Hamburg. Ziel der „Mut-Tour“ quer durch Deutschland ist es, für psychische Erkrankungen Öffentlichkeit zu schaffen. Ein Stopp war Bergedorf.

Wenn es eins gibt, was Tina Fröhlich in den vergangenen sieben Tagen gelernt hat, dann ist es, wie wichtig Rücksichtnahme auf die Gefühle anderer Menschen ist. „Der hält sich raus, der denkt nur an sich“, habe sie früher über einige Personen gedacht, denen sie im Privat- und Berufsleben begegnet war. Dass ebendiese Menschen auch an Depressionen leiden könnten, war ihr damals nicht bewusst. „Heute würde ich anders auf sie zugehen“, sagt sie.

Eine Woche lang hat die 62-Jährige jetzt an der „Mut-Tour“ des gemeinnützigen Vereins „Mut fördern“ teilgenommen. Montagvormittag machte die Gruppe, die das zweite von insgesamt 13 Teams ist, Halt am Kupferhof mitten in Bergedorf. Die 3800 Kilometer lange Strecke, die am 25. Mai in Wismar begonnen hatte und am 10. September in Oldenburg enden wird, bewältigen die Teilnehmenden zu Fuß in Pferdebegleitung sowie auf Fahrrädern.

Seit elf Jahren schon bewegen sich so in den Sommermonaten Hunderte Menschen mit und ohne Depressionserfahrung durch Deutschland. Sie wollen Zeichen setzen für mehr Offenheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen.

Bergedorf: „Mut-Tour“ macht Halt am Kupferhof

Die sechsköpfige Gruppe um Tina Fröhlich hatte sich am 5. Juni in Berlin getroffen und ist auf drei Tandemfahrrädern Richtung Hamburg gereist. Von der Tour hatte sie während eines Urlaubes im vergangenen Jahr erfahren. „Ich hatte damals ein Gespräch geführt, das mich sehr berührt hat. Daraufhin habe ich entschieden, hier selbst mitzufahren“, beschreibt die Krefelderin, die aus ihrem persönlichen Umfeld Betroffene von Depressionen kennt.

Hans Hansenson, der zum zweiten Mal mitfährt, litt selbst an der Krankheit. „Die Tour ist eine gute Sache, außerdem fahre ich gerne Rad und bin gerne in der Natur“, sagt der 69-Jährige und betont: „Wir sind kein Therapiersatz. Es geht einfach nur darum, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.“ Auf der Strecke ist das Team mehreren interessierten Menschen begegnet.

Depressionen: „Es steckt viel Scham dahinter“

„Die Personen sind immer etwas vorsichtig. Wenn wir mit ihnen ins Gespräch kommen, sind sie aber sehr zugewandt“, berichtet Franziska Radczun. „Unsere Botschaft ist, Leute zu ermutigen, darüber zu sprechen. Wir selbst haben einen Umgang damit gefunden. Man kann sich Unterstützung holen.“ Warum ist aber so schwer, über Depressionen zu reden? „Ich denke, es steckt ziemlich viel Scham dahinter. Viele Menschen haben die Befürchtung, dadurch abgewertet zu werden“, sagt die 34-Jährige.

„Mehr öffentlicher Raum beim Thema Depressionen, raus aus dem Tabu“ – das ist der Wunsch von Tina Fröhlich. „Für mich ist diese Aktion ein Baustein zu einer inklusiveren Welt, in der jeder Mensch mit dieser Erkrankung akzeptiert wird.“ Den letzten gemeinsamen Tag rundete die Gruppe mit einem Besuch in den Haferblöcken 48 in Billstedt-Horn ab, wo Kinderbuchautorin Claudia Gliemann aus ihrem Werk „Papas Seele hat Schnupfen“ vorlas. Von Dienstag an wird ein neues Team die Strecke fortsetzen.

Auf ihrer Tour übernachtete die Gruppe in Gemeindehäusern und Sporthallen. Gaskocher, Isomatten, Kleidung – in ihren Satteltaschen hatte das Team allerlei Gegenstände dabei. Ob Tina Fröhlich noch einmal mitfahren würde? Das weiß sie noch nicht genau. Gelernt – das steht fest – hat sie aber eine ganze Menge.