Hamburg. Bergedorferin erinnert sich an Kindheit und wie ihr Vater im Hof ein Boot baute. Warum sie im Finanzamt immer ein Tau im Schrank hatte.
Zeitunglesen kann so schön sein... So erging es etwa Ute Salzmann, als sie von der Restaurierung des alten Hafenkrans am Serrahnufer las: „Den kenn’ ich doch, da hing auch mal unser Boot am Haken“, erinnerte sich die 69-jährige Bergedorferin – und stöberte nostalgisch gestimmt im alten Fotoalbum. Tatsächlich: Auf den 16. März 1960 ist das Foto datiert, auf dem das knapp acht Meter lange Boot am Haken baumelt.
„Und hier bin ich mit meinem acht Jahre älteren Bruder Wolfgang und unserem Vater Otto König. Da paddelten wir ein Jahr zuvor mithilfe von Planken über den Schleusengraben und brachten den hölzernen Rumpf nach Bergedorf“, erzählt Ute Salzmann, die in dem schönen, weit über 100 Jahre alten Haus am Neuen Weg aufwuchs, Ecke Rektor-Ritter-Straße – kaum ein Bergedorfer, der die hübschen Stockrosen im Vorgarten nicht kennt. „Wir haben es verkauft“, sagt Ute Salzmann, die noch weiß, dass die Busse hier früher nie so recht um die Kurve kamen: „Die drückten immer mit dem Hinterrad den Kantstein platt.“
Restaurierung des Hafenkrans am Serrahnufer
Zu jener Zeit wurde das Boot im Hof gebaut. Im Dezember 1959 gab es schon eine Kajüte, aber der Steuerstand fehlte noch und die weiße Lackierung der „Old King I“. Mutter Ursula war arg skeptisch: „Soll sowas ein Schiff werden?“, schrieb sie unter das Foto mit dem neuen Palmer-Motor – und sorgte sich wohl auch ums Geld.
Dabei arbeitete Otto König längst nicht mehr als Maurer auf dem Bau. Nach dem Krieg hatte er sich selbstständig gemacht als Großhändler für Brot- und Backwaren: „Manchmal durfte ich frühmorgens mit zu den Bäckereien in Hamburg, und danach haben wir in Bergedorf einzelne Brote an die noch vielen Milchläden hier verkauft“, erzählt Ute Salzmann, die indes noch lieber gegenüber in das Kolonialwarengeschäft der Willers ging: „Die hatten richtig große Bonsche-Gläser.“
Mit dem Boot über die Dove-Elbe geschippert
Die hätte sie damals gern auch ihren ersten Schulfreundinnen gezeigt, aber dafür blieb wenig Zeit: „Ich war gerade an der Chrysanderstraße eingeschult worden. Und samstagnachmittags, wenn ich von der Schule kam, warteten die Eltern schon mit gepackten Taschen in der Küche auf mich, damit wir einen Bootsausflug machen konnten. Das lag inzwischen in Tatenberg, und von da aus sind wir oft über die Dove-Elbe geschippert.“
Wobei die „Old King I“ nur der Prototyp war: Es folgten weitere Schiffe und Schuljahre: „Dann besuchte ich das Luisen-Gymnasium, von wo ich immer zu Fuß nach Hause gehen musste. Das galt für alle Kinder, die im Umkreis von zwei Kilometern wohnten, denn der Fahrradkeller der Schule war zu klein“, erzählt die 69-Jährige.
Ute Salzmann hatte immer ein Tau im Schrank
Jedenfalls hatte ihr Vater schon bald auf der Allermöher Werft einen neuen Bootsrumpf gefunden. „Und als Drittes schnackte er auf Schweinsand noch einem alten Fischer dessen Krabbenkutter ab.“ Unterdessen hatte auch Sohnemann Wolfgang seine Leidenschaft fürs Wasser entdeckt – und machte eine Lehre als Bootsbauer.
Ute Salzmann indes hatte nichts mit der Seefahrt am Hut – wohl aber immer ein Tau im Schreibtischschrank: „Ich war in der Lohnsteuerabteilung beim Finanzamt, das damals noch im ersten Stock über dem Amtsgericht war, an der Ernst-Mantius-Straße. Und weil die Flure damals noch nicht verbunden waren, hatten wir Angst, bei Feuer aus dem Fenster klettern zu müssen. Dann wären wir wohl auf die Spitzen der Gefängnismauer gefallen. Daher die Taue im Schrank.“
Das alles ist so furchtbar lange her, denkt die 69-Jährige, die auch heute nur wenige Hundert Meter vom Bergedorfer Hafenbecken entfernt wohnt – und sich freut, wenn der Kran bald wieder ansehnlich ist. 100.000 Euro steckt das Bezirksamt ist die Restaurierung, die – wenn sich das Wetter hält – im November beendet werden soll. Dann ist der technische Oldtimer zwar nicht wieder betriebsbereit, aber doch frisch angestrichen und mit Lichtern versehen.