentlich verkaufen wollte, bei einem Unfall beschädigt. „Mittelschwere Katastrophen“ seien das gewesen.
Florian Gieses Unverpacktladen „Onkel Emma“ muss Insolvenz anmelden
Der Kaufmann wollte mit dem eingesammelten Geld die Zeit überbrücken, bis das Gefährt entweder verkauft oder wieder einsatzbereit war. Doch kurz vor Ablauf des eingeplanten Zeitraums zog er die Reißleine und ließ die Finanzierungskampagne absichtlich scheitern. Das bereits zugesagte Geld wird den Unterstützern jetzt nicht abgezogen. Stattdessen folgte der Gang zum Amtsgericht. „Wir haben wirklich alles getan, was wir konnten, um eine Insolvenz zu verhindern und bis zuletzt begründete Hoffnung gehabt, dass sich alles richtet. Leider hat es nicht gereicht“, schreibt Giese.
Anfang Dezember sei eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen. „Uns war ziemlich schnell klar, dass dies das Ende bedeutet“, sagt Giese. Das Amtsgericht Hamburg hat jetzt Rechtsanwalt Christian M. Scholz zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt. Der Jurist gibt sich am Telefon zugeknöpft. Es sei zu früh, um Aussagen zur Zukunft des Geschäfts zu treffen. Auch Giese selbst möchte auf Nachfrage noch nicht mit der Bergedorfer Zeitung reden. Das Geschäft ist bis auf Weiteres regulär geöffnet. Dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und sonnabends von 10 bis 15 Uhr können Kunden im Laden am Reetwerder 8 einkaufen.
„So ein Verfahren dauert seine Zeit (Wochen bis Monate) und niemand ist daran interessiert, den Laden zu schließen, sodass keine Einnahmen mehr fließen“, betont der Ladenbesitzer auf Startnext. Er zeigt verschiedene Wege für die Zukunft auf. Das Unternehmen könnte saniert werden. Giese ist auch offen für den Einstieg eines Investors. Aber auch eine komplette Abwicklung des Unternehmens und die Auflösung der GmbH droht.
Inhaber musste schon im Frühjahr seine Mitarbeiter entlassen
„Wir sind sehr traurig. Aber wir sind auch völlig erschöpft vom Kampf um den Erhalt unseres geliebten Ladens, der nun seit Jahren anhält“, schreibt Giese. Der Kriegsbeginn nach der russischen Invasion in der Ukraine hatte Anfang 2022 die Lebensmittelpreise nach oben getrieben. Weil die Bioprodukte im Unverpacktladen schon vorher teurer waren, blieben am Reetwerder die Kunden aus.
Giese reagierte damals auf die schwierige Lage. Er entließ seine Mitarbeiter und gab den Einsatz auf Wochenmärkten auf, um sich ganz auf sein Ladengeschäft konzentrieren zu können. Ende 2022 brachten zwei private Investoren dann frisches Kapital und es sah so aus, als hätte das Unternehmen die Trendwende eingeläutet. „Onkel Emma“ führte damals außerdem ein Kundenkartensystem ein, bei der Stammkunden größere Summen im Voraus einzahlen konnten und dafür Rabatt bekamen.
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Der Bergedorfer Unverpacktladen hält jetzt schon länger durch als viele Mitbewerber in Hamburg. „Seppls“ am Bramfelder Dorfplatz sowie „Unni“ in Niendorf mussten die Segel streichen. Auch die beiden Filialen von „Stückgut“ in Ottensen und der Rindermarkthalle St. Pauli meldeten bereits Insolvenz an. Dabei galt die Hansestadt mal als Hotspot der Zero-Waste-Bewegung, seit 2014 der erste Unverpacktladen in Kiel eröffnete.
Florian Giese war mit seiner Partnerin Anfang 2019 in das Ladenlokal am Reetwerder gezogen. Der Börnsener ist gelernter Einzelhandelskaufmann und arbeitete früher als Filialleiter für einen großen Discounter. Doch die Personalpolitik beim Supermarktgiganten gefiel ihm nicht. Giese wollte lieber etwas für die Umwelt tun und gleichzeitig sein eigener Herr sein. In seinem Laden „Onkel Emma“ bietet er seitdem Lebensmittel von Trockenfrüchten und Pasta bis zu Gewürzen ohne Verpackungen an. Die Kunden füllen stattdessen alle Waren in selbst mitgebrachte Behälter und vermeiden so unnötigen Müll.