Bergedorf. Franziska Schubert hat im CCB eine Woche lang den Menschen zugehört – und daraus eine sehr kurzweilige Geschichte gemacht.

Stadtschreiberin Franziska Schubert formuliert nicht nur gut, sie ist ganz nebenbei auch eine großartige Zuhörerin. Davon konnten sich die Gäste am Freitag bei ihrer Bergedorfer Abschiedslesung überzeugen, präsentiert von unserer Zeitung in der Bibliothek der Sternwarte.

Wie berichtet, hat die Hamburger Stadtschreiberin aus ihren Begegnungen während ihrer Woche in der Stadtschreiber-Box im Einkaufszentrum CCB eine herrliche Bergedorfer Kurzgeschichte gemacht. Voller Aufregung und Herzblut, Lebensweisheiten und Anekdoten – eben ganz so, wie die 43-jährige Bremerin die Bergedorfer im Oktober erlebt hat.

Hier der ungekürzte Text, dessen Einstieg, passend zur Lesung in der Sternwarte, die Bergedorfer Welt mit dem Universum vergleicht.

Wie die Sternwarte konnte ich inner- und außergalaktische Erfahrungen

Die Sternwarte kann einzelne Himmelskörper unseres Sonnensystems und der Milchstraße beobachten, aber auch extragalaktische Himmelsobjekte, die außergalaktisch, sich außerhalb unserer Galaxien befinden. Ich habe eine Woche im Einkaufszentrum CCB Menschen beobachtet und mich mit ihnen unterhalten. Manche haben mich mit einer Mitarbeiterin der Bergedorfer Zeitung verwechselt, andere haben mich gefragt, was eine Stadtschreiberin eigentlich macht, aber die meiste Zeit habe ich zugehört, und die Menschen haben einfach erzählt. Einige wenige haben mich auch für Ihre Therapeutin gehalten. Ähnlich wie die Sternwarte konnte ich inner- und außergalaktische Erfahrungen sammeln, an denen ich Sie gerne teilhaben lassen möchte. Versetzen Sie sich mit mir in die Situation der Geschichten sammelnden Stadtschreiberin.

Ich sitze also in einer grünen Ladenbox und schaue in die vorbeilaufenden Gesichter der Bergedorfer und Bergedorferinnen und warte auf ihre Geschichten.

Der erste Mensch, ein Herr mit Schirmmütze, fragt mich: “Wo sind denn die Handys?“ „Ja, wo sind sie denn?“, frage ich zurück. „Ich habe sie nicht.“ „Nein, ich meine den Handyladen?“ „Oh, davon weiß ich nichts, müssen sie mal im Eisladen nebenan fragen.“ Er guckt mich groß an und lässt aus Versehen seinen winzigen (Handy)-Chip fallen, den wir dann zusammen suchen. Ich auf allen vieren und er mit seinen Blicken. Mein erster Kontakt in der grünen Bergedorfer Stadtschreiberinnenbox.

Dem ersten Besucher konnte ich helfen, die Handys sind weg, der Chip ist wieder da. Die Gespräche sind eröffnet.

„Abreißen, alles abreißen“, fordert der Mann, der Parkplätze bauen will

Ich sitze also in einem alten Handyladen, den die Bergedorfer Zeitung mir gestaltet hat: Mit den Blogeinträgen der Stadtschreiberin, mit den Texten der anderen Mitgewinner und Mitgewinnerinnen, mit Bannern und Werbung für die Bergedorfer Zeitung, kurz BZ. Ich sitze in einem grün-türkisenen Rechteck und lächle hinaus in die Laufzone des Einkaufszentrums CCB. Es rauschen die Rolltreppen metronomartig. Ich schaue auf die rote Sitzgruppe des Eiscafés, die direkt vor mir platziert ist, auf den Laden P&C, der im Moment, nachdem er am Freitag kurz offen war, jetzt wieder geschlossen ist.

Ich schaue gesprächsbereit nach draußen. Ich sehe, dass P&C den Wasserschaden immer noch nicht behoben hat. Wasserschaden höre ich viele Male am Tag, immer dann, wenn die Menschen die Schilder an den Geschäftstüren lesen. Wasserschaden, Wasserschaden, Wasserschaden wird häufig laut ausgesprochen.

„Abreißen, alles abreißen.“ Der zweite Mann tritt ein, ich frage: „Was jetzt, Bergedorf?“ „Ja, alles platt machen und abreißen und danach bloß keine Bäume pflanzen, sonst beschweren sich die Allergiker.“ Ich frage wieder zurück: „Ja, aber was soll denn dann hier entstehen, wenn Sie alles abreißen wollen?“

„Parkplätze, Parkplätze sind die einzige Lösung, mit der alle zufrieden sein könnten, bloß keine Bäume pflanzen.“ Ich wollte noch sagen, dass es garantiert sehr viele Unzufriedene wegen der Parkplatzvorschläge geben würde, aber da war der Schimpfende schon weitergegangen.

Er sitzt stundenlang im Eiscafé und schaut in die Weite des Einkaufszentrums

Der dritte Mann kommt kurz rein und sagt sehr laut, sodass es auch die Eisessenden hören können: „Mir tun alle Bäume leid, die für diese Papierausdrucke gefällt worden sind.“ Er zeigt auf die Artikel an den Wänden. „Alles Bullshit und Mist. Platt machen.“ Er geht weiter. Ich werde ihn noch öfter sehen. Er sitzt stundenlang im Eiscafé und schaut in die Weite des Einkaufszentrums, die bei der Sparda Bank zu Ende ist.

Der vierte Mann ist Jahrgang 1941 und Hobbyfotograf. Er fotografiert noch „auf Papier“ wie er sagt und konnte bis letztes Jahr seine 36er-Filme bei Budni kaufen. Er freut sich, dass Karstadt abgerissen wird, er hat die Abrissbaustelle fotografiert. Das andere Karstadt ist auch noch dran. Auch den alten Bahnhof, als Abrissstelle, hat er mit seiner Kamera festgehalten. 1999 hat er von seiner verstorbenen Mutter das Abo der Bergedorfer Zeitung übernommen, er braucht es, um zu erfahren, wo es für ihn etwas zu fotografieren gibt. Seinen letzten Geburtstag haben sie beim Chinesen gefeiert, da hat er auch ein Bild geknipst. In dem Restaurant „Zur alten 16“, Hausnummer 28, war sein Klassentreffen, Anfang September. Es kamen noch 13 Mitschüler und Mitschülerinnen.

Außerirdische Diamanten, die an irgendeinem Ort vom Himmel gefallen sind

Der fünfte Mann gestaltet ein selbst verwaltetes Blogprojekt aus der Perspektive der Generation 50+, das über die Vielfalt des Bergedorfer Lebens berichtet. Das Begegnungszentrum im Park, ehemals Haus im Park, sucht gerne Mitschreiber und Mitschreiberinnen, die über Historisches, Aktuelles und Zukünftiges aus Bergedorf berichten wollen.

Er berichtet außerdem von außerirdischen Diamanten, die an irgendeinem Ort vom Himmel gefallen sind. Ein großer von diesen Schätzen wurde geschliffen und dann für den Islam für viel Geld versteigert. Ich erfahre außerdem, dass Asteroiden die gleiche Dichte haben wie Diamanten. Bei meiner späteren Recherche kann ich nicht so vieles verifizieren. Ich finde aber, dass sogenannte Ureilite eine Variante von Meteoriten sind, also Fragmente größerer Himmelskörper wie etwa Kleinplaneten, die durch Kollisionen mit anderen Kleinplaneten oder Asteroiden vollständig zertrümmert wurden. Die Ureilite können Diamanten mit der Größe von 0,1 Millimetern aufweisen.

„Als Bergedorfer bleibt man im Moment am besten zu Hause“

Der sechste Mann, der eintritt und auf einem weißen Stuhl Platz nimmt, ärgert sich über die Busse. Der Busbahnhof ist gerade im Umbau. Die Ausweich-Bus-Haltestellen werden überall in Bergedorf verteilt. Für sechs Monate. „Ist nicht gerade gut für einen alten Mann. Ich werde 80 nächstes Jahr. Als Bergedorfer bleibt man im Moment am besten zu Hause. Wieso braucht man für eine Asphaltierung in der Größe eines Sportplatzes sechs Monate?“

Was ist schön in Bergedorf? Frage ich ihn. „Die Bille ist schön, das Villenviertel ist schön, das Schloss, die Einkaufsstraße.“ Dann fällt ihm noch ein, dass Frauen besser Busfahren als Männer.

„Mit Vollgas zur Haltestelle und dann Vollbremsung, kann nur ein Busfahrer bringen. Da fliegt man im Bus auch schon mal auf die Schnauze. Beim scharfen Bremsen geht der Asphalt hoch, deswegen muss der Busbahnhof auch repariert werden, weil die Busfahrer wie die gesengten Säue fahren. Hätten wir nur Busfahrerinnen, dann müsste jetzt auch nichts umgebaut werden. Jetzt kriegen sie von mir aber ein Haufen Gemecker, aber unser Bundeskanzler, der Herr Scholz, fährt auch nicht mit dem Bus, oder?“

Ratschlag einer Frau: Vorm Einschlafen an drei schöne Dinge denken

Ich frage mich gerade, warum alle Welt immer sagt: Ein Mann ein Wort, eine Frau ein Wörterbuch? Frauen würden zu viel quatschen, und Männer sind wortkarg. Bisher waren ausschließlich Männer zum Gespräch bereit. Da fährt eine alte Dame mit Rollator vorbei und ruft mir im Vorbeigehen zu: „Ich habe Sie gerade abbestellt, ich habe Schluss gemacht, wir beide passen nicht mehr zusammen.“ Sie meint die BZ. Eigentümliche Wortwahl, als wäre die Zeitung ihr Geliebter. Immerhin mal eine weibliche Stimme… P&C macht das Licht aus, ich sitze im Dunkeln, der zweite Tag CCB geht zu Ende.

Am nächsten Morgen kommt endlich eine Frau. Zuerst lässt sie ihrer Kritik freien Lauf, danach gibt sie sich sehr viel Mühe, auch etwas Schönes über B zu sagen. Wie zum Beispiel die wunderschönen, gepflegten Grünanlagen: „Die sind wirklich prächtig und fabelhaft.“ Zum Schluss des Gesprächs, nachdem sie über die Ängste der steigenden Energiekosten, der steigenden Lebensmittelkosten gesprochen hat, sagt sie: „Mein Sohn, der ist Anfang 50, der hat einen Psychologen, aber er ist nicht psychisch krank, er wird nur beraten, also der berät ihn und der hat gesagt, und ich erzähle es allen weiter, weil es hilft und weil es schön ist: Drei Dinge soll man sich vor dem Einschlafen in Erinnerung rufen, die an diesem Tag gut und schön waren. Es reichen so kleine Dinge, wie die Tür aufgehalten zu bekommen, ein Lächeln, ein Blumenstrauß, den man sich auch selber schenken kann. Wenn man das schafft, an drei schöne Kleinigkeiten zu denken, dann sind die Nachrichten aus der Welt nicht mehr so schlimm, dann habe ich keine Angst mehr vor morgen.“

„Vor 30 Jahren, da war es noch schön, jetzt gibt es nur Dönerläden“

Ein Mann mit Brille, Sportjacke und großer Tasche über der Schulter kommt herein. Er ist vorher schon hin und hergelaufen und hat gewartet bis die Dame vor ihm, sich wieder verabschiedet.

„Ist ein Haufen Dreck hier, Bergedorf ist Dreck. Ein einziges Elend. Das Hotel mit 130 Zimmer in denen jetzt Asylanten wohnen, nagelneu aufgemacht. Wer bezahlt das? Dann kriegen sie 29,80 Euro jeden Tag.“ „Was haben Sie am Tag zur Verfügung?“ Frage ich ihn. Will er aber nicht sagen.

„Läden wie das Lavastein, da muss mal sauber gemacht werden. Ja, der Hafen ist schön, aber gucken Sie sich mal die Blumenkisten an. Dreck. Vor 30 Jahren, da war es noch schön, jetzt gibt es nur Dönerläden.“

„Was essen Sie denn gerne?“, frage ich.

„Deutsche Küche. Die Gastronomie in Bergedorf ist in türkischer und syrischer Hand.“

Es kommt eine Bekannte von ihm vorbei. Eine adrette ältere Dame. Er ruft ihr zu: „Guck mal, die hier schreibt ein Buch über Bergedorf, willst du was dazu sagen?“ Die Dame winkt ab und sagt nur: „Alles furchtbar, da kann man nichts mehr zu sagen. Hamburg auch, ist doch schrecklich. Es war mal alles so schön, aber wie es jetzt ist, da fällt mir nichts mehr zu ein.“

Als sie vorbeigerauscht ist, zum Frisör, wie sie sagt, obwohl die Frisur noch top aussieht, sagt er: „Der geht es auch dunkel, die findet das mit dem Hotel und den Ausländern auch nicht gut. Hier gibt es keine deutsche Kneipe mehr, keine Bar, nichts. Da müssen sie gar nicht drüber schreiben, lohnt sich eh nicht.“

Ein nagelneues Hotel, in das Geflüchtete einziehen, passt nicht ins Selbstbild

Ich höre mir vieles an, ich höre aufmerksam zu. Ich widme mich den Menschen für eine Woche, mehrere Stunden am Tag. Ich höre primär Kritik, Unzufriedenheit, Wut, Trauer und negative Betrachtungen. Manchmal bietet es sich an, den Menschen zu fragen, zu hinterfragen, was der Auslöser ist: „Hurt people hurt.“ Verletzte Menschen, verletzen. Und zwar die anderen, die nicht in ihr Selbstbild passen, die sie stellvertretend verantwortlich machen für ihr eigenes Leid, für Dinge, die sich in ihrem Leben, der Gesellschaft verändert haben. Ein nagelneues Hotel, in das Geflüchtete einziehen, die 29,80 Euro (nach seiner Aussage) Tagessatz erhalten, passt nicht in das Selbstbild eines ehemals erfolgreichen, selbstständigen, weißen Mannes, der seinen Tagessatz, nach meiner Nachfrage nicht verraten möchte. Ihm fehlen mehrere Zähne, ich mag ihn, er hat Humor, aber er ist rassistisch. Er lässt sich entlarven, auf meine Nachfragen weiß er auch keine Antworten. Auf einen Perspektivwechsel, dass er in diese Situation geraten könnte, mit Schlauchboot, mit Flucht, mit Gefahr, mit Angst, mit Asylrecht, mit Asylantrag, der abgelehnt wird, mit Familiennachzug, der nicht gestattet wird, mit zu wenig Bildung, mit Trauma ohne Therapie, mit Kindern, die ohne ihn in seiner Heimat aufwachsen, bei seiner Frau, die er seit zwei Jahren nicht gesehen hat, lässt er sich nicht ein. Der wütende, Mann schweigt. Er schweigt. Er macht eine Pause und sagt: „Ich weiß es doch auch nicht.“

Es kommt noch dicker: Gesammelte Negativ-Aussagen über Bergedorf

Schrebergärten sollen platt gemacht werden, das Marschland soll bebaut werden. Wer soll das bezahlen? Das ist schon woanders schief gegangen. Wasser abpumpen, Sand aufschütten und es gibt noch nicht mal Investoren.

Die Politik hat nichts gegen die Getto-Bildung in Neuallermöhe getan. In Neuallermöhe-Ost leben 64 Prozent und in West 74 Prozent Russlanddeutsche, die AfD hat da 20 Prozent geholt.

Wir haben gegenüber Hamburg den Eindruck, außen vor zu sein, nicht dazuzugehören.

Thema Sauberkeit: Früher gab es mehr Mülleimer, früher war es sauberer. Der HSV muss seinen Schmutz, Graffiti und Plakate auf eigene Kosten wegmachen.

Der Einzelhandel stirbt. Die Bebauung ist mehr gewollt als schön, also zweckmäßig, aber hässlich. Karstadt wird abgerissen. Ein Center-Manager muss her, sonst geht die Kiste unter. Es gibt nur ein winziges Kino. Die meisten Hausbesitzer wohnen nicht in Bergedorf, sondern in der Karibik.

Die Russlanddeutschen gucken „Russia Today“ und sind dadurch für Putin. Sie gucken leider nichts anderes.

In der Wochenmitte meines Aufenthaltes vollzieht sich ein Wechsel

Es erscheint ein Zwischenbericht über meine Zeit im Einkaufszentrum: „Bergedorfer fällen hartes Urteil über ihren Stadtteil“, betitelt sie BZ.

Dadurch vollzieht sich in der Wochenmitte meines Aufenthaltes als Stadtschreiberin ein Wechsel. Jetzt kommen gezielt Menschen, die das dringende Bedürfnis haben, etwas Positives, Gutes über Bergedorf zu erzählen.

Ein Ehepaar nähert sich der Box. Er sitzt im Rollstuhl und berichtet, dass es sehr schwierig ist, wenn die Fahrstühle, die ihn zu den S-Bahn Gleisen hoch- und runterbringen, kaputt sind. Dann müssen sie extra auf eine neue S-Bahn warten und eine Station weiterfahren und dort hoffen, dass die Fahrstühle funktionieren. Sie haben es jetzt schon so oft erlebt, dass sie nur noch Bus fahren. Manchmal nehmen sie die Linie 124, oder 224? Sie streiten sich über die Bus-Zahlen und wissen es nicht mehr genau. „Dieser Bus fährt von Bergedorf direkt ins Hamburger Zentrum, da kann man eine Stunde Sightseeing erleben, ist eine feine Sache.“

Seit 50 Jahren verheiratet. Fröhlichkeit und Liebe strömt mir da entgegen

Sie ist Dänin, er Bergedorfer, sie sind seit 50 Jahren verheiratet. Fröhlichkeit und Liebe strömt mir da entgegen. Schön. Sie fragt mich: „Möchten Sie das Geheimnis unserer langen Ehe wissen?“ Nein, vielen Dank, machen Sie dass sie weiterkommen… natürlich, sage ich, wir lachen. „Das Geheimnis ist, dass ich jeden Morgen, direkt nach dem Aufwachen, wir liegen beide noch im Bett und er ist ein Morgenmuffel, braucht einfach länger zum Wachwerden, dass ich also direkt nach dem Aufwachen frage: Möchtest du die heutige Geschichte hören? Er sagt grundsätzlich immer Nein, manchmal brummt er auch nur abweisend. Aber ich erzähle immer etwas, ob er will oder nicht. Wie der Tag werden kann, was ich in der Nacht geträumt, gedacht habe. Dass ist das Geheimnis: Er will nicht, ich mache es trotzdem.“

Positives über Bergedorf von Bergedorfern und Bergedorferinnen

Eichhörnchen füttern. Schloss, Bille, Sternwarte.

Es gibt einen Kindergarten, wo Kinder aus aller Welt hingehen und wenn nötig logopädische Unterstützung bekommen, so kann Integration gelingen.

Unser Ewer, der Hafen, die Grünanlagen.

Sehr gute Verkehrsanbindung.

Vorbildliche Flüchtlingshilfe. Lohbrügger Bürgerverein, da muss man nicht einsam sein.

Helfer-Team der Kirche Lohbrügge-Nord, hilft bei Reparaturen, Fahrdiensten und vielem mehr. Toller junger Pastor dort.

Ein bunter Stadtteil.

Lola, das Kulturzentrum.

Kunstausstellungen in leeren Geschäften.

Nach 21 Jahren wilder Ehe ein Heiratsantrag – das war schön

Es kommt eine Frau Mitte 50. Sie hat eine wunderbare frische Energie, sie strahlt wie das Sonnensystem. Sie berichtet mir, dass sie direkt vor dem Einschlafen den Zwischenbericht in der BZ gelesen hat und ihrem Mann noch zuraunen konnte: „Schreib mir morgen unbedingt eine Nachricht, damit ich nicht vergesse, zu der Stadtschreiberin ins CCB zu gehen.“ Sie erzählt, dass sie 1986 hier unten, wo jetzt der Edeka ist und früher die Fleischerei Schröder war, ihre Ausbildung zur Fleischfachverkäuferin begonnen hat. Damals war es noch anders: „Ich bin es eher geworden, als es werden zu wollen, man kam halt mit dem Chef über die Großeltern-Kontakte ins Gespräch, und der sagte dann zu mir: Na du kommst zu mir und machst da deine Ausbildung, ist doch ‘ne feine Sache.“

„Ja, und so habe ich es dann auch gemacht.“ „Es war wirklich eine schöne Zeit, man kannte die Leute, man kam ins Gespräch und besonders in der Advents- und Weihnachtszeit habe ich es genossen, da haben wir in einer Bude verkauft, Kohlwürste, Zwiebelleberwurst und so. Da hatten die Läden hier untern alle noch extra Buden aufgebaut, wie ein verlängerter Weihnachtsmarkt. Hach, war das schön. Da war es Freitag so voll in der Stadt, und heute? Ist ja leer hier. Da machten sich die Menschen noch richtig schick, wenn sie zum Sachsentor gingen. Die Leute haben es geschätzt, in die Stadt zu gehen, da waren aber auch noch Läden, so was aber auch. Nein, es war wirklich schön. Aber so muss und sollte man auch mit der Zeit gehen. Jetzt hat halt ein Wandel stattgefunden, da muss man sehen, was bringt der Neues, wie geht es weiter? Also ich finde unser Bergedorf wirklich sehr, sehr schön. Auch mein Sohn, der ist jetzt 24 Jahre alt, der hat mir heute früh gesagt, ich soll dass ruhig ausrichten. Er ist jung und er findet Bergedorf ,schwer in Ordnung’, sollte ich Ihnen sagen.“

Pro und contra – in Bergedorf ist alles in bester Ordnung

Ich lade sie zu unserer Lesung in die Sternwarte ein, aber da schlägt sie ganz traurig ihre Hände zusammen und sagt: „Da kann ich leider nicht, da habe ich eine Anprobe für mein Hochzeitskleid, ich heirate nämlich, nach 21 Jahren.“ Jetzt sind wir beide aus dem Häuschen, ihre fröhliche Kraft ist ansteckend. „Ja, am Muttertag habe ich den Antrag bekommen, ich war noch im Schlafanzug, da hat mir erst mein Sohn einen Blumenstrauß überreicht mit den Worten: Sag mal was ist denn heute mit Papa los, der steht ja völlig neben sich. Dann ging mein Sohn raus, mein Mann kam rein, mit einem Wahnsinnsstrauß und meine ersten Worte waren: Der sieht ja aus wie ein Hochzeitsstrauß. Woraufhin sich mein Mann im Schlafzimmer auf den Teppich niederkniete und ich allen Ernstes fragte: Sag mal, hast du was verloren, oder was suchst du da unten? Nach 21 Jahren wilder Ehe, also ich habe da nicht mehr mit gerechnet. Dann klappte er plötzlich ein Ringkästchen auf, und ich sah einen strahlenden Stein, der mich anfunkelte. Ich habe dann mindestens zehnmal gesagt: Nein, der ist ja schön, der ist ja schön, der ist ja wunderschön. Bis ich endlich erkannt habe, dass ich ja auch noch Ja oder Nein sagen muss. Habe ich dann natürlich auch gemacht. Jedenfalls haben wir dann nebeneinander auf unserem Ehebett gesessen und zurückgeschaut, auf die 21 gemeinsam verbrachten, zusammen erlebten Jahre, auf die guten und die schweren Zeiten. Das war schön.“

Im Theater beim Schlussapplaus, wenn die Premiere gespielt ist, freut sich das Regieteam über einen Applaus, der beides enthält, Bravo- und Buh-Rufe, Begeisterung und Ablehnung. Eine gesunde Mischung des Publikums aus pro und contra. Wenn ich diesen Umstand auf den Stadtteil Bergedorf beziehe, ist hier alles in bester Ordnung. Die Gespräche mit den Bergedorferinnen und Bergedorfern sind Ausdruck einer vitalen, bunten Gesellschaft die engagiert, interessiert, begeistert oder aber auch das Gegenteil ist.