Bergedorf. In Bergedorf sind zwei Mehrfamilienhäuser mit sechs Etagen geplant. Doch das Bezirksamt schrumpft das Wohnungsbauprojekt.

Es ist eine Nachricht, bei der sich die Meinungen spalten: An der Wentorfer Straße 3 und 3 a-b wird in den nächsten Jahren ein Neubauprojekt entstehen, das aus zwei Mehrfamilienhäusern besteht, fast doppelt so hoch geplant sind wie die Nachbarschaft. Unter deren überwiegend gut 100 Jahre alten Häusern hat kaum eines mehr als vier Etagen. Das gilt natürlich auch für den gelben Putzbau mit der Hausnummer 3, der für die Neubauten fallen soll.

Lange hatte hier das Hotel Lauenburger Hof seine Adresse. Doch das ist schon länger geschlossen, auch der Telefonanschluss ist abgeschaltet. Nur wann genau die Abrissbagger anrollen, ist bisher offen.

Wohnungsbau: Proteste der Nachbarn laufen bereits seit fünf Jahren

Den Nachbarn ist schon länger bekannt, dass neben dem Orthopädieschuhtechnik-Geschäft Paul Hast gebaut werden soll. Die Leitung des Traditionsgeschäftes an der Wentorfer Straße 7 hat seit 1997 Peter Hartung, der privat das Obergeschoss bewohnt. Bei ihm stößt das Vorhaben erst recht nicht auf Begeisterung: „Es gab keine richtigen Gespräche mit den Eigentümern.“

Stattdessen habe er im Mai 2018 einen Brief bekommen, in dem das Vorhaben kurz angerissen und eine Widerspruchsfrist von 14 Tagen eingeräumt worden war. „Ich kam gerade aus dem Urlaub und musste dann schnellstmöglich alle Hebel umlegen, um Klarheit zu bekommen“, erinnert sich der Peter Hartung.

Angst vor massiver Verschattung bestehender Wohnungen

Aus dem Schreiben ging lediglich hervor, dass an der Wentorfer Straße 3 und der Adresse 3 a-b auf dem Hinterhof zwei sechsgeschossige Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 49 Wohnungen und Gewerbeflächen gebaut werden sollen. Als Hartung dann Einblick in die Pläne bekam, sei schnell ihm klar geworden, dass das Projekt auf sein Haus deutliche Auswirkungen hätte: Seine Wohnung wäre bei der Realisierung der Pläne komplett verschattet worden, weil der Neubau mehr als zwei Stockwerke höher gewesen wäre. Er hätte Oberlicht installieren müssen, um überhaupt noch den Himmel sehen zu können.

Auch für das Stadtbild sei das Projekt alles andere als ideal: „Hier würden die umliegenden Häuser von dem Riesenklotz erdrückt“, meint der Bergedorfer, der sich schon 2018 mit sechs Nachbarn zu einer Anwohnerinitiative zusammengeschlossen hatte. Heute ist davon nur noch Peter Hartung übriggeblieben, aber sein offizielles Widerspruchsverfahren gegen das Projekt läuft noch.

Widerspruch fruchtet: Bezirksamt schrumpft die ersten Pläne

Er fürchtet, dass die neuen, hohen Gebäude sich nicht harmonisch zwischen den anderen Häusern einfügen lassen. Generell unterstütze er den umfangreichen Wohnungsbau in Bergedorf – auch an der Wentorfer Straße. Es käme aber immer auf das „Wie“ an, so Hartung. Und das gelte in diesem Fall nicht nur für die Höhe, sondern auch für das Verhalten der Bauherrin. Man habe sich nie auf Augenhöhe getroffen, sie habe kaum Zugeständnisse gemacht.

Doch der Widerspruch trug Früchte. Das Bezirksamt kappte nämlich die hochtrabenden Pläne und reduzierte die Gebäudehöhe im Zuge des Genehmigungsverfahrens von sechs auf nur noch vier Geschosse plus ein in der Grundfläche etwas reduziertes Staffelgeschoss.

Auf Anfrage bestätigt das Bezirksamt diese Auflagen – und sie gehen sogar noch weiter: Der rückwärtige Neubau, der sich laut Bauherren-Planung am benachbarten, gut 15 Meter hohen Schlauchturm der Freiwilligen Feuerwehr Bergedorf orientieren sollte, dürfe nun nur noch drei Geschosse haben. Damit wurde die ursprünglich geplante Geschossanzahl um ganze 50 Prozent reduziert. Insgesamt wurde das komplette Projekt von 49 auf jetzt nur noch 32 Wohneinheiten zusammengestaucht.

Angeblicher Projektplaner ruft an: Liegt das Vorhaben auf Eis?

Das alles scheint Folgen zu haben: Während unserer Recherche meldete sich am Montagnachmittag, 24. April, plötzlich ein Anrufer in der Redaktion. Er gab an, zuständig für die Planung des Projekts gewesen zu sein und teilte mit, dass das Projekt aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nun komplett abgeblasen worden sei. Es werde gar keinen Neubau mehr geben. Vielmehr sei der Lauenburger Hof nun bereits neu vermietet – mit einem langfristigen Vertrag.

Seinen Namen wollte der Anrufer nicht in der Zeitung lesen. Das Kuriose an seiner Version: Weder dem Bezirksamt noch den Nachbarn ist das Aus für den Neubau bisher bekannt.