Bergedorf. Trotz Corona und Krieg bekommen die Ehrenamtler viele Spenden. Für das Jubiläumsjahr 2023 gibt es aber nicht nur günstige Prognosen.

Peter Kuczora hat gar keinen Grund, in das allgemeine Trauerlied der Tafeln einzustimmen. Obwohl das zu Ende gehende Jahr nach Aussage des Chefs der Tafel Bergedorf „verdammt hart“ war – zum einen gelten in den vier Ausgabestellen immer noch Corona-Regeln, beispielsweise Maskenpflicht und Zutritt nur in kleineren Gruppen. Zum anderen haben die vielen Ukraine-Flüchtlinge Bergedorf seit den Sommermonaten zu schaffen gemacht. Vereinzelt soll es Konflikte mit anderen wartenden Kunden gegeben haben, dazu sprachliche Probleme. Doch insgesamt geht die hiesige Tafel gestärkt ins Jubiläumsjahr 2023, in dem die Bergedorfer Tafel 25 Jahre alt wird. Weil Spendenbereitschaft und Zulauf unerwartet hoch sind.

„Wir sind jetzt 170 Mitarbeiter“, weiß Peter Kuczora. Seit drei Jahren steige diese Zahl kontinuierlich an, im Vorjahr waren es noch 160 ehrenamtliche Helfer. „In unserem Team steckt viel Herzblut. Bei uns klagt keiner so schnell. Wir müssen auch nicht aktiv werben“, freut sich der 68-Jährige über den hohen Bekanntheitsgrad der Tafel und das erarbeitete, gute Image. Gerade Menschen aus der Region, die am Übergang zum Rentenalter stünden, stoßen dazu.

Tafel Bergedorf hat sich einen hervorragenden und verlässlichen Ruf erarbeitet

„Und die Spenden- und Hilfsbereitschaft der Leute ist höher als zuvor“, sagt der Mann, der seit 2016 die Chefrolle bei der Tafel innehat. Ein aussagekräftiges Beispiel: Die Aktion „Kauf eins mehr“, bei der Kunden vor dem Supermarkt-Einkauf von Tafel-Mitarbeitern gebeten werden, von Produkten doch ein Paket mehr zu kaufen, laufe derzeit überragend. „Erstaunlicherweise“, berichtet Kuczora, „kommen die Leute teilweise mit vollen Einkaufswagen für uns an.“

Dies sei in Krisenzeiten, die alle treffen, keine Selbstverständlichkeit – und irgendwo dann glücklicherweise doch: „Es ist mir ein tiefes Bedürfnis, jetzt auch mal Danke an die Bergedorfer und Umland zu sagen. Weil wir wissen, dass andere nicht so gut ausgestattet sind“, gibt Peter Kuczora zurück. Noch so ein Beispiel: Zuletzt kamen 664 Weihnachtspäckchen mit Spielsachen und Süßigkeiten für bedürftige Kinder zusammen von Partnern aus der Region wie Edeka, der Grundschule Wentorf und einigen Apotheken. Auch die können nun zur Weihnachtszeit weitergegeben werden.

Volksbank gibt 5000 Euro, Unternehmer mehr als 300 Pakete Kaffee

Und so tolle Aktionen seitens einer Bank und von regionalen Unternehmen wie der St. Pauli Coffee GmbH helfen natürlich ungemein. 5000 Euro gab es von Karsten Voß, Vorstand der Volksbank Raiffeisenbank Bergedorf. „Die Tafel Bergedorf ist uns bei dieser jährlichen Aktion der Regional Boards gleich als erstes ins Kalkül gekommen.“

Der Brunstorfer Michael Funk hat seine St. Pauli Coffee GmbH nicht nur gegründet, um seiner Leidenschaft für das aromatische Heißgetränk ausgiebiger zu frönen: „Der Hintergrund meiner Firma ist ja, dass ich mit Obdachlosigkeit beschäftigt habe und solchen Menschen mit dem Verkauf helfen möchte. Kaffee ist zudem teuer und für die Tafel ein ideales Produkt, weil es haltbar ist.“ Nun brachte Funk über 300 Pakete seiner Eigenmarke „Clochard – Kaffee mit Herz“ am Ladenbeker Furtweg vorbei, wo die Tafel Lagerräume, Büro und Fuhrpark mit eigenen Autos besitzt. Wie gut dazu das Geld der Volksbank tut, ist daran zu ermessen, dass die gesamten Betriebskosten in diesem Jahr von 70.000 bis 80.000 Euro anstiegen.

Tafel-Chef besorgt: „Bedürftigkeit wird zunehmen“

Anfang des nächsten Jahres soll der Aufnahmestopp an allen vier Ausgabestellen – St. Petri und Pauli, Oberer Landweg, Riehlstraße sowie am Querweg in Neuschönningstedt – überprüft werden, der seit Sommer wegen der Ukraine-Krise gilt, um den Betrieb wieder moderat zu erweitern. Das scheint auch dringend notwendig. Denn: „Die Bedürftigkeit nimmt zu“, ist der Eindruck von Peter Kuczora. Derzeit unterstützt die Tafel Bergedorf seiner Schätzung zufolge zwischen 2500 und 3000 Menschen.