Bergedorf. Mit dem Besucheransturm im ersten Jahr des Hauses hatte keiner gerechnet. Bücherhalle ist sehr beliebt. Es gibt aber auch Schwächen.
Es ist schon eine fast unerwartet überschwängliche Erfolgsgeschichte an der Holzhude 1, was viele Zahlen angeht: Das Körberhaus darf am 5. Dezember 2023 den ersten Geburtstag mit großem Programm feiern und gehört nach Meinung der Verantwortlichen von Körber-Stiftung und Bergedorfer Bezirksamt schon jetzt fest in die Lebenswelt vieler Bergedorfer – egal, ob es ein Theaterbesuch, eine Tasse Café, das Lesen einer Tageszeitung oder das Chillen in einer kleinen Nische ist. Einen ganz erheblichen Anteil am Erfolg in Jahr eins haben auch die acht Kooperanten im Haus. Doch es gibt auch Makel im und um den Prestigebau herum.
Die Frage, die sich insbesondere Nicole Becker-Kloth (Städtische Leitung Körberhaus) und Eva Nemela (Leitung des Hauses für die Körber-Stiftung) stellten: Nehmen die Bergedorfer das Gebäude auch an? Klares Ja! Das Konzept des „zwanglosen Treffpunkts“ ohne Konsumzwang funktioniert. Insgesamt kamen seit dem Eröffnungstag geschätzte 130.000 Menschen ins Körberhaus. Ein Wert, mit dem niemand gerechnet hatte.
Das erste Jahr im Körberhaus: Zahlreiche Veranstaltungen, Bücherhalle boomt
Auch beim Blick auf das, was es tatsächlich bisher im Haus gab, durfte gestaunt werden: Etwa 5000 Veranstaltungen gingen im Körberhaus über die Bühne – und das nicht nur auf den zuschauerträchtigsten Orten wie dem 458 Plätze fassenden Lichtwarktheater oder dem Körbersaal für 120 Personen. Das Bezirksamt stemmte auf seinen Flächen etwa 1500 Veranstaltungen unterschiedlichster Richtungen, die Körber-Stiftung mit 2360 etwas mehr, den wichtigen Rest steuerten Partner wie Awo Bergedorf, Bücherhalle oder Volkshochschule bei. Kneipenquiz, Faltenrock, Studio Lichtwark, Spielabende, Tag der Nachbarschaft – um nur einige zu nennen.
Auch die Bücherhalle im Körberhaus macht sich prächtig: 59 Prozent mehr Besucher (jetzt 119.421), ein Plus von 82 Prozent bei den Neuanmeldungen (jetzt 1269), immerhin 15 Prozent mehr Ausleihen (jetzt 177.151). Dazu ein Anstieg von 179 auf 641 Veranstaltungen in den neuen Räumen. Alle Referenzwerte gezählt jeweils von Januar bis September 2022 und 2023 am alten (Alte Holstenstraße) und am neuen Standort
Ältere Mitbürger freuen sich über zwei Anlaufstellen
„Die Leute lieben die Aufenthaltsqualität. Und bei uns muss keiner leise herumschleichen“, analysiert Sina Schröder, Sprecherin der Hamburger Bücherhallen, warum sich der weniger bibliothesque Ansatz in Bergedorf so auszahlt. FlexiBib scheint bei ohnehin opulenten Öffnungszeiten (Montag bis Sonnabend 7 bis 22 Uhr) ein Übriges getan zu haben.
Was sich ebenfalls auch gerade in der Bergedorder Bücherhalle zeigt: Das Körberhaus ist zum Treffpunkt aller Generationen geworden. Im alten Haus im Park am Gräpelweg regierte vornehmlich und auch gewollt die Altersgruppe 60+. Jetzt jedoch bevölkern auch Schüler und Studenten bis 22 Uhr Nischen und Aktionsräume, nisten sich in der Bücherhalle ein.
Auch die einstige HiP-Stammklientel mag das neue Haus. Wobei doch auch eine gewisse Anzahl an älteren Bergedorfern zum Gräpelweg zurückkehrte und die dortigen Angebote des Vereins Begegnungszentrum im Park wertschätzt. „Das ist doch toll, dass wir für Ältere zwei Zuhause in Bergedorf haben“, nimmt Nemela es locker. Sie kann mit Kollegin Becker-Kloth vermerken: Auch andere Kulturen haben das Körberhaus für sich entdeckt.
Ob die Laufwege bis zu Elphi-Abenden stimmen?
Klar, die Körberhaus-Geburtstagssause am 5. Dezember 2023 ist von 10 bis 20.30 Uhr durchorganisiert. Und für 2024 steht auch schon einiges fest: Gleich zweimal stehen musikalische Kooperationen mit der Elbphilharmonie („Chor zur Welt“, „Klangzeit“) an. Als eines der größeren Highlights fungiert auch das „Chorfestival“ (3. bis 5. Mai) gemeinsam mit der Bergedorfer Zeitung. Nicole Becker-Kloth wünscht sich: „Wir möchten uns künftig weniger vorstellen, die Leute sollen einfach kommen und mitmachen.“
Doch immer alle gleichzeitig? Gerade zum Start des Theaterbetriebs wurde es zuweilen unübersichtlich im Foyer. „Da stimmen die Laufwege manchmal noch nicht so“, beobachtete Eva Nemela. Die Warteschlangen an der Garderobe, an mobilen Getränkestationen und dem ständig frequentierten Eingangs- und Ausgangsbereich überschnitten sich und sorgten für Frust.
Gastronomie hadert – auch wegen der schönen Brücke
Letzteren gibt es zumindest in einem Teilaspekt noch bei der hausinternen Gastronomie, dem „Schmidt&Schmidtchen“, nach einem Jahr. Mit der Versorgung von Mitarbeitern des Hauses und der Gäste sowie mit dem Cateringservice für Abendevents lässt es sich leben, findet Volker Meier von der mehrfach prämierten Konditorei und Bäckerei. Was noch nicht geklappt hat: „Uns als das gute Café für Bergedorf zu etablieren. Wir leiden am meisten unter der unfertigen Eingangsituation zur Bergedorfer Straße, weil uns das Laufpublikum fehlt“, sagt Meier – und spricht damit das nächste Malus an.
Denn vom „Grünen Foyer“ mit seinen Sitzstufen ist weiterhin noch nichts zu sehen. Auch die Brücke zwischen Bergedorfer Straße und Körberhaus ist noch lange nicht freigegeben. Bekanntlich brauchte es eine neue Spundwand mit neuer Statik für die grüne Schönheit – was alles ein bisschen Zeit gekostet habe, wie Wolfgang Charles (Leiter Management des Öffentlichen Raums) zugeben muss.
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Es braucht weitere Geduld. Tatsächlich soll „der schöne Weg des Körberhauses“ (Nicole Becker-Kloth) mit der Brücke zwischen Straße und Körberhaus von Februar bis Mai 2024 fertig gebaut sein. Immerhin: In den nächsten Tagen werden sämtliche Außenflächen auf dem Inselgrundstück rund um das Körberhaus fertig. Wieder ein Pluspunkt mehr für das Körberhaus.