Hamburg. Bei der Thermo-Tour nehmen Experten Bergedorfer Häuser via Thermobild unter die Lupe – und finden unliebsame Überraschungen.
Energieberater Lars Beckmannshagen richtet die auf ein iPad montierte Wärmebildkamera auf das Haus von Ulrich Blaik in Lohbrügge. Im Thermobild hebt sich das Gebäude in warmen Schattierungen von Gelb und Rot deutlich vor dem tiefdunkelblau gefärbten eiskalten Nachthimmel ab. Ein Blick auf das Display macht klar, wo die Wärme der Heizung aus dem Haus strömt. „Die Fenster sind die Schwachstelle“, stellt Beckmannshagen fest. Dunkelrot leuchten die Scheiben auf dem iPad.
Der Besuch bei Ulrich Blaik ist Teil der Thermo-Tour im Bezirk Bergedorf, veranstaltet von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Sieben Hausbesitzer haben sich vorher angemeldet und wollen ihre Immobilien von Beckmannshagen und seinem Kollegen Jens Weyers mit den Wärmebildkameras untersuchen lassen.
Bergedorf: Wärmebildkamera zeigt Schwachstellen in der Dämmung von Häusern
Insgesamt sind etwa 40 Bergedorfer zu dem Rundgang am Mittwochabend, 29. November, erschienen – trotz frostiger Temperaturen. Das Thema energetische Sanierung interessiert die Menschen. Kein Wunder, angesichts des Gaspreis-Schocks nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, strengeren Maßgaben der Politik und der Klimakrise.
Der Einsatz der Wärmebildkameras soll anschaulich demonstrieren, welche unterschiedlichen Schwachstellen Häuser aufweisen können. Beckmannshagen hat dabei ein einfaches Gerät für 170 Euro auf seinem Tablet montiert. Kollege Weyers unterstützt ihn mit einer Profi-Kamera, die viele Tausend Euro kostet.
Für eine sinnvolle Messung ist mindestens eine Differenz von fünf Grad nötig
Bei der Aufnahme müssen die Experten dabei die Umgebungstemperatur und die geschätzte Innentemperatur der Häuser berücksichtigen, auch die Luftfeuchtigkeit beeinflusst das Ergebnis. „Je größer der Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen, desto mehr sieht man“, erklärt Weyers. Für eine sinnvolle Messung ist mindestens eine Differenz von fünf Grad nötig.
„Wir messen nur die Oberflächentemperatur zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort“, betont Beckmannshagen. Befindet sich beispielsweise eine Luftschicht hinter der Außenwand, könne diese im Thermobild kühl, also gut isoliert, wirken. Möglicherweise ströme die Wärme des Innenraums aber genau über diese Luftschicht an einer anderen Stelle aus dem Haus.
Ein weiterer Fallstrick seien reflektierende Oberflächen wie Metall oder Fenster. Unter bestimmten Umständen spiegeln diese den kalten Himmel wider und wirken dadurch ebenfalls besser gedämmt, als sie es eigentlich sind. Um die Aufnahmen richtig zu beurteilen, sei Fachkenntnis nötig.
Dann verraten die Aufnahmen aber durchaus Interessantes. Hausbesitzer Blaick ließ die Fassade seines 1937 erbautes Elternhauses zum Beispiel im Jahr 1981 dämmen. Die Wärmebildaufnahme zeigt aber deutlich schlechter isolierte Stellen unter den Fenstern im ersten Stock.
Dort wurde das Isoliermaterial damals anscheinend nicht richtig in die Wand eingebracht. „Die Dachflächen sind ebenfalls schlecht gedämmt“, ergänzt Beckmannshagen.
Bei einem Reihenhaus aus den 1960ern ist der Kontrast zum Nachbarhaus deutlich sichtbar. Die Nachbarn brachten sechs Zentimeter Dämmmaterial auf ihre Vorderwand auf. In der Wärmebildaufnahme scheint die Wand nun in beruhigendem Blau, im Gegensatz zum eigentlichen Objekt der Untersuchung. Immer wieder illustrieren die Aufnahmen auch, wie die Wärme aus einem schlecht isolierten Keller entweicht.
„Türen sind außerdem sehr häufig Schwachstellen, besonders wenn sie verglast sind“, sagt Beckmannshagen. Befinde sich dahinter ein Windfang mit einer zweiten, besser isolierten Tür, sei das aber oft nicht so schlimm.
Wenn Unterlagen fehlen, sind die Thermobilder hilfreich
Um die Schwachstellen eines Hauses zu identifizieren, brauche man aber nicht unbedingt eine Wärmekamera. Ein erfahrener Energieberater könne die meisten Probleme bei einer Begehung der Immobilie und bei der Durchsicht der Baupläne ausmachen. Gerade wenn Unterlagen fehlen, seien die Thermobilder aber hilfreich. Auch der Erfolg von vergangenen Sanierungsmaßnahmen lasse sich so beurteilen, wie im Fall der Fassade von Ulrich Blaik.
- Klimaschutz: Diese Gebäude sind Bergedorfs größte Energiefresser
- Deutsche pfeifen auf energetische Sanierung – kein Wunder
- Den passenden Energieberater finden
Wer sich über die energetische Sanierung seines Hauses oder seiner Wohnung Gedanken macht, kann sich in Hamburg an die Energielotsen der Hansestadt wenden. Diese liefern eine kostenlose Erstberatung per Telefon, Videocall oder im Büro eines Lotsen. Zu Themen wie Sanierungsvorhaben am Gebäude, Heizungserneuerung oder dem Einsatz von Photovoltaik sind auch Hausbesuche möglich.
„Das Haus liegt mir am Herzen, weil es mein Elternhaus ist“
Wichtig: Es handelt sich ausdrücklich um eine Erstberatung. Ab einem bestimmten Punkt müssen die Immobilienbesitzer die weitere Planung mit ihren Handwerkern oder einem kostenpflichtigen Energieberater übernehmen. „Wir weisen außerdem zwar auf Fördertöpfe hin, helfen aber nicht bei der Beantragung“, erklärt Beckmannshagen.
Hausbesitzer Ulrich Blaik muss die Erkenntnisse erst einmal sacken lassen. „Es hat sich ein bisschen bestätigt, was ich befürchtet habe“, sagt der 67-Jährige. Die Kältebrücken aufgrund der fehlerhaften Dämmung unter den Fenstern sei bedauerlich. „Das Haus liegt mir am Herzen, weil es mein Elternhaus ist“, sagt Blaik. Andererseits stünden auch Umbauten an, um das Gebäude altersgerecht zu machen. Blaik: „Ich mache jetzt in Ruhe einen Plan – eine umfassende Sanierung wäre mir aber schon lieber.“