Ochsenwerder. Sticken auf Strick: Judit Gummlich aus Ochsenwerder hat ein Standardwerk geschrieben. „Möchte dem Handarbeiten die Strenge nehmen“.

Maschen, Stiche und Handarbeiten aller Art hatten es Judit Gummlich schon als kleines Mädchen angetan. Sie war gerade mal vier Jahre alt, da kuschelte sie sich neben ihre Oma Hedwig und guckte ganz genau dabei zu, wie ihre Großmutter Knöpfe annähte. „Von ihr habe ich alles gelernt“, erinnert sich die 47-Jährige. Deswegen stickt und strickt sie bereits seit ihrer Kindheit leidenschaftlich gern, was schließlich zu einer Maßschneider-Ausbildung und der Arbeit in mehreren Haute-Couture-Studios führte.

Von ihrem enormen Fachwissen können nun auch andere Handarbeitsbegeisterte profitieren. Denn die Marschländerin hat ein Buch darüber geschrieben und unter dem Namen „Sticken auf Strick“ ein detailliertes Standardwerk geschaffen. „Es soll eine Quelle der Inspiration sein und auf der kreativen Reise mit Nadel und Faden begleiten“, sagt die Autorin. Sie erklärt in ihrem Buch, wie ein schlichtes Strickstück mithilfe einfacher Stickstiche in etwas ganz Besonderes verwandelt werden kann: Die kuschelige Strickjacke wird mit Blüten verziert, einen Pullover schmückt eine Libelle, auf Fäustlingen ranken Blumen empor.

Handarbeiten: So wird jede Strickjacke zum besonderen Schmuckstück

Die 200 Seiten des Buches sind reich gefüllt mit Grundlagenwissen und ausführlichen Erklärungen zu jedem einzelnen Schritt – von der Planung bis zum fertigen Projekt. Das ist geeignet für jeden – vom Anfänger bis zum Profi. Allen möchte Judit Gummlich die Angst vor der Perfektion nehmen. Denn es komme keinesfalls darauf an, wie akkurat die Stiche sind: „Ich möchte dem Handarbeiten die ‚Strenge‘ nehmen, die früher oft in der Schule vermittelt worden ist“, sagt sie.

Stattdessen kann man einfach mal ausprobieren: „Sticken kann wie Malen sein, bei dem man seinen Impulsen folgen kann“, betont die Autorin, die am Theater in Konstanz eine Ausbildung zur Damenmaßschneiderin absolvierte, Theater- und Literaturwissenschaft studierte und heute am Hamburger Schauspielhaus in der Kostümabteilung arbeitet.

„Sticken auf Strick“ ist erschienen im Velrag „Laine Publishing“.
„Sticken auf Strick“ ist erschienen im Velrag „Laine Publishing“. © Simone Hawlisch | Simone Hawlisch

Als sie ihrer Heimat am Bodensee den Rücken kehrte, da wollte sie raus aus der Provinz. Nach Stationen in Bremen und Berlin landete sie schließlich in Ochsenwerder. Dort ist ihr Mann am Ochsenwerder Elbdeich aufgewachsen, und es stand nie zur Debatte, seine Heimat zu verlassen. Heute weiß Judit Gummlich auch, warum: „Hier ist es so schön. Ich möchte nie wieder woanders leben.“ Hier kann sie viel Zeit in der Natur und in ihrem großen Garten verbringen, wo sie Gemüse anbaut und auch eigene Bienenvölker hat.

Gestrickte Babykollektion für das erste Patenkind sollte etwas ganz Besonderes werden

Ihre Leidenschaft zum Sticken auf Strick begann vor etwa 13 Jahren, als sie für ihr erstes Patenkind zur Geburt eine Baby-Kollektion strickte und die handgemachten Stücke noch individueller verzieren wollte. Danach begann sie auch, ihre eigenen handgestrickten Kleidungsstücke zu verzieren und bestickte ihre eigene Strickjacke mit dekorativen Blumen. Immer häufiger wurde sie darauf angesprochen und merkte so, dass offenbar großes Interesse an der Handarbeitstechnik vorhanden ist.

So könnten gestickte Blumen und Blätter auf einem Strickstück aussehen.
So könnten gestickte Blumen und Blätter auf einem Strickstück aussehen. © Simone Hawlisch | Simone Hawlisch

Sie begann, Workshops zu dem Thema zu unterrichten, und während des ersten Lockdowns in der Corona-Pandemie entstand die Idee zu einem Buch. Der finnische Verlag Laine Publishing war dafür ihr Wunschkandidat, weil er mit stilvollen, skandinavischen Magazinen gezeigt hat, dass man auch in der Handarbeitswelt mit sehr hochwertigen und schön gestalteten Printproduktionen großen Erfolg haben kann. Also setzte Judit Gummlich alles auf eine Karte, schickte dem Verlag ihr Konzept und rannte direkt offene Türen ein.

Post-Covid-Syndrom: Nur mithilfe von Freunden gelingt Fertigstellung des Buches

Bis das Buch nun im September endlich veröffentlicht werden konnte, war es allerdings ein langer und vor allem anstrengender Weg. Denn im Frühjahr 2021, kurz vor Fertigstellung des Buches, erkrankte Judit Gummlich an Corona. Die Folgen der Erkrankung durch das Post-Covid-Syndrom belasten die 47-Jährige bis heute, weshalb die Finalisierung des Buches noch einmal zwei Jahre dauerte.

Auf Fäustlingen ranken Blumen empor.
Auf Fäustlingen ranken Blumen empor. © Simone Hawlisch | Simone Hawlisch

Nur dank der Unterstützung vieler Freundinnen, vor allem durch Lektorin Anna Maltz und Fotografin Simone Hawlisch, konnte sie das Werk vollenden. „Das Buch ist wie eine Patchworkdecke. Es besteht aus vielen kleinen Teilen, die sich zu einem großen Ganzen zusammengefügt haben, und ist mit Wissen, Können und der Erfahrung von vielen wunderbaren Menschen gefüllt.“

Deutsche Fassung ist nun wieder erhältlich

Das Buch trifft den Nerv der Zeit: Denn nicht nur Selbermachen liege im Trend, sondern auch die Nutzung und Verwertung von bereits Vorhandenem. Sie selbst – auch das hat sie von ihrer Oma gelernt, die im Zweiten Weltkrieg aus Ostpreußen geflüchtet war – weiß, dass sich auch mit dem kleinsten Garnrest noch etwas Tolles herstellen lässt. So lässt sie Wollreste, Knöpfe und Seidenbändchen aus Omas alter Nähkiste zu ganz neuem Leben erblühen.

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Die deutsche Fassung von „Sticken auf Strick“ war innerhalb weniger Woche nach der Veröffentlichung im September ausverkauft und soll nun ab dem 28. November wieder erhältlich sein. Die deutsche und die englische Version gibt es in zwei Handarbeitsgeschäften in Hamburg, bei Mylys (Weidenallee 12) und Maschenwunder (Bramfelder Chaussee 235) kostet das Buch 41 Euro. Weitere Informationen zum Buch und Verlag gibt es im Internet: https://lainepublishing.com/. Auf Instagram ist Judit Gummlich zu finden unter ku.ni.ber.ta.