Hamburg. Der 37-Jährige Sascha Otto steht seit sieben Jahren auf dem Bergedorfer Weihnachtsmarkt. Doch er ist mehr als nur Verkäufer.
Mit spitzen, kalten Steinen kann er wenig anfangen. Dann doch lieber warme, weiche Pelzchen. Allerdings ist es fast schon erstaunlich, dass Sascha Otto nicht das Märchen von den kleinen Leuten aus dem Dorf Swabedoo kennt, die sich einander Pelzchen schenken, um zu sagen, dass der andere besonders liebenswert ist. Aber genau das macht Sascha Otto: „Ich freue mich, wenn ich guten Menschen ein wenig Freude schenken kann“, sagt der 37-Jährige, der seit sieben Jahren auf dem Bergedorfer Weihnachtsmarkt Felle verkauft – mit Herzenswärme.
„Ich möchte in jedem Menschen eine neue Chance sehen. Zu lächeln ist schließlich nicht mehr Aufwand, als ein böses Gesicht zu machen.“ Solche Sätze kommen dem freundlichen Mann, der so charmant lispelt, oft über die Lippen, denn „das Leben ist immer ein Spiegel“. Ist der Kerl irgendwie missionierend unterwegs? „Nein, ich glaube nur an das Gute im Menschen und die Ruhe der Natur“, sagt der Mann, der aus einem 300-Seelen-Dorf im Weserbergland stammt und betont: „Ich habe schon zwölf Jobs gemacht, 60 Länder bereist und vier Bücher geschrieben.“
Seit sieben Jahren auf dem Bergedorfer Weihnachtsmarkt
Fangen wir also vorne an: Eine Ausbildung zum landwirtschaftlich-technischen Assistenten machte ihn wenig glücklich, auch nicht das Praktikum in einer Bank. Beim Schützenfest Gläser gespült, in einer Suppenküche geholfen, als Erntehelfer gearbeitet, Kosmetikprodukte vertrieben, Laborproben einer Klinik ausgefahren, beim Rohstoffhandel mit Aktien übers Internet viel Geld verloren. . . all das fasst er unter Lebenserfahrungen zusammen. Und die sollten irgendwie auch mal zu Papier gebracht werden – wenn auch nicht sonderlich professionell.
Auf „Gedichte, Sprüche und Kurzgeschichten“, folgte der Titel „Einmal um die Erde, bitte“. Da geht es um eine junge indische Frau, die zu erblinden droht und vorher noch viel reisen möchte. „Daraus habe ich sogar auf der Frankfurter Buchmesse gelesen“, sagt Sascha Otto, der erst Jahre später in Indien war. Da war auch schon sein Ratgeber über Diabetes auf dem Markt und ein Thriller über den Drogenhandel in den USA.
Fernweh im Monteurzimmer
Die erste große Reise führte ihn mit seinem Zwillingsbruder Sven („der ist sehr handwerklich begabt“) nach Guadeloupe. Tauchen mit Haien in Südafrika, Bergsteigen auf den Kilimandscharo in Namibia, Schwimmen im türkisblauen Wasser der Malediven. . . jetzt träumt er von weißen Sandstrände auf Bora Bora. Nach langen Arbeitstagen, wenn er abends in das gemietete Monteurzimmer in Wentorf kommt. Müde, aber glücklich: Immerhin verkauft er auf dem Bergedorfer Weihnachtsmarkt etwa zehn Felle pro Tag – das reicht vom Gotlandschaffell, das robust sei und wenig verfilze (bis 270 Euro), bis zum einfachen Schaffell („schadstofffrei gegerbt, nicht mit Chrom“), das schon für 65 Euro zu haben ist – meist in Weiß, denn „nur jedes Tausendste Schaf ist grau“, erklärt der 37-Jährige.
Als Fell bezeichnet man übrigens die Haut von Säugetieren ab einer Haardichte von 50 bis 400 Haaren pro Quadratzentimeter. Erst bei stärkerer Behaarung wird die Haut als Pelz bezeichnet. Und noch mehr lässt sich lernen von Familie Otto, die mit Hilfe von reichlich Mitarbeitern in ganz Deutschland 15 Stände betreibt: „Mutter ist gerade auf dem Göttinger Weihnachtsmarkt, mein Bruder hilft beim Packen, mein Vater bringt die Waren herum, und ich mache das ganze Büro“, erzählt Sascha Otto, der stolz auf das Sortiment von zehn Gerbereien ist.
Das Rentierfell mit Röhrenhaaren stammt natürlich aus Finnland, die Merinowolle aus England. Auch Schafe aus Shetland und Ostfriesland steigern den Umsatz der Familie, die zudem Schuhe und Jacken verkauft, die in Polen genäht werden, Decken in der Toskana: „In Bergedorf verkaufen wir die meisten Lammfelldecken, hier haben die Leute wohl mehr Platz vor dem Kamin als in der Innenstadt“, meint Sascha Otto, der sich über zahlreiche Stammkunden freut – aber auch einen anderen Aspekt nicht vergisst: „Wir verkaufen jetzt mehr Felle, weil die Leute an den Heizkosten sparen. Ich will aber nicht durch die Angst der Menschen mehr verdienen.“
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Überhaupt sei Geld längst nicht so wichtig wie positive Gedanken und Emotionen, sagt der Mann mit der Lammfelljacke und dem Cowboyhut: „Ich bin sehr glücklich und zufrieden, habe fast alles erreicht. Jetzt fehlt mir nur noch eine liebe Frau.“ Da wäre es natürlich schön, wenn die auch gern verreist – und sei es zunächst nur zu den Kunsthandwerkermärkten an Nord- und Ostsee, wo das Geschäft mit den warmen, weichen Pelzchen auch im Sommer brummt.