Bergedorf. Mit ihrem Smartphone zieht Sabine Delle durch die Städte. Unter dem Titel „Metamorphosen des Betrachters“ zeigt sie ihre Kunst im CCB.
Ein bisschen schimmernd, aber doch glasklar spiegelt sich der Kirchturm von St. Petri und Pauli in einem Schaufenster, hinter dem die neue Winterkollektion präsentiert wird. Der Radfahrer vor dem Café Greco scheint schon eingefroren, mitten auf dem Platz mit den Sonnenschirmen. „Manchmal verfremde ich die Bilder ein wenig, zoome und lege einen Filter drauf, der die Linien unterstreicht, die Spiegelungen verdeutlicht“, verrät Sabine Delle. Die 46-Jährige geht gern aufmerksam durch Bergedorf spazieren. Stets dabei: Ein ganz normales Smartphone – und natürlich ihren klugen Blick für Momente, die sich in Fensterscheiben spiegeln.
Ausstellung: 30 Werke eine Woche lang im CCB
Eine Woche lang, vom 12. bis 19. November, stellt die Künstlerin nun gut 30 Werke im Offenen Atelier im CCB aus (erster Stock), ist selbst zu den Öffnungszeiten vor Ort, um mit den Bergedorfern ins Gespräch zu kommen: „Hier gibt es ja wunderbare alte Bauten und Fachwerkhäuser mit den schönsten Fenstern. Allerdings ist es auch ein bisschen traurig, wenn man die vielen verwaisten Schaufenster in der Fußgängerzone sieht. Das wirkt wie fehlendes Leben, da wird es Zeit für eine Wandlung“, meint die Eimsbüttelerin, die ihre Ausstellung „Metamorphose des Betrachters“ nennt.
Ist das ein Baum oder eine Frisur?
Nur auf den ersten Blick scheinen ihre Fotomotive gewollt, beim zweiten Blick zweifelt der Betrachter an seiner Wahrnehmung, auf den dritten – mit Ruhe für die Kraft der Kunst – kann er die versteckten Details genießen: Schneidet er da Käse, dieser Koch in Lissabon? Sitzt da tatsächlich Amy Winehouse auf der schwarzen Motorhaube oder spiegelt sich bloß das Plakat einer Galerie in Florenz? Ist das der Baum oder eine Frisur? Spiegelt sich da vielleicht ein Fachwerkhaus im Fenster der Münsteraner Uhrmacher-Werkstatt?
Auf spannende Architektur hofft sie auch bei ihrer nächsten Reise nach Istanbul. Aber „die schönsten Momente habe ich in Hamburg eingefangen“, erzählt Sabine Delle, der Berlin zum Beispiel viel zu mächtig war: „Die Straßen sind zu breit, da spiegeln sich bloß Autos in den Schaufenstern.“
„Kunst darf auch provozieren und anrüchig sein“
Wandlung ist ihr großes Thema – auch mit Blick auf die Biografie. Denn als gelernte Musikalienfachhändlerin und Kinderkrankenschwester war es mit einem Beruf allein nie getan. Ganz „nebenbei“ gründete die zweifache Mutter noch eine Agentur für Sport-Models mit Handycap. Und jetzt eben die Kunst, seit dem Corona-Lockdown: „Erst habe ich Streetart fotografiert, jetzt konzentriere ich mich auf die Spiegelungen“, sagt die Künstlerin, die in Amsterdam auch schon erotische Unterwäsche vor der Linse hatte und damit „eine Dame ans Haus gefesselt“ habe: „Kunst muss ja nicht nur artig sein, sondern darf auch provozieren und anrüchig sein.“
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Ausstellung im CCB auch von zwei weiteren Künstlern
Um die Farben zu stärken und mit einem metallischen Charakter zu versehen, druckt sie ihre Fotos übrigens auf Alu-Platten ab, bis zu einem Meter hoch und 60 Zentimeter breit. In der ersten öffentlichen Ausstellung in Bergedorf kosten sie zwischen 150 und 666 Euro. Ebenfalls farbenfroh sind die Werke von Marek Audirsch und zum anderen Volker Hochmuth, die zeitgleich ihre Perspektiven von „Streetart“ vorstellen – und auf viele Besucher hoffen, insbesondere zur Finissage am Sonnabend, 19. November. Los geht es um 12 Uhr.