Bergedorf. Ein Dutzend Bergedorfer sind die Stars am 7. Dezember. Welche Geschichten das Projekt „Meine Symphonie“ erzählt.

Der Maestro ist völlig aus dem Häuschen: „Kommt. Macht Spaß mit euch. Geil“, fährt es spontan aus Mark Scheibe heraus, als er mit den Anwesenden die Vorschläge für die Titelzeilen an die Wand schreibt. Der Berliner Komponist arbeitet seit mittlerweile sechs Wochenenden mit zwölf Teilnehmern an „Meine Symphonie“, einem Bestandteil der Eröffnungswoche im bald bezugsfertigen Körberhaus.

Das kann sich sehen und hören lassen: Ein Dutzend Menschen aus Bergedorf oder mit großem Bergedorf-Bezug wollen die Eröffnungsgala am 7. Dezember (19 Uhr) mit Leben füllen. Sozusagen mit ihrem Leben, denn Scheibe vertont die einzelnen Geschichten und schreibt die Texte dazu, die von den Protagonisten dann live im Körber-Saal mit einem großen Orchester gesungen werden. „Was in dir sollte zur Musik werden?“ ist eine der spannenden Fragen, die Scheibe jedem Teilnehmer stellt, in Einzel- und in Gruppengesprächen. Und was da für Titel herauskommen könnten: „Tschaikowsky kann nichts dafür“, „Mannheim brennt“, „Briefe sind wie Esspapier“, „Kannst du mir die Tür aufhalten“ und einige mehr sind im Rennen.

Das fast bezugsfertige Körberhaus aus Blickrichtung Holzhude. 
Das fast bezugsfertige Körberhaus aus Blickrichtung Holzhude.  © BGDZ | Jan Schubert

Für die Eröffnung des Körberhauses wird „Meine Symphonie“ einstudiert

Was für eine Herausforderung: Intimes mit Wildfremden teilen – aber es funktioniert ja. Überhaupt sich für dieses Projekt entschieden zu haben, käme anfangs „einer Sitzung beim Therapeuten“ gleich, meint etwa Heidi Neff. Die 79-jährige Lohbrüggerin war sofort Feuer und Flamme für die Grundidee von „Meine Symphonie“. Auch Gatte Richard (86) ist dabei: „Da machen wir mit – ohne genau zu wissen, worauf wir uns einlassen.“

Ihr Titel steht so gut wie fest: „Mein Leben – eine Geisterbahn“. Die Chemie mit dem Profimusiker („Ich mochte Mark gleich, er hatte sofort auch die Musik zu mir im Kopf“) stimmte einfach. Was hat sie denn nun in ihrem Leben nachhaltig geprägt? Heidi Neff berichtete aus ihrer Jugend, die keineswegs, das verrät ihr Titel bereits, unbeschwert verlief und mit Momenten der Angst besetzt war. „Überbehütet“ seitens der Eltern sei sie gewesen, und das „nicht gerade auf die nette Art“. Insbesondere das Verhältnis zu ihrer fünf Jahre älteren Schwester sei schwierig gewesen. Offenbar nicht nur mit harmlosen Neckereien, sondern auch mit so mancher Gemeinheit: „Zum Nikolaus hat sie sich einen Spaß daraus gemacht, sich unter meinem Bett zu verstecken und loszubrüllen.“

Dass die Ältere dann auch noch sehr jung schwanger wurde, verkomplizierte die Situation. Mit so etwas solle Heidi bloß nicht auch noch nach Hause kommen, fanden Vater und Mutter eindeutige Worte. Heidi Neff hat zu ihrer Schwester übrigens kaum noch Kontakt.

Niemand muss solo singen, sondern wird von anderen unterstützt

Wer nur Todtrauriges in dem Teil der 79-Jährigen erwartet, liegt aber falsch. Vorstellbar wären in ihrer Symphonie auch Rock-’n’-Roll- und Twist-Passagen. Als sollten die schlimmen Geister musikalisch vertrieben werden. Allein möchte Heidi Neff auf keinen Fall singen. Muss sie auch nicht: Jeder Bürger wird von einem Viererchor unterstützt.

So auch Sascha Hartmann, bei dem die Motivation ebenfalls hoch ist, beim Einstand des Körberhauses dabeizusein. Der 36-Jährige dachte sich als Mitarbeiter der Körber-Stiftung im Haus im Park, dass er unbedingt mitmachen wolle – und wurde gleich zu Beginn von Maestro Mark mit ungewöhnlichen Fragen konfrontiert: „Was ist dein Lieblingseis?“

Lieblingseis? Zitrone – Gedankenblitze werden zu Musik

Damit hatte Hartmann nicht gerechnet, sich mehr auf denkwürdige Begegnungen seines Lebens eingestellt. Doch die Eis-Frage wird zum „Icebreaker“, weil der Befragte seine relativ unspektakuläre Antwort „Zitrone“ ausführlichst erläuterte: „Wir hatten damals im Osten keine 20, 30 Eissorten“, begründete der studierte Kulturwissenschaftler seine Wahl.

Aus dieser Art, seine Antworten gern mit Einschüben ausführlicher zu untermauern, stammt auch die Titel-Idee für Hartmanns Part: „Nur ganz kurz...“ Sinnbild für die Gedankenblitze, die in Sascha Hartmanns Kopf so vor sich gehen. Herauskommen könnte laut Hartmann am Ende ein Zwischenspiel mit Country-Blues-Elementen, „so in der Art von Jonny Hills Klassiker ,Ruf Teddybär 1-4’“ – mehr dazu und zu allen anderen spätestens am 7. Dezember im Körbersaal.

Alle sollen sich auf der Bühne wohlfühlen: „Denn das ist euer Leben“

Nach den Workshops im Haus im Park werden die Beteiligten und das Orchester nun noch an zwei weiteren Wochenenden gemeinsam proben. Das Motto, das Mark Scheibe ausgibt: „Ich möchte, dass sich alle auf der Bühne wohlfühlen. Denn das ist euer Leben.“ Zum Schluss ihrer Symphonie werden in gut sechs Wochen dann alle gemeinsam mit jeweils einer Quintessenz aus ihren Teilen noch das große Finale singen: „Gutes Risiko“. „Das ist es ja auch für jeden“, meint Heidi Neff, „sonst wären wir nicht hier.“

Peter Tschentscher schließt auf, dann „Open House“ für alle Bergedorfer

Noch macht die Körber-Stiftung ein größeres Geheimnis um ihre Eröffnungswoche im Körberhaus an der Holzhude vom 5. bis 11. Dezember 2022. Neben dem Termin für die Eröffnungsfeier im Körbersaal am Mittwoch, 7. Dezember, um 19 Uhr verweist die Homepage koerberhaus.de bislang nur auf den Eröffnungstag am Montag, 5. Dezember.

Den offiziellen Teil ausschließlich für geladene Gäste bestreitet unter anderem Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, der um 10 Uhr die neue Kulturspielstätte aufschließen wird. Um 17 Uhr dürfen dann alle beim „Open House“ die Vielfalt des neuen Prestigebaus im Bergedorfer Zentrum erleben. Zu entdecken soll es in der Eröffnungswoche jede Menge geben. Unter anderem bietet das Bezirksamt als einer der vielen Partner im Haus ein vielfältiges Schnupperangebot, unter anderem das Studio Lichtwark mit Schattentheater, Live-Hörspielen und Workshops.