Hamburg. Fasziniert von den Stickmustertüchern hat Kunsthistorikerin Andrea Madadi ein Buch geschrieben und eine Ausstellung organisiert.

An den Moment, als die Vierländer Stickkunst sie in ihren Bann zog, kann sich Andrea Madadi noch ganz genau erinnern. Dieser liegt nun gut acht Jahre zurück. Damals besuchte die heute 64-Jährige aus Curslack die Handarbeits­tage im Rieck-Haus – und hielt plötzlich selbst ein mit Stramin überzogenes Stück Stoff, eine Nadel und einen roten Faden in der Hand. Sie versuchte sich erstmals an einem Lebensbaum – und war direkt fasziniert: „Sie sind einfach zeitlos schön“, sagt Andrea Madadi.

Seitdem hat sich die Kunsthistorikerin auf Spurensuche begeben, die Geschichte der Stickmustertücher in der Region Bergedorf und Vierlande rekonstruiert und im Buch „Ausgezählt: Stickmustertücher in den Vierlanden“ festgehalten. Im Februar zeigt die Haspa-Filiale am Curslacker Deich 175 dazu eine Ausstellung.

Die neue Ausstellung zeigt auch Neuinterpretationen beliebter Motive

Im Buch erzählt Andrea Madadi, welche Motive die Vierländer Mädchen am liebsten gestickt haben, was sie bedeuteten und welche Verwendung sie fanden. Neben Fotografien alter Stickmustertücher von Axel Netzband, auf denen jeder Stich zu sehen ist, zeigt die Ausstellung selbstgestickte Neuinterpretationen der beliebten Motive: Raute, Rosette und Lebensbaum.

„Ausgezählt“ richtet sich nicht nur an Freunde des Stickens, sondern ist spannend für jeden, der sich für die Kulturgeschichte der Vier- und Marschlande interessiert, ist Andrea Madadi überzeugt. Das reich bebilderte Buch kann für 9,95 Euro in der Haspa, im Buchhandel sowie im Online-Shop des Museums im Bergedorfer Schloss erworben werden. Der Erlös geht an die Bergedorfer Museumslandschaft.

Freude über das gelungene Stück

Do it yourself-Hobbies, kurz DIY, hätten heute einen hohen Stellenwert, meint Andrea Madadi. „Wer kreativ wird und etwas selber macht, wie einen Pullover stricken, eine Tasche besticken oder eine Gardine häkeln, wird bewundert“, sagt die 64-Jährige. Auch die eigene Freude über das gelungene Stück stelle eine hohe Befriedigung dar.

Das Handarbeiten fördere Kreativität und Konzentration, weiß Andrea Madadi aus eigener Erfahrung zu berichten, hat sie doch vor der Pandemie an der Grundschule Zollenspieker Nachmittagskurse betreut. „Dabei hat mich die hohe Fokussierung der Kinder auf ihre Stickerei sehr beeindruckt“, sagt die Buchautorin. Manchmal sei es mucksmäuschenstill gewesen, weil die Kinder sich so auf ihre Arbeit konzentriert haben. „Die Kinder möchten etwas Schönes nach ihren Vorstellungen gestalten, und wenn man ihnen den Raum dazu gewährt, entwickeln sie die erstaunlichsten Kreationen,“ sagt Madadi.

Stickkunst sollte weitergegeben werden

Dabei sei es wichtig, eine einfühlsame Unterstützung beim Erlernen verschiedener Stickstiche oder beim Stricken oder Häkeln zu geben, ohne dabei die natürliche Gestaltungskraft der Kinder einzuschränken. „Für meine Gruppen hat sich ein Wechsel zwischen der Möglichkeit, ganz frei zu sticken, und der Anforderung, ein bestimmtes Vierländer Motiv wie den Lebensbaum umzusetzen, als sehr entspannend erwiesen.“

Andrea Madadi hofft, dass der Nachwuchs vom vorhandenen Wissensschatz profitieren kann: „In den Vierlanden gibt es viele Seniorinnen, die exzellent handarbeiten können“, weiß Madadi. Sie würde sich wünschen, dass dieses Wissen an Kinder weitergegeben wird – sei es in der Schule oder in Häkelbüdelclubs in den Gemeinden. In Altengamme treffen sich regelmäßig etwa zehn Damen zum gemeinsamen Handarbeiten, ebenso in Kirchwerder. In beiden Runden sind Neuzugänge willkommen.

Kursus zur Einführung in die Vierländer Stickkunst

Eine Einführung in die Vierländer Stickkunst bieten Hilde Krützmann und Ina Kühn vom Handarbeitskreis der Kirchwerder Landfrauen am Freitag, 25. Februar, in der Haspa-Filiale Curslack an. Von 17 bis 19 Uhr können Interessierte die Nadel in die Hand nehmen und Vierländer Motive ausprobieren. Alle Materialien wie Muster, Stoff und Stickgarn werden gestellt. Eine Schere und – falls vorhanden – ein Stickrahmen sollten mitgebracht werden. Die Teilnahme kostet 5 Euro. Anmeldung per E-Mail an ­corinna.moenke@haspa.de