Hamburg. Vier- und Marschlande sind bei Starkregen besonders gefährdet. 2D-Modell berechnet wie das Wasser von Dove-Elbe in Stromelbe fließt.

Das Projekt Reconect dürfte die Vier- und Marschlande und auch die Bergedorfer City im Februar vor noch höheren Wasserständen bewahrt haben. Als einige Bereiche des Bezirks beinahe untergingen, wurde das Tatenberger Siel aufgrund von Modell-Berechnungen des Projekts anders gesteuert, als es die Bedienungsrichtlinien vorgesehen hatten. In der jüngsten Sitzung des Regionalausschusses stellten die Reconect-Verantwortlichen um Projektleiter Christian Ebel (Umweltbehörde) das EU-Projekt, das in Hamburg nur die Vier- und Marschlande im Blick hat, vor.

„Der Erfolg war im Februar nicht zu sehen, aber ohne die Reconect-Berechnungen wäre der Wasserstand 20 Zentimeter höher gewesen“, sagte Christian Ebel. Das Ziel sei, bei künftigen Sturmfluten noch niedrigere Wasserstände zu erreichen. Die Vorhersage des einsetzenden Hochwassers mit den damit verbundenen Rechenmodellen habe gut funktioniert. Das Problem sei die Abschätzung des Endes der Ausnahmesituation gewesen: „Das konnten wir erst spät vorhersagen.“

Hochwasser: 2D-Modell errechnet Wasserfluss von Dove-Elbe in Stromelbe

Damals war nicht nur der Wasserstand in der Dove-Elbe vor dem Hochwasserereignis abgesenkt worden, sondern es wurden auch die Entwässerungsdauer verlängert und die Abflussleistung des Tatenberger Deichsiels erhöht, indem über drei Durchlässe – und nicht nur über zwei – Wasser aus der Dove-Elbe in die Stromelbe fließen konnte. Ein 2D-Modell des Reconect-Teams hatte zuvor gezeigt, dass die Kombination dieser Maßnahmen eine merkliche Entlastung bringen würde.

Wegen des extremen Binnenhochwassers musste das THW im Februar Wasser aus der Tatenberger Schleuse Sturmpumpen einsetzen. Sie liefen Tag und Nacht.
Wegen des extremen Binnenhochwassers musste das THW im Februar Wasser aus der Tatenberger Schleuse Sturmpumpen einsetzen. Sie liefen Tag und Nacht. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Das EU-geförderte Projekt wurde ins Leben gerufen, um Extremwettersituationen zu begegnen. Denn die nehmen tendenziell in ihrer Häufigkeit zu. Diesen Gefahren mit immer mehr technischen Lösungen wie Schleusen, Deichen oder Wehren zu begegnen, könne aber nicht allein die Lösung sein, meinen die Experten.

Neben der Umweltbehörde sind auch die Technische Universität Hamburg-Harburg und der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer involviert. Sie arbeiten daran, Wege zu finden, um hydrometeorologische Risiken wie Hochwasser, Sturmfluten und Dürren durch naturnahe Lösungen zu mindern. Dazu zählen Rückhaltebecken ebenso wie eine naturnahe Gewässerentwicklung. Knapp 40 Partner aus Europa, aber auch aus Malaysia und Taiwan, beteiligen sich an dem Projekt. Das Gesamtbudget liegt bei 13,5 Millionen Euro, die EU-Förderung für Hamburg bei knapp 1,7 Millionen Euro.

Projekt Reconect: Ziel des Projekt sind naturbasierte Lösungen

Die Vier- und Marschlande sind im Fall von starken Niederschlägen potenziell einer erheblichen Hochwassergefährdung ausgesetzt. Neben einer komplexen und manuellen Steuerung der wasserwirtschaftlichen Anlagen wie dem Tatenberger Siel untersucht Reconect auch die Möglichkeit, die Wasserstandssteuerung innerhalb des Grabensystems zu optimieren, um auch bei Trockenperioden Mindestwasserstände gewährleisten zu können. Übergeordnetes Ziel des Projekts ist es, naturbasierte Lösungen zu finden, um den Wasserstand im Gebiet und des Grabensystems zu verstetigen. Betrachtet werden die Dove-Elbe mit einem Einzugsgebiet von 160 Quadratkilometern sowie die Bille mit 507 Quadratkilometern.

So sah es im Februar aus: Überflutete Felder und Wiesen überall im Landgebiet.
So sah es im Februar aus: Überflutete Felder und Wiesen überall im Landgebiet. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Die Politiker im Regionalausschuss, denen das Projekt bereits vor zwei Jahren erstmals vorgestellt worden war, äußerten damals wie jüngst die Besorgnis, dass die naturbasierten Lösungen von Reconect den Bau von drei Schöpfwerken, die seit Jahren entlang der Stromelbe geplant sind, aber bislang aufgrund schwieriger Grundstücksverhandlungen nicht entstehen konnten, verhindern könne. „Wir sehen das Projekt nur als Ergänzung“, sagte Jörg Froh (CDU). Sie würden den Bau der Schöpfwerke keineswegs verhindern wollen, betonten die Referenten: Mit der Planung der drei Schöpfwerke sei die Umweltbehörde „intensiv beschäftigt“, teilten die Experten mit.

Sie wiesen aber auch darauf hin, dass Technik auch versagen könne und das Schöpfen von Wasser energieintensiv sei und man sich deshalb nicht nur darauf verlassen sollte. Wichtig sei etwa auch, bereits bestehenden Speicherraum (Retentionsflächen) für Hoch- und Niederschlagswasser an der Dove-Elbe besser zu nutzen. Es gehe darum, Stauvolumen für Wasser zu schaffen, das bei niedrigeren Pegelständen wieder abgelassen werden kann.

Anwohner der Dove-Elbe fordern besseren Informationsfluss

„Es gibt keine Vereinbarungen bezüglich der Wasserrückhaltung zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein“, verriet Projektleiter Christian Ebel auf Nachfrage von Jörg Froh. Man verfahre nach dem Sankt-Florian-Prinzip, gehe die Probleme also nicht gemeinsam an, sondern verschiebt potenzielle Gefahren zum Nachbarn. Denn das meiste Wasser komme bei Extremwetterlagen über die Bille von Schleswig-Holstein aus nach Bergedorf gerauscht, betonte Jörg Froh.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ausschussmitglieder merkten an, dass die Kommunikation im Februar, als das Wasser über die Deiche zu laufen drohte, besser hätte sein können und das Anlieger mit Grundstücken direkt an der Dove-Elbe gern mehr Informationen bekommen hätten. Die Reconect-Experten notierten sich den Hinweis, versprachen „bessere Log-Ins“, also Zugänge zu den relevanten Kommunikationsplattformen.

Das Projekt läuft noch bis Ende August 2024. Es wird begleitet von einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung, die in Dänemark entwickelt wurde. Dabei soll die Meinung der Bergedorfer zum Thema Hochwasser- und Gewässerschutz abgefragt werden. Dafür wurden jetzt – nach dem Zufallsprinzip – Fragebögen in 1500 Postkästen im Bezirk verteilt. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Fragen online zu beantworten. Es seien bereits mehr als 200 Rückmeldungen eingegangen.

Infos zum Projekt im Internet: www.reconect.eu.