Bergedorf. Vanessa Haloui macht mit ihrem Verein Looki gegen geplantes Töten von Nutrias mobil. Was die Bergedorfer Tierschützer vorhaben.
Nutrias sollen flächendeckend gejagt werden, weil sie Schäden an Uferrändern anrichten. So lautet die Empfehlung der Umweltbehörde, die Anfang November ein umfangreiches Gutachten zu der invasiven Art vorlegte. Die Tiere breiten sich vor allem in den Vier- und Marschlanden aus. Das Gutachten bringt Tierschützer auf die Barrikaden. Vanessa Haloui, Vorsitzende des Tierschutzvereins Looki mit Sitz an der Eschenhofbrücke 3 (Pollhof) und Mitglied der Bergedorfer CDU, hält die „Hetze“ aus den Reihen ihrer eigenen Partei für „nicht mehr tragbar“ und zieht deshalb nach ihren eigenen Worten „die Reißleine“: Sie hat ihre Parteimitgliedschaft gekündigt.
Vanessa Haloui kritisiert vor allem die Forderung, dass auch Muttertiere ohne jede Schonzeit getötet werden sollen. Es sei falsch, dass Nutria-Nachwuchs schon nach wenigen Tagen allein zurechtkomme, so wie es Erika Garbers (CDU) behauptet: „Nutrias werden acht Wochen von der Mutter gesäugt“, sagt die Tierschützerin, die die Forderung der CDU für „grausam, empathielos und inhuman“ hält. Zudem fordern die Christdemokraten, dass die Nager auch in Naturschutzgebieten (NSG) keine Rückzugsräume finden. Die Auswirkungen auf Nutria-Jagd in NSG seien „nicht einschätzbar“, betont Vanessa Haloui. „Allein der Beifang ist ein riesiges Problem und kann zur Zerstörung des sensiblen Ökosystems beitragen.“ Es würde zudem ein Präzedenzfall geschaffen, der weiteren Jagden in streng geschützten Lebensräumen die Tür öffnen könnte.
Tierschützerin tritt wegen Jagd auf Nutrias aus der CDU aus
Mit ihrem Verein Looki will Vanessa Haloui nun weitere Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung leisten, etwa Flugblätter verteilen und Infoabende organisieren. Den Fraktionen im Umweltausschuss ließ der Verein einen dreiseitigen Fragenkatalog zukommen, in der Hoffnung, dass sie sich nicht den Forderungen der CDU anschließen, sondern die kritischen Fragen der Tierschützer aufgreifen. „Insbesondere die Grünen stehen dem Abschuss in Naturschutzgebieten extrem kritisch gegenüber“, sagt Vanessa Haloui.
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Unter anderem fragt Looki danach, wo Nutrias von Jägern „entnommen“ wurden und inwieweit damit „Gefahren für Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern oder zum Schutz der Pflanzen und Tierwelt“ abgewendet werden konnten. „Wie viele Nutrias wurden aus Schutzgebieten entnommen? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgten diese Maßnahmen?“, lauten weitere Fragen. Looki kritisiert, dass die Behauptung in dem Gutachten der Umweltbehörde, dass Jungtiere bereits nach wenigen Tagen allein überlebensfähig seien, auf 26 Jahre alte Erkenntnisse gestützt werde. Diese seien inzwischen überholt. Die Tierschützer wollen auch wissen, ob innerhalb der Umweltbehörde andere Maßnahmen als Bejagung erörtert worden sind – „und was spricht gegen eine Sterilisation der Nutrias?“
Starke Bejagung habe einen gegenteiligen Effekt
Vanessa Haloui und ihre Mitstreiter führen eine Studie der italienischen Biologen Dr. Samuele Venturini und Ana Corbani zur durchgeführten Sterilisation von männlichen und weiblichen Nutrias ins Feld. Diese Studie berichte davon, dass die sterilisierten Tiere ihre Territorien verteidigen und dadurch die Reproduktionsrate von Nutrias reduziert werde. An der italienischen Universität Parma seien Veterinärmediziner 2015 zu der Erkenntnis gelangt, dass die Bejagung von Nutria „völlig nutzlos für das Wildtiermanagement“ sei, berichtet Looki. Die Wissenschaftler haben damals das Anbringen von Schutzgittern empfohlen, schreibt Vanessa Haloui. Sie betont, dass „die Bejagung der Nutria in den vergangenen 20 Jahren in Europa nicht wirksam die Population reduziert hat“. In Argentinien und auch in Niedersachsen habe eine starke Bejagung der Nager sogar „teilweise zur Erhöhung der Nutria-Population“ geführt. Wieso die wissenschaftlichen Studien, auf die sie sich beruft, bisher nicht von der Umweltbehörde berücksichtigt worden sind, will Vanessa Haloui wissen.