Nettelnburg. War der Auslöser der Einsatz von Regenbogenfähnchen in einem Familiengottesdienst? Was das christliche Symbol bedeutet.

Protestanten aus dem Kirchspiel Bergedorf wehren sich gegen einen homophoben Übergriff vom ersten Advent. Während eines Familiengottesdienst in der Bugenhagenkirche in Nettelnburg haben Unbekannte schwulenfeindliche Schmierereien auf dem Weg vor dem Gotteshaus hinterlassen. „In unserer Kirche ist kein Platz für solche Parolen“, sagt Pastorin Angelika Schmidt (63). Am vierten Advent haben sich Pastoren und Gemeindeglieder aus Bergedorf zum Protest gegen die Schmierereien versammelt. Zum Kirchspiel gehören die Gemeinden Bugenhagen, Bergedorfer Marschen, St. Petri und Pauli, St. Michael und Christus in Lohbrügge.

Was war geschehen? Mit Kreide waren Sätze mit christlichem Bezug, wie „Homosexualität ist eine Sünde“ und Zitate aus der Bibel, etwa „Wehe denen, die Böses gut und Gutes böse nennen“ auf den Asphalt vor dem Kircheneingang geschrieben worden. Die Empörung unter den Besuchern des Gottesdienstes war groß. Ein Konfirmand soll die Schriftzüge zunächst mit seinem Körper abdeckt haben. Und dann griff ein Gemeindemitglied zur Kreide und änderte durch das Einfügen eines Buchstaben den Satz in „Homosexualität ist keine Sünde“. Schließlich wurden die Schmierereien entfernt.

Homophobe Schmierereien: War der Auslöser ein Familiengottesdienst?

Auslöser der homophoben Parolen könnte der Familiengottesdienst zum Thema „Jesu Einzug in Jerusalem“ gewesen sein, so die Vermutung der Pastoren und Kirchenmitglieder. Statt der zur Zeit Jesu genutzten Palmwedel feierte die Gemeinde mit Regenbogenfähnchen im Spalier stehend den Einzug Jesu von Nazareth. So konnten die Kinder und Familien selbst erleben, was Jesus damals auch passiert ist: bejubelt und freudig begrüßt zu werden. Auf dem Asphalt war jedenfalls auch ein Kommentar über die „wahre Bedeutung des Regenbogens“ zu lesen gewesen.

Die Regenbogenfahne, heute das Symbol der Toleranz gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgeschlechtlichen Menschen, hat deutlich ältere Wurzeln als in der Friedensbewegung der 1960er-Jahre. „Der Regenbogen als Zeichen der Verbundenheit zwischen Menschen und Gott symbolisiert dabei, dass wir Menschen von Gott angenommen sind und als Menschen sein dürfen“, sagt Pastor Andreas Baldenius (60).

Der Regenbogen – ein Symbol christlichen Ursprungs

Dass es der Kirche also nicht um die moderne Bedeutung des Regenbogens, sondern um die historische Aussage des christlichen Symbols geht, wollen die Pastoren mit einem gemeinsam formulierten Statements herausstreichen. Zudem halten sie es für nicht statthaft, mit kurzen Zitaten die Bibel zu deuten. So lehnt die Bibel auch kurze Haare und Bartrasur für Männer ab. „Die Bibel ist eine Urkunde der Vielfalt, kein Dokument der Einheit“, sagt Volker Rüder (55), Kirchengemeinderatsmitglied von St. Michael in Bergedorf. Eine Sexualmoral für die Gegenwart daraus abzuleiten sei sehr umstritten. Neben der Heiligen Schrift sei auch der Wandel der Kultur, der Regeln für gemeinschaftliches Zusammenleben und des naturwissenschaftlichen Erkenntniszuwachs´ zu beachten.

Im Übrigen weisen die Pastoren darauf hin, dass die Diskussion über den Platz homosexueller Menschen in der evangelisch-lutherischen Kirche längst abgeschlossen sei. „Die haben wir vor 40 Jahren geführt“, so Pastorin Schmidt. Die Politik sei später dem Weg der Nordkirche gefolgt.